Rezension/Kritik - Online seit 07.02.2025. Dieser Artikel wurde 2650 mal aufgerufen.
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Sie können von Zug um Zug nicht genug bekommen? Dann kennen sie es vielleicht schon – Zug um Zug - Legenden des Westens. Der bisher grösste und schwerste Ableger der Zug um Zug-Reihe lässt uns als Eisenbahnpioniere eine mehrheitlich fiktive Eisenbahngeschichte der USA nach- und mitspielen. Diese Geschichte erleben wir im Laufe von 12 Partien auf einem sich nach und nach erweiternden Spielplan. Bereit also für das grosse Abenteuer? Dann suche man sich eine zuverlässige Spielrunde, einen grossen Tisch und einige Abende Zeit, zum Erkunden der USA. Für den nächsten Geografietest sind wir dann auf jeden Fall bestens vorbereitet - spielen bildet eben doch.
Geschichtsfrage: Wichtiges Ereignis aus dem Jahr 1865 – kennen Sie? Lösung: In den USA endet der Sezessionskrieg, Abraham Lincoln tritt seine zweite Amtszeit an und wird wenige Monate später ermordet. Für die USA ist das Kriegsende der Beginn ihres Aufstieges zur Weltmacht, und daran nicht unbeteiligt waren natürlich auch die Eisenbahnen. Und wohl nicht zufällig startet daher unsere erste Partie Zug um Zug – Legenden des Westens im Jahr 1865. Los geht’s.
Um das Spiel verständlich zu beschreiben, muss man zunächst mal erläutern, was ein Legacy-Spiel ist. Das kennen Sie schon? Dann den folgenden Absatz einfach überspringen.
Kennen Sie noch nicht? Dann erwartet sie hier ein sehr spannendes Spielkonzept:
Ein Legacyspiel ist ein Spiel, das sich beim Spielen verändert. Spielregeln und Spielmaterial bleiben nicht wie sonst üblich immer gleich, sondern von Partie zu Partie kommen Spielelemente und Regeln hinzu, oder auch mal wieder weg. Dazu gibt es Veränderungen die z.B. mit Stickern auf den Spielplan geklebt werden, womit sie dann für die weiteren Runden gültig sind. Über eine feste Anzahl von Partien entwickelt sich das Spiel so immer weiter und erzählt dabei eine fortlaufende Geschichte, ähnlich einem Buch, bei dem wir den Verlauf der Geschichte (im gewissen Rahmen) selber mitbestimmen können. Am Ende haben wir dann unser ganz persönliches Spielexemplar, das uns noch lange an unser Spiele erinnert.
Wir beginnen das Spiel zunächst auf einem recht kleinen Spielplan von Nordamerika und spielen mit nur 20 Wagons. Entsprechend kurz sind die ersten Partien. Diese kurze Spieldauer hilft, um ein paar der neuen Spielregeln einzuführen, die man so erst mal „kurz“ ausprobieren kann, bevor dann in den folgenden Partien die Spieldauer auf 2 Stunden und mehr ansteigt. Über zwölf Runden spielen wir auf dem stetig wachsenden Spielplan, bis wir 1898 mit 56 Wagons auf einer riesigen XXL-Karte unterwegs sind.
Wesentlichste Veränderung gegenüber dem „normalen“ Zug um Zug ist, dass nicht mehr um Punkte, sondern um Geld gespielt wird. Zielkarten, wie man sie aus Zug um Zug kennt, gibt es zwar weiterhin, statt Punkten bringen sie jetzt aber Geld. Weitere Einnahmen gibt es je nach Szenario vor allem auch für spezielle „Themenaufgaben“, also Elemente im Spiel, die zum aktuellen Teil der Geschichte gehören. Am Ende einer jeden Partie wird das verdiente Geld zusammengezählt und auf einem „Bankbeleg“ notiert, der dann in den spielerfarbenen Tresor wandert. Denn neben dem einzelnen Spielsieg pro Partie geht es auch um den Gesamtsieg am Ende der 12 Runden. Wer ist dann der oder die erfolgreichste EisenbahnbaronIn geworden?
Weitere Regelvarianten werden im Verlauf der Spiele eingeführt, entwickeln und verändern sich, verschwinden häufig aber auch wieder. Passend zum Thema kommen z.B. Eisenbahnüberfälle ins Spiel. Die Diebe werden im Laufe einiger Partien aber aufgespürt und verhaftet, womit sich diese Regel sozusagen selber wieder aufhebt.
Dafür kommen z.B. Eisenbahnaktien ins Spiel, was man ähnlich auch von der Zug um Zug United Kingdom & Pennsylvania schon kennt.
