Spielziel
Als Einleitung für das Spiel Lacrimosa (auf deutsch: "Die Tränenreiche") eignet sich sehr gut die Beschreibung auf "Wikipedia":
"Das Requiem in d-Moll (KV 626) aus dem Jahr 1791 ist Wolfgang Amadeus Mozarts letzte Komposition. Obwohl es nur zu etwa zwei Dritteln von Mozart stammt, ist es eines seiner beliebtesten und am höchsten eingeschätzten Werke. Mozart starb während der Komposition. Da es sich um ein Auftragswerk handelte, vervollständigten Joseph Eybler und Franz Xaver Süßmayr, ein Schüler von Mozart, das Requiem im Auftrag von Constanze Mozart, der Witwe des Komponisten."
Im Spiel übernehmen wir die Rollen von Mäzenen Mozarts, welche versuchen, sein letztes Opus fertigzustellen, seine Werke zu verwalten und die Erinnerung an die größten Momente des Komponisten aufrecht zu erhalten.
Ablauf
Gleich eines vorweg: Die Spielanleitung hält an der etwas holprigen Spielgeschichte fest und verwendet laufend die gewählte Terminologie. Für eine verständliche Spielbeschreibung werde ich jedoch nicht weiter von "Erinnerungen", etc. schreiben. Im Grunde genommen sind alle "Erinnerungskarten" nämlich Aktionskarten, die uns fünf verschiedene Aktionsmöglichkeiten bieten.
Wir erhalten zu Beginn ein Spielertableau und unser persönliches Material (Noten-Marker, Zählsteine, Geldbörse und Wappen), welches wir auf die dafür bestimmten Felder platzieren. Unsere 10 Startkarten bestehen aus 9 Aktionskarten, die wir gut mischen und als Nachziehstapel verdeckt links neben unser Tableau legen, sowie einer Opus-Karte, die wir aufgedeckt rechts von unserem Tableau auslegen.
Der große Spielplan zeigt mittig eine Karte von Europa mit Mozarts Reisezielen. Am oberen Rand befinden sich sechs Felder, auf die neue Opus- und Aktionskarten von einem - zu Beginn eigens gebildeten - Epochenstapel offen ausgelegt werden. Am unteren Rand wiederum steht die unvollendete Partitur des Requiems, unterteilt in fünf Sätze (Kyrie, Sequentia, Offertorium, Sanctus und Agnus Dei).
Eine Partie Lacrimosa verläuft über 5 Runden, gegliedert in die Hauptphase mit jeweils 4 Spielzügen und einer anschließenden Verwaltungsphase.
In der Hauptphase ziehen wir vor jedem Spielzug zuerst Karten unseres Nachziehstapels, bis wir 4 Karten auf der Hand haben. Nur für den 4. und letzten Zug jeder Runde stehen uns bloß 3 Karten zur Verfügung. Danach wählen wir eine unserer Handkarten und schieben sie in den Aktions-Bereich am oberen Rand unseres Tableaus, eine zweite Karte nach Wahl kommt in den Einschub im Story-Bereich am unteren Rand unseres Tableaus.
Danach führen wir die Aktion der oben eingeschobenen Karte aus. Es gibt fünf verschiedene Aktionen, aus denen wir - natürlich abhängig von unseren Handkarten - wählen können:
1. Opus in Auftrag geben.
Wir wählen eine der offen ausliegenden Opus-Karten vom Spielplan, indem wir die Kosten bezahlen. Neben ein paar Dukaten braucht es dafür auch ein paar schwarze "Talent"-Storypunkte, die wir entweder mit entsprechenden Story-Scheiben begleichen und/oder von der entsprechenden Zählleiste auf unserem Tableau abziehen. Die Opus-Karte kommt offen rechts neben unser Tableau, danach ergänzen wir die Auslage wieder, indem wir die Karten auf der Auslage nach rechts schieben und die leeren Karten auffüllen.
2. Opus aufführen oder verkaufen.
Ein rechts offen neben unserem Tableau liegendes Opus können wir mit dieser Aktion "aufführen", was uns einige Dukaten bringt. Da jedes Opus nur einmal pro Runde aufgeführt werden kann, drehen wir die Karte um 90 Grad. Wir können ein Opus aber auch gleich "verkaufen", was uns neben direkten Siegpunkten auch ein ständiges Einkommen beschert (unser Marker auf der Einkommensleiste wird entsprechend angepasst). Auch für diese Aktion benötigen wir die angegebene Zahl an "Talent"-Storypunkten.
3. Reisen.
Mit dieser Aktion bewegen wir die Mozart-Figur auf der Karte von Ort zu Ort. Für die Bewegung sind auf jeder Verbindung zwischen 2 Städten die erforderlichen Kosten in Dukaten aufgedruckt. Am Zielort sind dann zusätzlich noch die auf dem Ortsplättchen angegebenen roten "Reise"-Storypunkte zu entrichten. Für ein Stadtplättchen erhalten wir sofort die angegebene Belohnung. In drei Städten - Wien, London und Paris - erhalten wir hingegen das ausliegende Königshofplättchen, welches uns am Spielende wertvolle Siegpunkte bringen kann.
