Rezension/Kritik - Online seit 02.03.2021. Dieser Artikel wurde 5531 mal aufgerufen.
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Paris - da oute ich mich hiermit gerne - ist die Stadt meiner Träume. Ah, wie gerne würde ich wieder in den Champs-Elysées flanieren, den Tour Eiffel besteigen, den Louvre besuchen. Arc de Triomphe, Montmartre, Cimetière Pierre Lachaise, Sacré-Coeur, Jardin des Plantes, Musée d'Orsay, Quartier Latin, Notre-Dame, Parc de Luxembourg, usw. - Ich habe jeden meiner bis jetzt 4 Aufenthalte in der französischen Hauptstadt genossen und kann es kaum erwarten, erneut dorthin zu reisen.
Zumindest spielerisch kann ich in der Zwischenzeit die Stadt der Lichter wieder erleben, und zwar im Zweipersonenspiel Paris, bei dem wir ins Jahr 1889 zurückversetzt werden und als Stadtbaumeister Gebäude errichten und mit dem Glanz der Lichter dank der neu erfundenen Macht der Elektrizität einhüllen.
Die Spielvorbereitung ist schnell erledigt. Mein Kontrahent und ich nehmen uns das Spielmaterial in unserer Farbe, also sieben Schornstein-Figuren, 4 Aktionsmarker und 8 Straßenplättchen. Letztere mische ich und nehme anschließend die obersten beiden Plättchen meines so gebildeten Stapels auf die Hand. Der Spielplan ist in die Schachtel integriert. Jetzt lege ich nur mehr 8 Aktionspostkarten um die Schachtel herum aus und platziere die Gebäudeplättchen in Reichweite daneben. Dann kann's schon losgehen!
Paris wird in zwei unterschiedlichen Phasen gespielt. In der ersten Phase führen wir unsere Planung durch. Bin ich an der Reihe, lege ich eines der beiden Straßenplättchen aus meiner Hand in beliebiger Ausrichtung auf ein leeres Feld des Spielplans und ziehe ein neues Plättchen nach. Jedes Straßenplättchen ist dabei in vier Abschnitte unterteilt, welche entweder meine Farbe, die Farbe meines Gegners, eine neutrale Farbe oder eine Straßenlaterne zeigen. Alternativ kann ich eines der Gebäudeplättchen aus dem Vorrat an mich nehmen und vor mir auslegen.
Sobald alle Straßenplättchen gelegt wurden, endet die Phase 1 sofort. In Phase 2 werden schließlich die Gebäude platziert. Ich nehme eines meiner Gebäudeplättchen und lege es so, dass es nur Straßenabschnitte in meiner oder der neutralen Farbe belegt. Mit einem Schornstein meiner Farbe markiere ich das Gebäude als mir gehörend. Auch in dieser Phase habe ich eine zweite Aktionsmöglichkeit. Ich kann eine der offen ausliegenden Postkarten aktivieren, indem ich einen meiner Aktionsmarker darauf lege. Damit erlange ich entweder einen Soforteffekt oder einen Vorteil in der Endwertung. Diese Phase endet, wenn alle 8 Aktionsmarker verwendet wurden und auch keiner von uns mehr Gebäude bauen kann.
In einer Endwertung erhalte ich nun Siegpunkte für meine Gebäude. Zum einen wird jedes meiner beleuchteten Gebäude mit Punkten belohnt, indem seine Größe (Anzahl an belegten Straßenabschnitten) mit der Anzahl der daran grenzenden Straßenlaternen multipliziert wird. Daraus folgt, dass ein Gebäude ohne Straßenlaterne auch gar keine Punkte bringt. Zum anderen zählt auch mein größter Gebäudekomplex (die größte zusammenhängende Gruppe von eigenen Gebäuden) 1 Siegpunkt je Straßenabschnitt, egal ob beleuchtet oder nicht. Für jedes unbebaute Gebäude, das ich bis zum Schluss noch vor mir liegen habe, verliere ich hingegen 3 Siegpunkte. Und schließlich können mir einige meiner gesammelten Aktionspostkarten zusätzliche Siegpunkte einbringen. Ich gewinne selbstverständlich, wenn ich schlussendlich auf die höchste Gesamtpunktezahl komme.
Paris - Die Stadt der Lichter präsentiert sich als klassisches Zweipersonenspiel. Klassisch darum, weil es eine symmetrische Ausgangssituation für beide Spieler bietet, für die Kontrahenten also dieselben Voraussetzungen gelten. Die Spieler müssen sich deswegen durch taktisch kluges Spiel durchsetzen, der Glücksfaktor ist dementsprechend gering.