Dadurch ergibt sich eine abwechslungsreiche Spielvarianz, ohne dass es durch zu viele „Spezialregeln“ zu kompliziert wird. Denn das eigentliche Spielgefühl von Zug um Zug bleibt im Wesentlichen erhalten, wird nur immer wieder leicht variiert. Die grösste Schwierigkeit ist vermutlich, dass man zwischendurch mal die ein oder andere gerade aktuelle Sonderregel vergisst und nicht beachtet. Für das Spiel macht das aber nichts, es funktioniert trotzdem.
Was macht die Legenden des Westens jetzt also zu einem besonderen Spiel, und wozu der grosse Spielkarton?
Entscheidend ist natürlich der Legacyfaktor, dem auch der grosse Spielkarton geschuldet ist. 13 Spielplanteile sowie 8 kleine Schachteln mit den Zusatzelementen füllen den grossen Karton halbwegs gut aus (na gut, das Inlay hilft auch ordentlich mit, den Karton zu füllen).
Runde für Runde wächst der Spielplan um ein neues Spielplanteil und auch immer um ein neues Spielelement. Zug um Zug erzählt dabei eine abwechslungsreiche Geschichte, die sich passabel entwickelt. Als Buch würde ich die Geschichte nicht lesen wollen, viele Elemente sind schon etwas Eisenbahn-USA-Wildwest-Klischee belastet. Aber als Spiel find ich das OK, ich will ja kein Geschichtsbuch spielen, sondern möglichst spannend unterhalten werden. Diesen Anspruch erfüllt das Spiel zweifellos.
Und bevor ich zu meinen kritischen Anmerkungen komme, muss ich festhalten: Was sich die Autoren alles an Varianten ausgedacht haben, ist schon beeindruckend. Ein paar Elemente sind vielleicht noch naheliegend, andere kennt man so oder ähnlich schon aus einer der verschiedenen Zug um Zug Versionen. Doch immer wieder gibt es auch neue Ideen und Varianten, die sich gut ins Spiel integrieren und uns mehrheitlich gut gefallen haben.
Ganz so variabel, wie man zunächst den Eindruck hat, ist das Spiel aber dann auch doch nicht. Mit jedem Landkartenteil kommt ein neues Storyelement ins Spiel, aber diese Elemente sind mehrheitlich „stand alone“. Soll heissen, die Geschichte ist kaum fortlaufend, es gibt nur sehr wenig Elemente, die wirklich ineinandergreifen. Ich empfinde das Spiel eher als 12 Kurzgeschichten, die sich mehr oder weniger zufällig überlagern, weniger als einen Roman mit einer zusammenhängenden Geschichte.
Auf Dauer macht sich damit bei mir doch eine gewisse Ermüdung breit. Mich interessiert immer weniger, welche Spielvariation sich die Autoren noch ausgedacht haben mögen, am Ende spiele ich doch immer nur das gleiche Spiel in leicht variierter Form. Das liegt auch daran, dass die Geschichte im Spiel selber kaum präsent ist, und man daher nicht wirklich mitfiebert, wie es denn nun wohl weiter geht. Das Gefühl, selber wirklich Einfluss auf die Geschichte zu haben, ist recht beschränkt.
Einige positive Ausnahmen gibt es natürlich auch, z.B. die Bahnmitarbeiter, von denen man sich für jede Partie eine Karte aussuchen darf, die dann eine spezielle Sonderregel oder Bonus für diese Runde bringt.
Ausserdem der Bau von Bahnstationen auf dem Spielfeld, die mit Aufklebern auf den Städten markiert werden. Wenn die Mitspieler ihr Schienennetz an diese Stationen anschliessen, müssen sie jedes Mal ein Geld bezahlen. Wie relevant diese Einnahmen am Ende dann wirklich sind, kann man in Frage stellen. Aber es freut einen im Spiel doch, wenn die lieben Mitspieler einem immer wieder Geld zahlen müssen. Und an den wichtigen Knotenpunkten kann das schon entscheidend sein, und das natürlich von Runde zu Runde, immer wieder.
Was man sicher auch noch erwähnen muss, ist die Spielerzahl bzw. Zusammensetzung. Natürlich kann hier auch mal eine SpielerIn mehr oder weniger mitspielen. Aber da es ja auch um den Sieg über alle 12 Runden geht, empfiehlt es sich eben doch, möglichst immer in der gleichen Runde zu spielen. Dann ist auch der Aufwand für das Regelerklären am geringsten, was sonst durch die Sonderregeln schon etwas mühsam werden kann. Für häufig wechselnde Gruppen oder mit zu langen Pausen empfiehlt sich das Spiel eindeutig nicht. Wie schon bei Zug um Zug empfinde ich eine Spielerzahl von 4 als optimal, 5 geht auch noch. Drei oder weniger finde ich eher zu wenig – vor allem je grösser der Spielplan wird.
