Rezension/Kritik - Online seit 03.02.2023. Dieser Artikel wurde 3222 mal aufgerufen.

Findorff

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Autor: Friedemann Friese
Illustration: Lars-Arne Kalusky
Verlag: 2F-Spiele
Rezension: Michael Andersch
Spieler: 1 - 5
Dauer: 55 - 75 Minuten
Alter: ab 12 Jahren
Jahr: 2022
Bewertung: 4,3 4,3 H@LL9000
4,8 4,8 Leser
Ranking: Platz 1791
Findorff

Spielziel

„Findorff“ ist ein Stadtteil von Bremen, und das vorliegende Spiel zeichnet dessen Entstehung bzw. Entwicklung in den Jahren 1803 bis 1916 nach.

Wir schaffen Torf heran (beispielsweise zum Heizen), bauen das Schienennetz aus und errichten historische Gebäude wie Schulen, den Schlachthof oder die Stuhlrohrfabrik. Und natürlich siedeln wir auch Bewohner an.

Wer all dies am effizientesten macht (gemessen in Siegpunkten), der wird das Spiel gewinnen.

Ablauf

Zunächst mal breiten wir den Spielplan aus. Dieser zeigt das noch unbebaute und noch unbeeisenbahnte Findorff. Allerdings sind die künftigen Bauplätze für die historischen Gebäude schon vorgegeben.
Am oberen Rand stapeln wir preislich aufsteigend die Aktions- und Produktionsplättchen. Und am unteren Rand befüllen wir einen Torfmarkt, der durch Kauf und Verkauf und auch andere Ereignisse wechselnde Preise für den Handel mit Torf anzeigt.


Sofern das Spielmaterial nicht nach der letzten Partie penibel vorsortiert wurde hat man damit ein bisschen was zu tun.

Bereit gelegt werden zudem unterschiedliche Ressourcen wie Geld, Schienen, Torf, Ziegel, Arbeitskräfte und Plättchen der zu errichtenden Gebäude.

Jeder Spieler erhält zudem spielerzahlabhängig ein Grundkapital und Karten der von ihm zu errichtenden Gebäude. Letztere werden entweder nach Vorgabe verteilt (Einsteigerspiel) oder zufällig verteilt und dann gedraftet.
Zudem erhält jeder Spieler ein Firmentableau, auf dem er seine Aktionen durchführt sowie eine Karte mit Lagerplätzen und eine einsame Arbeitskraft.

Und wir erhalten ein Produktionsplättchen „Schiff“, mit dem wir im Spielverlauf unter Einsatz eines Arbeiters Torf heranschaffen können.

Und dann geht’s los.

Wir spielen reihum, und wer dran ist, läuft mit einer Anzeigefigur auf seinem Firmentableau von oben nach unten zu einer beliebigen Aktion. Das Tableau zeigt deren vier, und im Grunde muss man sich das Tableau wie ein MacGerdtsches Rondell vorstellen: Läuft man unten raus, dann kommt man oben wieder rein.
Dabei muss man nicht jede Aktion machen, man kann auch welche überspringen (was anfangs eher selten vorkommt) oder man kann auch auf Aktionen stehen bleiben und diese nochmals ausführen.
Und jedes Mal, wenn man unten heraus läuft, muss man jedoch eine kleine Bürokratiephase durchführen, bevor man von oben wieder hereinkommen darf.

Es gibt wie gesagt 4 Aktionen, als da von oben nach unten wären:

Kauf:

Hier ist es möglich

  • Aktionsplättchen zu kaufen. Diese stellen quasi den Motor des Spieles dar. Kann man out-of-the-box jede der 4 Aktionen nur sehr schwach ausführen (z.B. beim Kauf nur 1 „Ding“ erwerben), so kann man durch den Kauf eines Aktionsplättchens die Aktion verbessern (zum Beispiel durch Zukauf eines Aktionsplättchens „Kauf“ bei jeder künftig durchgeführten Kaufaktion 2 „Dinge“ kaufen). Diese Aktionsplättchen gibt es für jede der 4 Aktionen, allerdings sollte man früh zuschlagen, denn die Preise steigen kontinuierlich an.
  • Produktionsplättchen zu kaufen. Diese verschaffen uns Rohstoffe (Torf, Ziegel, Schienen), wobei es diese Plättchen in unterschiedlich effizienter Form gibt (z.B. kann ich mit 1 Arbeiter 1 Ziegel erzeugen, oder aber auch 2. Kostet halt mehr, bringt aber auch mehr. Bei den Produktionsplättchen gilt ebenfalls: Früh zuschlagen, denn die Preise steigen mit jedem Kauf.
  • Gebäude gegen Angabe der jeweils geforderten Kombination von Geld, Ziegeln und Schienen zu bauen. Dies ist das Hauptziel im Spiel, denn Gebäude sind am Spielende die hauptsächlichen Siegpunktebringer. Im Spiel bringen sie zudem einmalige oder dauerhafte Effekte, wie zum Beispiel Einnahmen in der Bürokratiephase.
    Die Gebäude müssen allerdings nicht in der korrekten historischen Reihenfolge gebaut werden.

Einstellung:

Diese Aktion ist sehr einfach. Wir bekommen 1 Arbeitskraft (bzw. deren mehrere, sofern wir entsprechende zusätzliche Aktionsplättchen erworben haben).

Produktion:

Ebenfalls sehr einfach. Wir ordnen die vorhandenen Arbeitskräfte den Produktionsplättchen zu, wodurch wir sofort Torf, Eisen oder Schienen erhalten, welche im 10 Plätze umfassenden Lagerhaus abgelegt werden

Auch hier gilt: Standardmäßig kann nur 1 Arbeitskraft zugeordnet werden – durch den vorherigen Erwerb zusätzlicher Aktionsplättchen oder den Erwerb effizienterer Produktionsplättchen lässt sich hier mit weniger Aufwand mehr Ertrag generieren.

Verkauf:

Und ein letztes Mal gilt: Ich kann mit dieser Aktion 1 „Ding“ verkaufen, es sei denn, ich hätte die Aktion durch den vorherigen Kauf entsprechender Aktionsplättchen verbessert.

Verkaufen kann ich dabei Torf am Markt (bringt Geld, aber meist überschaubar), Schienen für den Gleisbau (bringt mehr Geld), welche auf den Plan gelegt werden und zum einen auch einen Einfluss auf den Torfmarkt haben, zum anderen aber auch maßgeblich für das Spielende sein werden, und ich kann gegen Abgabe von Ziegeln Wohnhäuser bauen (für die ich zunächst keine unmittelbare Belohnung bekomme).

„Verlässt“ man das Firmentableau unten, dann ist eine Bürokratiephase durchzuführen, welche aus 4 Schritten besteht:

  1. Heizen: Häuser des Spielers brauchen zum Heizen Torf – je Haus wird ein Torf vom Markt in den Vorrat gelegt. Die Preise steigen somit.
  2. Gleisbau: Für jedes Paar aus eigenem Haus auf dem Spielplan und Arbeiter im eigenen Bestand wird eine Schiene errichtet (ggf. Auswirkungen auf den Torfmarkt) – wofür man je 4 Geld erhält. Eine sehr lukrative Einnahmequelle, die man frühzeitig erschließen sollte.
  3. Zeit vergeht: Die eigenen Arbeitskräfte werden von den Produktionsplättchen genommen und stehen für die nächste Produktionsaktion wieder zur Verfügung. Allerdings nagt das harte Leben an der Lebenskraft, und so muss man jedes Mal einen verstorbenen Arbeiter in den Vorrat zurück legen.
  4. Sofern man bereits Bauwerke errichtet hat, welche in dieser Phase Einnahmen generieren, so erhält man nun auch dieses.

Das Spiel endet, wenn das Schienennetz weitestgehend fertig gestellt wurde.

Jedes errichtete historische Gebäude bringt nun 50 Punkte, was die Hauptquelle für Siegpunkte ist. Restbestände an Geld und Materialien punkten ebenfalls noch, aber in überschaubarem Maße.