In der ersten Phase versucht jeder, einerseits eine für ihn vorteilhafte Einteilung der Straßenabschnitte zu erzielen, also zusammenhängende Flächen, auf denen passende Gebäude Platz haben, andererseits aber für den Gegenspieler ungünstige, wenn möglich kleinere Parzellen zu bilden. Dies kann mitunter ganz schön knifflig sein, denn die neutralen Straßenabschnitte können ja später von beiden Parteien genutzt werden. Auch die Straßenlaternen müssen hierbei beachtet werden, sollen sie doch am Ende möglichst viele eigene und möglichst wenig fremde Gebäude beleuchten.
Ebenfalls sammelt man in dieser Phase Gebäudeplättchen. Je größer ein Plättchen, umso mehr Punkte lassen sich damit erzielen, allerdings sind diese auch umso schwerer unterzubringen. Idealerweise nimmt man solche Gebäude, für die man schon Straßenabschnitte in der notwendigen Konstellation gelegt hat. Hier kann es schon die ersten Berührungspunkte geben, sodass manchmal ein frühzeitiger und somit riskanter Zugriff gewählt wird. Jedenfalls werden bereits in dieser 1. Phase die Grundlagen für die 2. Phase gebildet.
In der zweiten Phase können die Gebäude schließlich errichtet und mit einem eigenen Schornstein versehen werden. Dabei müssen gleich mehrere Aspekte berücksichtigt werden: Es sollten möglichst alle Gebäudeplättchen verbaut werden, um am Ende keine Minuspunkte zu kassieren. Die Gebäude sollten an möglichst viele Straßenlaternen grenzen, um einen höheren Multiplikator zu erhalten. Und sie sollten - wegen der lukrativen Extrapunkte - einen möglichst großen Komplex bilden.
Auch in dieser zweiten Phase gibt es eine alternative Aktionsmöglichkeit. Durch das Platzieren eines Aktionsmarkers sichert man sich den Effekt der entsprechenden Aktionspostkarte. Nachdem es insgesamt 12 verschiedene gibt, von denen in jeder Partie bloß 8 zum Einsatz kommen, können die Effekte auch sehr unterschiedlicher Natur sein. Bei den meisten kommen gleichzeitig weitere Gebäudeplättchen (etwa der Botanische Garten), Straßenabschnitte (wie zusätzliche Straßenlaternen) oder sogar Spielfiguren (z. B. "Le peintre") ins Spiel, welche auf die eine oder andere Weise Extrapunkte versprechen. Je nach Spielsituation kann sich mal die eine, mal die andere Postkarte als lukrativer, begehrter herausstellen.
Und damit kommen wir schon zum wichtigsten Aspekt des Spiels: der Interaktion! Diese richtet sich bei Zweipersonenspielen naturgemäß gegen den Kontrahenten und ist bei Paris sehr hoch. Es nutzt nichts, lediglich auf seinen eigenen Vorteil zu schauen, wenn dadurch der Gegner unbehelligt seine Vorhaben durchsetzen kann. Man sollte stets auch die Optionen seines Mitspielers in Betracht ziehen. Im Idealfall führt man Aktionen durch, die einem selbst weiterhelfen, sowie den anderen bestmöglich behindern. Diese direkte Einflussnahme auf den Gegner, diese latente Gefahr, dass die eigenen Pläne vom Gegner vereitelt werden, muss man schon mögen. Nicht jeder findet Gefallen an so einer konfrontativen Spielweise.
Dazu kommt, dass es doch einen großen, meiner Meinung nach entscheidenden Startspielervorteil gibt. Der Startspieler kann früher Straßenabschnitte gruppieren und eher auf Gebäudeplättchen zugreifen. Auch in der 2. Phase kann er schneller Gebäude errichten und dabei sogar die Pläne des Mitspielers konterkarieren, sowie seine Aktionsmarker für vorteilhafte Postkarten vorher einsetzen.
Zwar könnte sich die Reihenfolge für die 2. Phase theoretisch umdrehen, dazu müsste der nachziehende Spieler jedoch früher passen, sich folglich mindestens 1 Gebäude weniger sichern. Ob sich dies lohnt, bezweifle ich stark, zumindest hat dies in unseren Partien selten jemand probiert. Am besten wäre es, zwei Partien (Hin- und Rückspiel) mit wechselndem Startspieler durchzuführen, die kurze Spieldauer von höchstens 30 Minuten pro Partie ließe dies ohne weiteres zu.
So zwiespältig die Meinungen zum doch recht destruktiven Spielgefühl auch sind, das Spielmaterial ist hier über jede Kritik erhaben. Stabile Plättchen, im Falle der Gebäudeplättchen sogar mehrlagig, eine praktische Schachtel, in der sofort losgespielt werden kann, Aktionspostkarten in richtiger Ansichtskartengröße mit alten Motiven, und vor allem alles in tollen impressionistischen Illustrationen, welche die Spieler atmosphärisch in die Zeit der "Belle Époque" zurückversetzen. Selbst das Deckblatt der Spielregel ist wie eine Zeitung aus der Jahrhundertwende ("Le Petit Parisien") gestaltet. Diese liebevollen Details heizen meine Sehnsucht nach Paris noch zusätzlich an ...
