Spielziel
Schinderhannes wurde am 21. November 1803 durch das Fallbein hingerichtet. Zuvor hatte er in seinem kurzen Leben ständig versucht, sich zu bereichern, sprich an Geld zu kommen – egal, auf welche Art und Weise. Im vorliegenden Spiel versuchen die Beteiligten, die verschiedenen Gräueltaten an den richtigen Tatorten unterzubringen. Ein nicht immer einfaches Unterfangen, Diebstahl, Einbruch und Mord den schönen Orten des Soonwaldes zuzuordnen.
Ablauf
Der Soonwald ist in vier Regionen unterteilt, deutlich sichtbar durch die Flüsse, die unsere Vorlage durchziehen. Immer zwei Gebiete bilden die Bereiche Norden, Westen, Süden und Osten. Neben dem Spielplan finden 6 Kartenstapeln Platz – vier Stapel mit nach Farben sortierten Karten und zwei Stapel mit den Ortschaftskarten. Die 16 Tatscheiben werden mit je 5 Hinweismarkern versehen, jeder Spieler erhält eine Sonderkarte und zieht sich nach und nach 4 Karten von den neben dem Spielplan befindlichen Kartenstapeln.
Startspieler wird derjenige, der Schinderhannes am ähnlichsten sieht – ja, woher weiß ich denn, wie der Typ ausgesehen hat? -, also knobeln wir eben – wie immer – denjenigen aus, der als Erster eine Karte ausspielen darf. 4 verschiedene Kartentypen gibt es:
Deliktkarten: Ein Verbrechen ist auf der Karte zu finden sowie vier Orte, in denen der Schinderhannes genauso wie angegeben „tätig“ war.
Gruppenkarten: Auf ihnen finden wir eine Gruppe von Delikten, aus der sich der Spieler eines aussucht.
Bezirkskarten: Sie geben Aufschluss darüber, ob zwei Verbrechen in benachbarten Ortschaften stattgefunden haben.
Ortschaftskarten: Diese sagen uns, welche Delikte in einer Ortschaft ausgeführt wurden. Die Karten sind manchmal sinnvoll, manchmal Unfug, je nach Dauer und Verlauf des Spiels.
Nach Ausspielen einer Karte kann ich
- Hinweismarker einsetzen: Dazu nehme ich alle 5 Hinweismarker von der zugehörigen Tatscheibe und verteile diese auf die Ortschaften. Jeder Marker, den ich nicht setzen kann, bringt mir einen Siegpunkt.
- Hinweismarker entfernen: Begrenze ich die Tat z. B. auf ein bestimmtes Gebiet, fallen manche Marker weg (= Siegpunkte für mich). Bleibt nur mehr ein Marker der Tat auf dem Spielplan liegen, dann darf ich eine
- Tatscheibe legen: dies bedeutet, dass ein Verbrechen aufgeklärt ist.
Also immer eine Karte ausspielen und deren Aktion ausführen (Muss), dann eine (unwichtige) Karte ablegen (Darf) und dann eben eine oder zwei Karte(n) nachziehen. Will oder kann ein Spieler keine seiner Karten verwenden, darf er beliebig viele abwerfen und genauso viele nachziehen - plus einer Extra-Karte.
Sind alle Verbrechen auf diese Art und Weise aufgeklärt oder die Nachziehstapel aufgebraucht und alle verwertbaren Karten ausgespielt, endet das Spiel. Als Gewinner strahlt derjenige aus allen Poren seines Gesichts, der auf der Punkteleiste am weitesten vorne steht.
Fazit
„Historische“ Spiele strahlen häufig das Gefühl aus, dass mit einem gewissen Ernst an die Sache ranzugehen ist. Meistens – und auch hier – werden einige Seiten der Spielanleitung dafür verwendet, die geschichtlichen Hintergründe des Spiels aufzuzeigen. „Spielerisch“ mit verschiedenen Verbrechen umzugehen, fällt mir persönlich nicht immer leicht, die Verbindung von Spiel und Geschichte ist hier jedoch gut gelungen.
Bewohner aus Mitteldeutschland mögen mir verzeihen, dass ich den Namen „Soonwald“ bis jetzt noch nie gehört habe. Der Blick in den Atlas half mir, wenigstens einigermaßen die Region zu finden, wo der Schinderhannes vor gut 200 Jahren sein Unwesen getrieben hat. Das Internet half mir dann, meine geographische Rest-Wissenslücke zu schließen und ein Fleckchen Erde zu entdecken, das sich interessant und einladend anhört.
Das Spielmaterial ist überschaubar und beschränkt sich auf einige wenige Utensilien: Spielplan aus dünnem Karton, 4 verschiedenfarbige Männchen für die Siegpunkte, stabile Spielkarten und 16 bzw. 80 Tatscheiben und Hinweismarker aus Pappe.
Die Spielregel liest sich wirklich gut, viele bebilderte Spielszenen und Beispiele machen den Einstieg ins Spiel problemlos. Auch Sonderfälle werden ausreichend beschrieben.
Die Spielkarten geben auf der Rückseite bereits einen Hinweis auf die Verbrechen, die sie beinhalten. Damit kann man bereits beim Nachziehen manche Karte gezielt wählen … Sinnvoll ist es daher, die verschiedenen Kartenarten vor Spielbeginn einfach einmal durchzusehen, damit schon beim ersten Ziehen der Karten für jeden verständlich ist, welche Karte in welcher Form funktioniert.
Der Glücksfaktor entscheidet nur bedingt beim ersten Ziehen der Spielkarten, habe ich doch theoretisch 6 Stapel zur Auswahl. Und sollte das erste Karteziehen nicht zufriedenstellend ausgefallen sein, hat mancher Spieler bereits beim ersten Zug die Möglichkeit genutzt, einige Karten auszutauschen. Das ist anfangs noch leichter zu verschmerzen als im Laufe des Spiels, wenn jeder Zug über Sieg oder Niederlage entscheiden kann.
Ein Problem von Schinderhannes sehe ich darin, dass sich mancher Spieler leider als Vorlagengeber für die nachfolgenden Tischnachbarn betätigt. Dies passiert manchmal dadurch, weil er nicht aufpasst, welche Karten sein Nachbar auf der Hand hat, oder auch einfach aus dem Grund, dass er wenig Auswahl in seiner Kartenhand hat.
Am interessantesten finde ich das Spiel in Vollbesetzung, wenn 4 Spieler versuchen, die Delikte zuzuordnen und sich auch darum bemühen, möglichst rechtzeitig viele Punkte einzusammeln, bevor ein anderer dies macht. Denn es heißt schon, genau aufzupassen, dass man einen möglichen hohen Punktgewinn nicht den folgenden Spielern überlässt.
Das Reizvolle an Schinderhannes liegt nicht an einem tiefgehenden und strategischen Spielmechanismus, sondern an der Atmosphäre, die durch Thema und Spielablauf erzeugt wird. Deshalb wird sich dieses Spiel auch nicht bei Strategen großer Beliebtheit erfreuen, sondern bei Menschen, die gerne auf spielerische Weise die Geschichte des (mit richtigem Namen) Johannes Bückler nachvollziehen und nachempfinden wollen.
Rezension Alfons Leierseder