Rezension/Kritik - Online seit 29.11.2007. Dieser Artikel wurde 14048 mal aufgerufen.
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Das Spiel zum Buch Der Goldene Kompass erzählt die Geschichte der zwölfjährigen Lyra, die sich auf die Suche nach auf mysteriöse Weise verschwundenen Kindern und nach ihrem Vater macht. Jeder Spieler übernimmt für sich die Rolle der Lyra und versucht, nach der erfolgreichen Suche als Erstes das Tor zu einer anderen Welt im hohen Norden zu erreichen. Um es als Erster durchschreiten zu können, sind auf dem Weg viele Erfahrungen zu machen und Abenteuer zu bestehen.
Die abenteuerliche Suche der "zwei bis vier Lyras" beginnt in der Universität zu Oxford. Von hier aus führt auf dem Spielplan ein Weg ohne Abzweigungen über London und einige weitere Orte bis zum Zielfeld, das das Tor zu einer anderen Welt darstellt. Die Spieler brauchen sich in ihren Zügen also keine Gedanken über die Richtung ihrer Bewegung zu machen, sondern nur über die Entfernung. Auf den meisten Feldern sammeln die Spieler Erfahrungen in vier verschiedenen Kategorien, die sie auf dem "Goldenen Kompass" festhalten.
Der Spielablauf wird über verschiedene Arten von Karten gesteuert:
Zur Bewegung stehen den Spielern die Lyra- und die Pan-Karten zur Verfügung. Die ersteren gibt es in den vier Spielerfarben und sie geben über die Nummern 1, 2 oder 3 die damit erzielbare Schrittweite an. Die Pan-Karten sind seltener: Sie sind farbneutral und zeigen meist die Schrittweite 1. Zusätzlich bieten sie noch eine nützliche Funktion, die alternativ zur Bewegungsfunktion verwendet werden kann.
Zu Beginn erhält jeder Spieler eine Begegnungskarte. Auf dieser steht, welche drei von den vier möglichen Erfahrungkategorien gesammelt werden müssen, um die Begegnung überstehen zu können. Ist diese Aufgabe erfüllt, erhält der Spieler eine weitere Begegnungskarte zugeteilt. Insgesamt muss jeder im Laufe des Spiels drei dieser Karten sammeln.
Für jede erfüllte Begegnung erhalten die Spieler je eine Freundeskarte, welche sie durch diverse nützliche Funktionen wie z. B. zusätzliche Lyra-Karten oder Erfahrungen beim weiteren Fortkommen unterstützen.
Das Spiel verläuft über mehrere Runden, die jeweils in der folgenden Art und Weise ablaufen:
Das Spiel endet in der Runde, in der mindestens ein Spieler sowohl das Zielfeld als auch die Spielendebedingung erreicht hat. Diese Bedingung verlangt, dass ein Spieler drei Begegnungen erfüllt und in allen Erfahrungsarten ein bestimmtes Level erreicht hat. Wenn mehr als ein Spieler in der letzten Runde diese Bedingungen erfüllen kann, entscheidet die Zahl der gesammelten Erfahrungen über den Sieg.
Der Goldene Kompass setzt die Kosmos-Reihe der "Buchverspielungen" fort (z. B. Die Säulen der Erde, Das kleine Gespenst, Der kleine Prinz). Folgerichtig und aus Gründen der Wiedererkennung wurde das Cover des Taschenbuches als Titelbild verwendet. Allerdings passt dessen Grafik nicht zum Rest des Spieles, die Michael Menzel in seinem wie gewohnt detailreichen und stimmungsvollen Stil erstellt hat. Beim Beschreiben des Materials und dessen Gestaltung gerate ich ins Schwärmen ...
Besonders der Spielplan hat es mir angetan. Alle wichtigen Schauplätze des Buches sind zu finden, und nicht nur das: Sieht man sich die Details genauer an, kann man Illustrationen zu vielen der Abenteuer finden. Z. B. findet man den Kampf zwischen den beiden Panzerbären, die besenreitenden und den Ballon ziehenden Hexen, den Überfall auf die Schlitten ... Zudem haben alle Menschen immer ihren Dæmon dabei und vieles mehr.
Auch den anderen Spielelementen wurde eine - mehr oder weniger passende - Funktion aus dem Buch zugeordnet. Die zu bestehenden "Begegnungen" entsprechen den Gefahren, die Lyra zu überwinden hat und die Belohnung für die überstandenen Begegnungen sind die Freundeskarten, die ihren Freunden im Buch entsprechen. Der Goldene Kompass selbst, also das wundersame Althiometer aus dem Buch, ist hier allerdings etwas heruntergekommen zu einer bloßen Anzeige der Erfahrungspunkte.