Fazit

Ich muss sagen, dass Findorff für mich einen gewissen Charme hat. Die Grafik von 2F-Spielen ist zwar typischerweise generell etwas spröde und irgendwie ziemlich retro, was mir üblicherweise nicht gefällt – hier gefällt sie mir eigentlich auch nicht, aber sie passt in diesem Fall dennoch gut zum Thema.
Auch der ganze Rest – die Gebäude, deren Orte etc. versprühen ein gutes Flair. Insgesamt kommt das Thema für mich damit richtig gut rüber.

Und Findorff macht noch ein paar andere Sachen richtig – mir gefallen zum Beispiel die recht kurzen und knackigen Aktionen gut. Im Grunde ist Findorff ein sehr einfaches Spiel. Alles ist einfach und übersichtlich dargestellt, und die Aktionen sind üblicherweise zumindest in der ersten Spielhälfte jeweils recht schnell ausgeführt. Außerhalb der Aktionen gibt es wenig Schnick und Schnack, mir fiele außer dem Torfmarkt (s.u.) nichts ein, was ich als unnötigen Ballast empfunden hätte.
Man baut sich eine Engine, aber die ist kompakt und überschaubar.
Das Spiel zwingt einen allerdings zu maximaler Effizienz, denn der Schienenbau schreitet zunächst langsam, dann immer schneller voran. Viel an der Engine herumdoktern ist also nicht drin – im Grunde haben wir einen Wettlauf, wer innerhalb der gegebenen Zeit die meisten Punkte herausholt.

Aber Findorff hat in meinen Augen auch negative Seiten.
Zunächst mal empfinde ich den Startspielervorteil als sehr groß. Zwar erhalten die hinten sitzenden geringfügig mehr Startkapital, wer vorne sitzt kauft aber in den ersten Runden signifikant günstiger ein und verkauft Torf teurer, was schon nach der ersten Runde deutlich zu bemerken ist.

Und leider spielen wir nicht wirklich miteinander. Abgesehen davon, dass wir uns in der Kaufaktion gegenseitig Sachen wegkaufen (bzw. der früher Kaufende billiger kauft) gibt es keine Interaktion.
Mehr Spieler bringen also nicht mehr Spielvergnügen, sondern lediglich mehr Wartezeit mit sich. Und obwohl die Aktionen zu Beginn recht kurz durchgeführt werden können – mit Fortschritt des Spiels dauert es schon etwas länger (da man z.B. beim Kauf oder Verkauf unterschiedliche Optionen durchrechnen muss), und die Relation von „ich mache eine kurze Aktion“ zu „ich warte, bis ich wieder dran bin“ fühlte sich für mich mit mehr als 3 Spielern nicht mehr gut an.

Apropos Spielerzahl: Auch eine Solitärvariante liegt bei, welche grundsätzlich gut funktioniert. Grundsätzlich mag ich Solitärvarianten und –spiele, allerdings vorzugsweise dann, wenn ich gegen einen virtuellen Gegner oder auf sonstige Art gewinnen oder verlieren kann.
Bei Findorff geht es nur darum, möglichst viele Punkte zu erzielen. Das finde ich leider etwas unbefriedigend.

Und zuletzt empfinde ich auch den Torfmarkt als wenig funktional. Egal mit welcher Spielerzahl – er war im Grunde die meiste Zeit recht statisch, niedrigpreisig und wir sind nie mehr als allenfalls sporadisch über die Hälfte der Preisentwicklung hinaus gekommen. Vor diesem Hintergrund hätte man doch etwas Ballast weglassen können und schlichtweg einen festen Torfpreis festlegen können, wodurch man auch die umständliche Entnahme von Torf bzw. die Befüllung des Marktes mit Torf durch den Schienenbau hätte entfallen lassen können, was man ohnedies gerne mal vergisst.

Unter dem Strich bleibt für mich somit ein thematisch hervorragend umgesetztes Spiel mit leichten Schwächen, das ich gerne mal wieder mitspiele, aber nur zu zweit oder dritt. Aktiv vorschlagen würde ich es dagegen eher nicht.

Dabei ist Findorff objektiv betrachtet ein durchaus ordentliches Spiel. Ganz subjektiv hat mein Spieleschrank aber leider einige Spiele, die ich im Zweifel jederzeit vorziehen würde.