4. Am Requiem arbeiten.
Für diese Aktion werden - neben ein paar Dukaten - die weißen "Kompositions"-Storypunkte benötigt. Wir wählen ein leeres Instrumentenfeld in einem Satz des Requiems auf dem Spielplan, das wir in Auftrag geben wollen. Dabei steht uns jeweils einer von zwei Komponisten zur Auswahl. Mit einem passenden Notenmarker (Achtel- oder Sechzehntelnoten-Seite) halten wir fest, für welchen Komponisten wir uns entschieden haben. Wir erhalten dafür das entsprechende Komponisten-Plättchen, zusammen mit der dazugehörigen Belohnung.
5. Erinnerungen aufschreiben
Diese Aktion erlaubt uns, eine neue Aktionskarte aus der offenen Auslage zu erwerben, wofür wir neben Dukaten beliebige Story-Punkte aufwenden müssen. Die neue Karte tauschen wir sofort gegen jene Karte aus, die wir in diesem Spielzug in den Story-Bereich eingeschoben haben. Die "alte" Karte hingegen wird für diese Partie nicht mehr benötigt.
Nach unserem vierten Spielzug endet die Hauptphase. In der Verwaltungsphase stellen wir zuerst alle Zählsteine auf unseren drei Story-Leisten auf Null, bevor wir unser Einkommen - sowohl auf unserer Einkommensleiste als auch auf allen vier Karten in unserem Story-Bereich - erhalten. Ehe die nächste Runde beginnt, wird schließlich noch die Kartenauslage mit Karten der neuen Epoche erneuert.
Nach fünf Runden endet die Partie. Zu unseren während der Partie gesammelten Siegpunkten kommen in einer Schlusswertung noch folgende Punkte hinzu: Punkte für erfüllte Königshofplättchen, wobei jedes dafür verwendete Element (Opus, Instrumentenstimme, etc.) nur für ein einziges Plättchen gelten darf. Punkte für unsere Notenmarker im Requiem-Bereich, wobei der Wert hierfür höher ausfällt, wenn der gewählte Komponist in diesem Satz häufiger vertreten ist. Und ein paar vereinzelte Pünktchen gibt's auch noch für verbliebene Dukaten und übrige Storypunkte. Ist unser Zählstein schlussendlich auf der Punkteleiste am weitesten vorn, haben wir den höchsten Beitrag für das Andenken Wolfgang Amadeus Mozarts geleistet, und gewinnen folglich die Partie.
Fazit
Ich tue mich etwas schwer, Lacrimosa richtig einzuordnen, zu katalogisieren. Es ist auf jeden Fall ein kartengesteuertes Spiel, denn mit den Karten legen wir einerseits fest, welche Aktionen wir in der Hauptphase durchführen können (oberer Einschub im Aktionsbereich), andererseits welche Einnahmen wir in der Verwaltungsphase erhalten (unterer Einschub im Story-Bereich). Schon hier gilt es, uns zu entscheiden, welche Karte wir auf welche Weise verwenden wollen.
Auch die Aktionen selbst eröffnen uns verschiedene Wege, die wir sorgfältig auf ihren Nutzen abwägen müssen. So bringt uns Reisen nicht nur zum Teil recht vorteilhafte Soforteffekte, sondern wir können dadurch vor allem auch die wertvollen Königshof-Plättchen erlangen, die uns in der Schlusswertung - ihre Erfüllung vorausgesetzt - eine Menge Siegpunkte bringen. Wir müssen halt nur darauf achten, die passenden Elemente, wie bestimmte Opus-Karten oder eine Beteiligung an der Vollendung des Requiems, vorweisen zu können.
Ein weiterer wichtiger Punktelieferant für die Schlusswertung sind die Notenmarker, die wir für die Vollendung des Requiems eingesetzt haben. Während auf allen Königshof-Plättchen ein fixer Punktebetrag angegeben ist, hängt die Punkteausbeute bei den Notenmarkern davon ab, ob der entsprechende Komponist die meisten Instrumentenstimmen zu diesem Satz beigetragen hat oder nicht. Haben wir uns der Mehrheit angeschlossen, erhalten wir deutlich mehr Siegpunkte als für den anderen Komponisten, beispielsweise im 4. Satz ("Sanctus") 6 Punkte pro Marker gegenüber 3 Siegpunkten.
Jedes Opus, welches wir in Auftrag geben, bringt uns - egal ob Oper, Kirchenmusik, Symphonie oder Kammermusik - direkte Siegpunkte. Daneben können uns Opus-Karten aber auch mit einer weiteren Aktion einen Zusatznutzen verschaffen. Führen wir ein Opus später mal auf, bringt es uns ein paar Dukaten, ein willkommener Obolus, nachdem wir ja immer wieder für Aktionen Geld aufwenden müssen. Verkaufen wir ein Opus hingegen, erhöht sich unser Einkommen auf der Einkommensleiste, und liefert uns obendrein noch den einen oder anderen Siegpunkt extra.
