Spielziel
Goldrausch im „Verlorenen Tal“! Dort, wo sich Braunbär und Fischotter noch gute Nacht sagen, schwitzen und schuften Goldgräber auf der Suche nach dem edlen Metall das unbekannte Tal hinauf, den keuchenden Atem der Konkurrenten stets im Nacken. Einige Nuggets trägt der Fluss herunter, andere warten im Gestein der Bergwände. Mühevoll sind Weg und Arbeit, die Ausrüstung lastet schwer auf dem Rücken. Hätte man doch nur ein Pferd dabei…
Ablauf
Ein einsamer Handelsposten am Flussdelta ist der Ausgangspunkt unserer 3-4 Goldgräber. Auf den je sechs Feldern, die die Inventartafel jedem Spieler als Vorratsbereich für Rohstoffe und Ausrüstung zugesteht, findet sich zu Beginn etwas Werkzeug, etwas Nahrung und eine Handvoll Holz. Außerdem sollen zwei Flaschen Whisky müden Wanderern wieder Beine machen.
Ein Spielzug unterteilt sich in der Folge in Bewegung (+Erkundung) und Handlung des Goldsuchers.
Zuerst wird 1-2 Rautenkanten – am Fluss entlang geht es schneller – talaufwärts marschiert. Erreicht ein Goldsucher dabei unerforschtes Gelände, müssen einige der 44 rautenförmigen Landschaftsplättchen (gelegentlich auch Dreiecke) angelegt werden, vor allem der Fluss muss bei jeder sich bietenden Gelegenheit verlängert werden.
Ist die Landschaft um den Goldsucher komplett erkundet, kann dieser auf einer der bis zu sechs angrenzenden Rauten eine Handlung durchführen. So beherbergen einige Flussrauten Goldplättchen in bestimmter Anzahl, die unter Verbrauch von Nahrung abgebaut werden können. Jenseits des Flusses abgelagerte Nuggets müssen erst durch einen Kanal aus Holz bewässert werden, ehe der Abbau beginnen kann. Das noch einträglichere Berggold muss gar erst über einen Stollen erschlossen werden, dessen Bau Nahrung, Werkzeug und Holz verschlingt.
Daher, auch wenn der Goldabbau das finale Ziel bleibt: Unverzichtbar ist die stetige Nachfuhr von Rohstoffen. Nahrung lässt sich in Fischform aus dem Fluss beziehen, aber auch diverse Wildtiere treiben sich auf einigen Rautenfeldern herum. Wenn das Getier nur nicht so flüchtig wäre! Ein glücklicher Würfelwurf ist zum Erlegen leider nötig. Mit dem Holz hat man es da Gott sei Dank leichter – Bäume (auf Waldrauten) lassen sich jederzeit bereitwillig fällen. Gebäude wie Reusen (am Fluss) oder Sägewerke (am Wald) verdoppeln die Rohstoffnachfuhr, allerdings für Erbauer und „fremde“ Besucher gleichermaßen.
Doch wo unberührtes Land auf unsere Goldsucher wartet, lauern auch Überraschungen. Einige Rauten mit zufälligen Ereignissen bescheren den Goldklumpensammlern Ausrüstungsgegenstände, Nahrung oder schlicht den ein oder anderen unverhofften Nugget.
Damit die ganze Schufterei etwas schneller und einfacher vonstatten geht, kann ein Goldsucher ins Basislager zurückkehren, um sich dort für bares Gold mit hilfreichen Ausrüstungsgegenständen einzudecken. Äxte, Angeln oder Gewehre erleichtern den Rohstoffnachschub, Pferde und Boote das Vorankommen, Dynamit und Sieb legen pro Arbeitsgang gleich die doppelte Menge an Gold frei. Whisky macht die Arbeit schneller, ein Karren verringert den akuten Platzmangel im Inventar.
Das Spiel endet, sobald ein Spieler mit zehn Goldplättchen im Gepäck das Basislager erreicht. Wesentlich häufiger jedoch endet das Spiel durch Verbrauch der Landschaftsrauten: In diesem Moment hält der Winter im Tal Einzug. Je nach Würfelwurf (5 oder 6) bewegt sich ein Eisblock den bislang ausgelegten Flussverlauf hinunter. Erreicht er das Basislager, endet das Spiel. In beiden Fällen gewinnt der Spieler, dessen jetzt aufzudeckende Goldplättchen in der Summe die meisten Nuggets zeigen.
Fazit
Es beeindruckt, welch üppiges und atmosphärisch schön gestaltetes Material ein Kleinverlag wie Kronberger seinem Spiel mit auf den Weg gibt. Sogar Übersichtsplättchen, die die Kosten für Waren und Handlungen aufführen, sind mehrsprachig für jeden Spieler vorhanden – vorbildlich. Die Inventartafel krankt jedoch etwas an der wenig intuitiven Unterscheidung von „Rohstoffen“ und „Waren“: So zählt Werkzeug (wie Holz oder Nahrung) überraschenderweise zu den Rohstoffen. Vielleicht hätte man hier durch eine farbliche Unterscheidung der Plättchen nachhelfen können.