Rezension Franky Bayer
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.
H@LL9000 Wertung Paris: Die Stadt der Lichter / La Cité de la Lumière: 4,0, 3 Bewertung(en)
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
03.02.21 von Franky Bayer - Wunderschön gestaltetes, gut funktionierendes, aber spielerisch hochinteraktives, konfrontatives, fast schon destruktives Spiel. Für mich schon fast zu viel, daher bloß eine 4. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
12.10.20 von Andreas Odendahl |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
02.11.20 von Roland Winner - Farben der Gebäudeplättchen verwirren. |
Leserwertung Paris: Die Stadt der Lichter / La Cité de la Lumière: 3.7, 7 Bewertung(en)
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
07.10.20 von Marius - Ein Klasde dpiel für 2! Ich empfehle die ersten 2 Eunden einfach drauf los zu spielen damit man ein gefühl erhält und dann setzt sich ein richtig taktisches locker spaßiges spiel ein. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
16.10.20 von Peter Steinert - Bei uns in jeder der bisher drei Partien sauber gefloppt. Die vielen positiven bis überschwänglichen Bewertungen kann ich daher leider überhaupt nicht nachvollziehen! Die Mechanik bietet auf kleinem Raum und bei relativ wenig Zügen derart viele Parameter aus Straßenplättchen, Spielplan, Straßenabschnitten, Gebäuden, Sonderbauten, Postkarten, Aktionen und Spielphasen, dass sich die Partien letztlich ins Beliebige drehen. Dafür reicht es oft schon, in Phase 2 Startspieler zu werden, um die Pläne des Gegners mit nur einem einzigen Gebäude oder einer einzigen Postkarte zu pulverisieren. Der Ablauf ist pure "Aktion-Reaktion" mit ausgesprochen fiesen Momenten. Dieses Spiel wurde mit 3D-Plättchen, Legerahmen und Kartenmotiven vor allem deshalb (über)produziert, um "hübsch" zu sein. Funktional ist es auch nicht immer: Die neutralen Gebäudeplättchen tragen teilweise und zur allgemeinen Verwirrung die Spielefarben Blau und Orange, die Postkarten mit teils kruden Funktionen (die man ständig nachlesen muss) enthalten keine Erklärungstexte , Schachtel und Pappfiguren behindern gelegentlich die Sicht. Bei diesem Lizenztitel hat es sich Kosmos leider besonders leicht gemacht. Und auch, wenn es pingelig wirken mag, noch ein kleiner Hinweis ans Regellektorat: Rechtschreibung ist nicht nur in Büchern sexy! Was für ein ärgerliches Spielkonstrukt :-( |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
16.11.20 von Martin G. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
15.03.21 von Jens - Praktisch nach der 1. Phase, spätestens mit dem ersten Zug der 2. Phase entschieden. Auf den Postkarten sollten deren Regeln stehen, das würde die Spielbarkeit erheblich erhöhen. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
23.03.21 von Stefan H. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
17.04.21 von Frank-Philipp Wolfer - Klar kann der Gegner einem die Pläne durch einen cleveren Zug durchkreuzen. Für solche Situationen muss man bereits im Vorfeld weitere Optionen aufbauen. Das mag nicht jedem gefallen. Wir hatten Spaß. Warum nur 4 Punkte: es könnten mehr unterschiedliche und besser designte Bauteile sein (z.B. sofort die Punktzahl sieht). Die Regeln sind einfach, trotzdem mussten wir bei den Spezialaktionen immer wieder nachschauen. Mit ein wenig mehr graphischer Unterstützung könnten sicherlich alle Aktionskarten selbsterklärend sein. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
07.04.23 von Thomas Z. - Paris ist ein kniffliges Plättchenlege- und Puzzle-Spiel. Die erste Phase finde ich sehr unbefriedigend und überhaupt nicht belohnend, da nicht vorherzusehen ist, wer später die lila Straßenabschnitte belegen wird. In der zweiten Phase hat der Startspieler einen klaren Vorteil, insbesondere, wenn er gemein dem Gegner eine gute Möglichkeit verbaut. Das Material wird z.T. gelobt, ich finde es allenfalls ausreichend. Alles ist sehr dunkel und kleinteilig. Warum die neutralen Gebäudeplättchen in den beiden Spielerfarben sind, irritiert und erschließt sich mir nicht. Und dann nehmen 8 Postkarten mehr Platz als das Spiel in Anspruch und man muss trotzdem die Sonderaktionen der Postkarten in der Spielregel nachlesen. Fazit: Ganz gute Idee für gemeine Grübler, redaktionell aber schlecht umgesetzt. |