Findorff ist gut, aber es „fixt mich nicht an“, was daran liegt, das die Spielverläufe doch immer recht ähnlich sind: Im ersten Drittel hat man kaum Geld, weil man versucht, die Engine ans Laufen zu bekommen und alles für die Ausbauten drauf geht, im zweiten Drittel klappt das besser, Geld ist vorhanden, es reicht für erste Bauwerke, und im letzten Drittel ist es ein Durchhecheln und ein Umsetzen der dann meist recht reichlich vorhandenen Ressourcen in siegpunktträchtige Gebäude.

Rezension Michael Andersch

Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.

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H@LL9000-Bewertungen

H@LL9000 Wertung Findorff: 4,3 4,3, 3 Bewertung(en)

Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 06.11.22 von Michael Andersch - Super Thema und klasse umgesetzt. Die Ikonografie könnte etwas besser sein, und weswegen z.B. die Punkte am Spielenende nicht irgendwo auf den Karten der Spieler oder dem Plan (auf dem reichlich Platz dafür wäre) zu finden sind erschließt sich mir nicht. Hier wäre etwas mehr redaktioneller Feinschliff möglich gewesen. Im Spiel selbst macht man dann viele kurze und knackige Aktionen, allerdings interagiert man kaum mit den Mitspielern - mehr Spieler verlängern daher nur die Wartezeit, optimieren aber nicht das Spielvergnügen. Insgesamt aber ein sehr rundes Spiel und eines von Friedemann Frieses besten - auch Dank des wirklich liebevoll umgesetzten Themas.
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 07.11.22 von Michael Dombrowski - Gut gemachtes Heimatspiel aus Bremen. Es gilt das historische Findorff wieder erstehen zu lassen.
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 11.01.23 von Michael Timpe - Schönes Spiel das man als Bremer natürlich noch mal anders betrachtet. Ob es dann wirklich oft gespielt wird, wird sich zeigen, dafür reicht es vermutlich nicht.

Leserbewertungen

Leserwertung Findorff: 4,8 4.8, 4 Bewertung(en)

Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 06.11.22 von Everest - Als gebürtiger Bremer ist man weder neutral noch distanziert. Ungeachtet dessen ist Findorff ein tolles, mittelschweres Wirtschaftsspiel mit dezentem Ressourcenmanagement. Da man v.a. mit dem Aufbau und im weiteren Verlauf der Nutzung der eigenen Engine beschäftigt ist, bleibt die Interaktion indirekt. Nähert sich das Ende einer Partie, guckt man aber genau, was sich die Mitspieler leisten können und antizipiert mögliche Züge. Timing und Flexibilität sind bei Findorff wichtig. Die Spieldauer ist auch in größerer Runde überschaubar und passt gut zum schlanken Charakter des Spiels. Ich finde es in größerer Besetzung insofern reizvoll, als man stärker um Aktions- und Produktionsplättchen konkurriert. Die Wartezeit mag etwas steigen. Aber: Hat man sich in seiner Engine eingerichtet, nutzt man zunehmend die „Bürokratie“, was gerade im letzten Drittel einer Partie zu einer starken Beschleunigung führt. Vielleicht ist Findorff ja der Beginn einer Bremer Stadt- bzw. Ortsteiltrilogie: Findorff, Farge, Fesenfeld. Knapp an der 6 vorbei.
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 25.11.22 von rana
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 26.11.22 von Rebhagemann - Kann man mal spielen. Das Retro-Design finde ich wenig ansprechend.
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 05.02.23 von Hans Huehnchen - Die Mechanismen und der Spielablauf von Findorff sind zwar recht simpel, aber es entsteht ein spannendes Wettrennen um die Rädchen, die es in der eigenen Engine einzubauen gilt. Der Spielplan an sich ist theoretisch überflüssig, die Gebäudeplättchen reine Dekoration und trotzdem ist es schön anzusehen, wie der Stadtteil Findorff entsteht. Das Design passt wunderbar zum torfigen Thema. Einziges Sorgenkind ist für mich die mangelnde Varianz bei den Gebäudekarten, die könnte sich auf den Langzeitreiz auswirken.

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