Die Regeln des Spiels sind vollständig, aber betont knapp gehalten. Das merkt man bereits an der überaus gedrängten Textgestaltung, die nicht übersichtlich wirkt. Dass weniger nicht immer besser ist, zeigt sich zudem daran, dass einige Regeldetails nach dem Motto „was nicht ausdrücklich verboten ist, ist erlaubt“ abgeleitet werden müssen.
Das Spiel selbst lebt von seiner (Ausrüstungs-)Vielfalt und Variabilität. Die Kunst ist, den wenigen Platz im Rucksack optimal zu nutzen, und sich beim Einkauf auf einen dem Spielfeld und der eigenen Vorgehensweise angepassten Fundus an Gegenständen zu beschränken. Das bedeutet auch, Wechselwirkungen der Ausrüstung einzukalkulieren, was Neueinsteigern zu Beginn sicher noch schwer fällt. Eine Axt sorgt für 2 Holzbalken Nachschub pro Handlung – diese belegen aber sofort 4 der raren Inventarfelder - wirklich nützlich meist nur für den, der genügend Platz (sprich: einen Karren) besitzt.
Sehr sinnvoll erscheint, sich beim ersten Einkauf mit Pferd oder Boot zu versorgen, da man sich hierdurch frühzeitig von den kurzen Bewegungsschritten abkoppelt. Eine erneute Rückkehr ins Lager fällt daraufhin ebenso leicht(er) wie das schnelle Durchforsten der Landschaft.
Zum Abwechslungsreichtum beitragen könnten außerdem die lückenfüllenden Dreiecksplättchen. Diese Plättchen enthalten besondere Funktionen (z.B. ein zweites Basislager, einen Teich, eine Bärenhöhle), die leider nur selten zum Einsatz kommen. Grund: Es ist schwer bis zeitweise unmöglich, entsprechende Lücken zu schaffen, insbesondere im Spiel zu dritt. Das ist schade, und ich hätte es daher begrüßt, die Standardrauten wären in zwei ausgeglichene, größere Stapel A und B unterteilt, wobei der Stapel B u.a. ein neues Basislager beinhaltet hätte.
Größere Rautenstapel auch deshalb, weil Lost Valley eines der wenigen Spiele ist, die dazu tendieren, zu früh zu enden. 44 Rauten, davon gerade einmal 32 Land-Rauten, von denen pro Spielerzug bis zu 4 auf den Plan fliegen (besonders schnell durch Pferdebesitzer) - da geht das Spiel oft zu Ende, wenn der Fluss erst aus 5-6 Abschnitten besteht. Dementsprechend schnell friert er zu, und das Spiel ist vorbei, wenn man gerade richtig loslegen könnte. Dadurch wird oft nur ein einziger Basislagerbesuch rechnerisch sinnvoll. Nach diesem lassen sich die Spieler dann gern auf einer "Perpetuum Mobile"-Position nieder, die ringsum alle nötigen Rohstoffe für den Abbau angrenzenden Berggoldes beinhaltet, und erwarten das Spielende – das letzte Spieldrittel kann dadurch sehr statisch werden.
Insgesamt bin ich mir nicht gänzlich sicher, wie beeinflussbar der Spielausgang wirklich ist. Man kann zwar gezielt Ausrüstungen kaufen und kombinieren, man kann auch gezielt Standpunkte blockieren und im richtigen Moment Stollen in den Berg treiben – aber die Rauten, die wir aufdecken, die Goldmenge, die wir bekommen, die Würfeljagd, der Moment des Spielausgangs: Da ist auch vieles unwägbar, was letztendlich den Unterschied ausmachen kann.
Fazit: Lost Valley ist ein hochvariables Erkundungsspiel, das das zugrunde liegende Thema exzellent umsetzt. Man spürt die schwere Last der Ausrüstung regelrecht auf dem Rücken, wenn man sich Rautenkante für Rautenkante vorarbeitet. Die oben geschilderten Punkte können das Spielerlebnis jedoch etwas trüben, und so fehlt irgendwie der letzte Funke, der aus diesem guten Spiel ein hervorragendes machen würde.
Rezension Steffen Stroh
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.
Regelvarianten
Lost Valley lässt sich auch sehr gut zu zweit Spielen, wenn jeder 2 Inventartafeln (auch zwei Spielfiguren) besitzt. Es darf dann immer nur eine eigene Spielfigur auf einer Flussseite stehen. Man darf zwar mit der eigenen Spielfigur den Fluss überqueren (vorausgesetzt das Boot wurde gekauft), darf aber die Flusskarte nicht verlassen auf die Flussseite auf der schon die andere eigene Spielfigur steht.
Die beiden eigenen Inventare sind unabhängig von einander, d.h. wenn Spieler A Gelb und Rot besitzt und bei Gelb hat er ein Pferd und ein Werkzeug gekauft, so darf er mit Rot trotzdem nur ein Feld weit ziehen und das Werkzeug nicht von Gelb mitbenutzen.