Auch die Spielregel ist vorbildlich gelungen: Beginnend mit einem Absatz, der einen Kurzüberblick über den Inhalt des Buches gibt, wird auf der ersten Seite das Spielmaterial erläutert. Auf den folgenden drei Seiten wird der Spielablauf übersichtlich, verständlich und mit vielen Abbildungen versehen dargestellt; es bleiben keine Fragen offen.
In das Spielmaterial ist die Handlung des Buches also sehr schön eingebunden - aber merkt man das auch noch beim Spielen? Dazu muss ich sagen, dass ich die ersten Spiele gespielt habe, bevor ich das Buch gelesen habe. Und da kommt das Flair der Story überhaupt nicht zur Geltung. Sicher, den Spielplan fand ich da auch schon schön, aber das Spiel fühlte sich trotzdem sehr abstrakt an. Ein Laufspiel, wo der Schnellste gewinnt, wenn er denn vorher ein paar bestimmte Dinge eingesammelt hat. Hm, nicht gerade das Ei des Kolumbus ... Nach der Lektüre des Buches kommt da schon mehr Spielfreude auf, da man die vorher ziemlich nichtssagenden Kartentexte jetzt thematisch einordnen kann und die logischen Verknüpfungen der Spielelemente mehr einleuchten.
Nichtsdestotrotz kann das Spiel meine Erwartungen an den Spielspaß nicht erfüllen. Dabei gefällt mir der Mechanismus, dass man ab einem bestimmten Punkt der Laufstrecke nur noch die Farben der vor einem liegenden Spieler benutzen darf, noch sehr gut. Es gibt aber andere Mängel, die verhindern, dass diese Idee besser zur Geltung kommt.
So gewann in fast allen Spielen derjenige, der am Anfang die meisten Lyra-Karten mit dem Wert "1" zog. Denn er kann zum einen auf dem gleichen Stück Weg mehr Erfahrungen sammeln und trotzdem mehr Handkarten nachziehen. Und wer dann mal hinten steht und mehr Karten nachzieht, bekommt aller Wahrscheinlichkeit nach noch mehr Einsen. Zieht er dann mal ein paar hohe Karten nach, macht das auch nichts: Er spielt nur eine Karte, bleibt weiterhin hinten und wirft die hohen Karten vor der nächsten Nachziehphase wieder ab. Dann wartet er nur noch die Runde ab, in der er durch Ausspielen seiner Karten als Erster seine erste Begegnung erfüllen kann (dafür rennt er dann auch mal ein Stück vor den anderen weg) und nimmt sich Lee Scoresby als Freund. Ab da hat er in jedem Zug eine zusätzliche Eins zur Verfügung, die nicht auf das Handkartenlimit angerechnet wird. Mit der lässt er sich wieder zurückfallen, bis er die gewünschten Karten auf der Hand hat usw.
Wer so spielen kann, sammelt auf seinem Weg jedenfalls viele Erfahrungen, die beim häufig vorkommenden Tiebreak im Ziel wichtig sind. Außerdem kann man sich beim Schlussspurt über die Eisfelder ganz auf die Zielerreichung konzentrieren, während die anderen noch ihre letzten Erfahrungen sammeln müssen. Meist kommen zwar mehr als ein Spieler in derselben Runde ins Ziel, aber die meisten Erfahrungen haben dann so gut wie immer die, die die oben beschriebene Strategie verfolgen konnten. Es gibt auch keine Alternativen dazu: Wer versucht, aufgrund seiner hohen Karten die Flucht nach vorne anzutreten, bekommt weniger Karten nach als die anderen, sammelt dadurch weniger Erfahrungen und darf sich dann auch meistens seine Freunde später aussuchen.
Zu den Freunden ist dabei zu sagen, dass der erwähnte "Lee Scoresby" die mit Abstand wertvollste Karte ist. Die anderen sind dann in etwa gleichwertig - die einen nutzen eher früher im Spiel etwas ("Farder Coram" - Kompassfelder bringen doppelten Ertrag), die anderen eher später ("Iorek Byrnison" - ein Eisfeld pro Runde wird ignoriert). Mich juckt es in den Fingern, "Lee" in seinen Fähigkeiten etwas einzuschränken. Z. B. dürfte die Funktion nur benutzt werden, wenn man in Führung liegt. Oder nur bis Svalbard, damit man wenigstens auf den Eisfeldern den Vorteil nicht mehr nutzen kann. Oder die Karte wird auf das Handkartenlimit angerechnet. Passt dann zwar alles thematisch nicht mehr so gut, aber ob das jemand merkt ...?
Die einzige Überraschung erlebt man bisweilen, wenn der Startspieler der letzten Runde durch Ausspielen aller Karten alle anderen überholt und im Ziel landet. Dadurch können alle anderen nicht mehr die Karten der eigenen Farbe spielen und kommen so oft nicht mehr ins Ziel, obwohl sie vielleicht mehr Erfahrungen gesammelt haben. Dieses passiert einem aber auch meist nur in den ersten Spielen. Wie man als der Spieler, der nach gesammelten Erfahrungen in Führung liegt, solch böse Überraschungen häufig vermeiden kann, bekommt man nach einigen Spielen auch heraus.