Alle Aktionen sind auf geschickte Weise miteinander verwoben. Es ist daher kaum möglich oder überhaupt sinnvoll, sich nur auf eine Aktion zu konzentrieren. Wir können zwar vielleicht eine der möglichen Aktionsmöglichkeiten vernachlässigen, zum Beispiel ganz auf das Mitwirken am Requiem zu verzichten und versuchen, stattdessen durch Reisen und Opus-Aufträge ausreichend Punkte zu sammeln. Aber durch die erwähnte Vernetzung sind zumindest immer zwei Dinge notwendig.
Zudem brauchen wir, um eine Aktion durchführen zu können, ja auch Story-Punkte. Die Aktionskarten sind derart gestaltet, dass im unteren Bereich jene Symbole vertreten sind, die wir für die im oberen Bereich angeführten Aktion(en) bräuchten. Diese sicher mit Absicht gewählte Verteilung sorgt dafür, dass wir zwangsläufig auch Story-Punkte einer weniger benötigten Art erhalten. Da es am Ende jeder Runde außerdem einen "Epochenbonus" für eine bestimmte Aktion gibt, und um keine Story-Punkte sinnlos verfallen zu lassen, werden wir wohl doch immer wieder mal auf eine nicht geplante Aktion ausweichen.
Welche Aktionskarten uns in weiteren Runden zur Verfügung stehen, können wir tatsächlich etwas steuern, durch einen "Deckbau"-ähnlichen Mechanismus. Wir verfügen zwar anfangs alle über den gleichen Kartensatz, mit der Aktion "Erinnerungen aufschreiben" können wir aber neue Aktionskarten aus der offenen Auslage erwerben und gleichzeitig eine andere Karte ganz aus unserem Deck entfernen. Die "Erinnerungskarten" aus den Epochenstapeln bieten uns im Aktionsbereich entweder verbesserte Aktionen oder sogar zwei Aktionen auf ein- und derselben Karte. Auch im Story-Bereich sind sie wesentlich besser, und bringen uns höhere Einnahmen und sogar Siegpunkte. Je nachdem, welche Karten wir neu aufnehmen und welche wir aussortieren, können wir unser Deck unseren individuellen Anforderungen und unserer Strategie anpassen.
Ein paar Worte noch zur Interaktion. Diese ist interessanterweise in jedem der drei Hauptbereiche anders. Während das Aufführen von Opera (das korrekte Plural von "Opus") eher solitär ist, da jeder für sich sammelt, sind die beiden anderen Bereiche deutlich interaktiver. Beim Reisen wird ja eine Mozart-Figur von allen Spielern bewegt, sodass wir uns dabei des öfteren in die Quere kommen. Durch die zufällige Verteilung der Stadt- und Königshof-Plättchen geschieht dies eher situativ-opportun. Beim Arbeiten am Requiem ist hingegen die Interaktion am höchsten, da wir hier stets versuchen, Notenmarker bei jenen Komponisten zu setzen, die damit die Mehrheit erzielen. Die Beschränktheit der einzelnen Instrumentenstimmen, sowie die teils attraktiven Belohnungen erfordern dabei besonders sorgfältige Planung und taktisches Agieren.
Die beiden Spieleautoren haben auch an einen Solo-Modus gedacht. Bei diesem tritt der Solist gegen Schikaneder an. Seine Aktionen werden durch Solisten-Karten gesteuert, wobei es drei Schwierigkeitsgrade gibt. Dies funktioniert zwar alles ganz gut, doch ich bevorzuge bei weitem Partien zu zweit und zu dritt. Etwas weniger hingegen Partien in Vollbesetzung, da die Spieldauer dann - ohne nennenswerten Mehrwert - leicht über zwei Stunden gehen kann.
Das Spielmaterial ist reichhaltig, fast schon opulent. Auch die Materialqualität weiß zu überzeugen. So verfügen etwa die double-layer-Tableaus oben und unten über praktische Einschübe für die Karten. Dazu gibt's noch jede Menge Karten, Plättchen und auch zahlreiche Holzteile. Die Grafik wird hingegen mancherorts kritisiert. Ich persönlich finde das Schachteldesign nicht allzu attraktiv, das Cover der Spielanleitung schlichtweg misslungen. Alles andere jedoch - speziell der Spielplan und die Karten - ist ausgesprochen schön illustriert und fängt mit seiner barocken Gestaltung den Geschmack jener Zeit sehr gut ein. Insgesamt ist Lacrimosa zwar kein Meisterwerk wie von Mozart, vielmehr ein solides Kennerspiel wie von Salieri.
Rezension Franky Bayer
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.