Auch noch zu erwähnen, und ganz klar ein Plus, ist die Ausstattung des Spiels. Hier hat man sich sowohl grafisch als auch beim Material sichtlich Mühe gegeben, ein stimmungsvolles und hochwertiges Spiel zu produzieren. Und kleine Details wie z.B. die Kleberrrolle beim Zirkus zeigen, dass da Leute wirklich „bis zu Ende“ gedacht haben. Das gefällt mir.
Zusammengefasst ist Zug um Zug Legenden des Westens für mich ein ordentliches, aber nicht herausragendes Legacy Spiel. Bei der Geschichte ist man eher auf Nummer Sicher gegangen und hat nicht den ganz grossen Wurf versucht. Das ist OK, aber eben auch nicht so, dass man noch lange davon erzählt (wie von einem guten Buch). Das hätte für mich gerne etwas mehr sein dürfen. Eindrucksvoll ist, wie viele Regelvariationen die Autoren zusammen komponiert haben, das macht zumindest für einige Partien Spass zu erkunden. Insgesamt hatte ich (und die Mehrheit meiner MitspielerInnen) viel Spass, nach ca. acht – neun Partien aber eigentlich genug davon. Ab dann war es etwas schwierig, dass Spiel noch mal auf den Tisch zu bringen, weswegen diese Rezension jetzt auch erst verhältnismässig spät erscheint. Insgesamt waren wir gut ein Jahr an diesem Spiel.
Begeisterten Zug um Zug SpielerInnen kann man die Legenden des Westens sicher empfehlen, soweit sie eine halbwegs gleichbleibende Spielrunde vorweisen können. Letztlich ist und bleibt es Zug um Zug mit vielen, zum grössten Teil gelungenen Variationen. Also viel Abwechslung in einem schönen Spiel.
Gelegentliche Zug um Zug SpierInnen oder Gruppen mit wechselnden MitspielerInnen sind nach meiner Einschätzung mit ein zwei Spielen aus der Map Collection besser bedient. Und wer bisher schon nichts mit Zug um Zug anfangen konnte, wird auch bei dieser Variante alle seine Vorurteile bestätigt finden.
Rezension Michael Timpe
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.
H@LL9000 Wertung Zug um Zug Legacy: Legenden des Westens:
5,7, 3 Bewertung(en)
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
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08.12.24 von Michael Timpe - Als bekennender Zug um Zug Fan gefallen mir diese Legenden, auch wenn es auf Dauer ein paar Längen hat. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
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23.01.25 von Michael Kahrmann - Wirklich stark. Ich bin jedes Mal wieder überrascht was man aus der Zug um Zug Idee noch rausholen kann. Mir hat Legenden des Westens wirklich sehr gut gefallen. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
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27.01.25 von Katrin Husmann - Das Spiel hält tolle Überraschungen bereit! Leider gab es in unserer Runde ein kleine Ungereimtheiten, die dem Spielreiz aber keinen Abbruch gegeben haben. |
Leserwertung Zug um Zug Legacy: Legenden des Westens:
6.0, 3 Bewertung(en)
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
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01.05.24 von Der Fisch - Kein Spoiler! Das Fazit zuerst: Wer das Legacy-Prinzip mag, wird mit diesem Spiel echte Freude haben. Dabei steht der Aspekt nicht permanent im Vordergrund, wurde aber an den zentralen Stellen des Spiels so eingesetzt, dass er die einzelnen Mechaniken verbessert und sogar thematisch toll unterstützt. Darüber hinaus sollte sich jeder das Spiel ansehen, der Zug um Zug selbst immer super fand, aber gerne auch Abwechslung begrüßen würde. Die Aufmachung ist stimmig, die Ausstattung hervorragend und alles schön thematisch. Eine eher hintergründige Story sowie ein durchdachtes Legacykonzept runden diese Perle absolut ab. Auch zu zweit lässt sich das Spiel gut spielen. Unter dem Strich verdient es für mich die Bestwertung. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
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16.02.25 von Jörn - Wir sind noch lange nicht durch, aber es Zug um Zug Legacy macht alles richtig. Gleiches tolles Spielgefühl wie Zug um Zug und doch genügend neue spannende Ansätze. Ich hoffe wir spielen es bis zum Ende. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
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03.04.25 von Maja - Ein Wort: Klasse! |