Zu zweit läuft das Spiel ähnlich: Hier entfällt zwar der Nachteil, dass sich nicht jeder "Lee Scoresby" als Freund wählen kann, da jeder Freund zwei Mal im Spiel ist. Trotzdem gilt auch hier, dass derjenige mit den kleineren Kartenwerten klar im Vorteil ist. Aber man hat wenigstens zusätzlich die Möglichkeit, aus den Farben der gegnerischen Handkarten Schlüsse zu ziehen, wie weit der nächste Zug gehen könnte. Das ist bei vier Spielern kaum möglich.
Mich stört, dass es trotz der verschiedenen Freunde, die man auswählen kann, kaum unterschiedliche Möglichkeiten gibt, auf das Spiel Einfluss zu nehmen. Aber ich gehöre wohl auch nicht unbedingt zur primären Zielgruppe dieses Spiels ... Um es mal wieder in Schubladen zu verpacken: Ausgeprägte Taktiker und Strategen werden kaum oder nicht lange Freude an dem Spiel haben. Wer aber nicht so viel grübeln mag und/oder wen es vielleicht auch nicht ganz so oft an den Spieltisch zieht (z. B. die vermutlich meist jugendlichen Leser des Buches), der kann durchaus viel Freude an dem Spiel haben. Es ist recht einfach zu verstehen, sieht toll aus, ist bei etwa gleich verteiltem Kartenglück spannend und macht dann durchaus Spaß - besonders wenn man das Buch kennt!
Apropos: Das Buch hat mir so gut gefallen, dass ich jetzt auch die weiteren Teile der Trilogie lesen werde. Das Cross Merchandising hat also mindestens ein Opfer gefunden - wenn auch vielleicht in der anderen Richtung als von Kosmos erhofft ...
Rezension Ralph Bruhn
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.
H@LL9000 Wertung Der Goldene Kompass: 3,3, 7 Bewertung(en)
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22.10.07 von Ralph Bruhn - Schade, dass die vorhandenen taktischen Möglichkeiten durch den Glücksanteil beim Nachziehen der Karten nicht ausreichend zur Geltung kommen. |
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13.09.07 von Udo Kalker - Optisch einwandfrei entpuppt sich "Der goldene Kompass" eher als eine Art aufgemotztes Rennspiel auf einer Strecke mit einer Spur. Deutliche Vorteile hat der Spieler, der früh die 1er Karten zieht. Meist zieht die ganze Gruppe dicht beieinander über den Plan. Zwar spielt jeder auf die Erfahrungsplätze, die seiner eigenen Missionskarte entsprechen, insgesamt zieht jeder dann aber doch entsprechend der eigenen glücklich nachgezogenen Handkarten. Die Wartezeiten in denen man seinen Zug meist nicht vorausplanen kann, erschienen uns oftmals als zu lang. Bei mir blieb eher ein fahler Nachgeschmack. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
29.11.07 von Frank Gartner |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
03.01.08 von Carsten Pinnow - Als Familienspiel gut geeignet. Sobald aber alle begriffen haben dass man langsam laufen muss, verliert es seinen Reiz schnell... |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
26.03.08 von Michael Andersch |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
31.08.08 von Rene Puttin |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
05.03.10 von Horst Sawroch |
Leserwertung Der Goldene Kompass: 3.6, 7 Bewertung(en)
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30.11.07 von Marco Stutzke |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
30.11.07 von Detlef Vanis - Wie schon die Besprechung sagt: Eher für Gelegenheitsspieler und Familien. |
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30.11.07 von gruenerpoeppel - Besonders die Buchleser werden es begruessen jetzt nicht nur in Gedanken durch diese Welt wandeln zu koennen. Ein einfaches, schnell zu spielendes, bildschoenes Familienspiel ohne grosse taktischen Ansprüche. |
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10.12.07 von Martin Kosub - Die Graphik ist toll, die Regel ist gut geschrieben. Aber das Spiel selber ist nicht so toll. Einmal gespielt ist es im Eck gelandet. |
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02.02.08 von Wuppermauli - Ein Kinder- oder Familienspiel---nichts für nen echten Spiele-Abend! |
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11.03.08 von freak - Sehr schönes Familienspiel mit einem wunderbar gestalteten Spielbrett und nettem Rennmechanismus |
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26.05.08 von Andreas D. Becker - Ein Rennspiel der besseren Sorte, durch den originellen Zugmechanismus hinkt eigentlich auch niemand wirklich hinterher. Für Familien eine nette Zwischendurchbeschäftigung. |