Rezension/Kritik - Online seit 14.04.2024. Dieser Artikel wurde 2681 mal aufgerufen.
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Die deutsche KFW-Bank hat 320 Millionen an die Lehman Bank überwiesen? Was ein Fehler, wo Lehmann doch gerade Pleite war. Futsch ist das Geld. Aber waren ja nur Steuergelder. Sowas könnte mir natürlich nicht passieren, schon gar nicht im Spiel. Lieber investiere ich 500 Millionen in den chinesischen Immobilienmarkt, der hat doch sicher Zukunft. Oder geht Evergrande wohlmöglich doch bankrott? Egal, 4 Siegpunkte sind mir mit den Immobilien sicher, möglicherweise auch mehr, ausser … ausser ich hab mich übernommen, dann ist alles nix mehr wert. Das ist dann halt Pech. Aber bis dahin spiel ich mit den ganz grossen Zahlen. Das verwirrt meine Mitspieler und gibt mir die Hoffnung, dass am Schluss doch jemand anderes über meine Ausgaben hinausschießt und sich ruiniert, statt mich.
Jeder Spieler spielt die Nationalbank einer Wirtschaftsmacht, also z.B. Amerika, Europa oder China. Pro Runde wird ein Plättchen aufgedeckt, das für einen Wirtschaftsbereich aus einem Land oder einer Region steht, also z.B. europäische Landwirtschaft, chinesische Immobilien, amerikanische Finanzwirtschaft und ähnliches.
Für die Rettung dieser Wirtschaftszweige wird (verdeckt) Geld geboten, wer am meisten bietet muss zahlen und erhält dafür das entsprechende Plättchen. Dieses ist für sich 1-4 Siegpunkte wert und zusätzlich gibt es noch Siegpunkte für Wirtschaftsbereiche aus dem eigenen Land sowie für verschiedene oder gleiche Bereiche aus verschiedenen Ländern.
Die Versteigerung läuft mit nur einer Runde ab: Der aktive Spieler ist Auktionator und schreibt sein Angebot für alle sichtbar in sein Scheckheft. Jede natürliche Zahl grösser 0 ist als Gebot zulässig - und das ist der Clou im Spiel: Geld gibt es nicht – also nicht physisch. Jeder und jede kann einfach eine x-Beliebige Zahl als Gebot in sein Scheckheft notieren. Anschließend wird dies an den Auktionator gegeben. Der Auktionator verkündet, welcher Spieler die Auktion gewonnen hat (nicht aber den Betrag) und notiert das Höchstgebot auf dem Versteigerungsplättchen, das dann an den Spieler geht, der gewonnen hat.
Nach der letzten von 15 oder 16 Versteigerungen zählen alle Spieler die Summe ihrer erfolgreichen Gebote zusammen. Wer insgesamt am meisten Geld ausgegeben hat, scheidet aus. Die anderen Mitspieler zählen nun den Wert ihrer Anteile plus Punkte für Sets zusammen. Zusatzpunkte gibt es noch für den Spieler, die insgesamt am wenigsten Geld ausgegeben hat. Wer dann die meisten Punkte gesammelt hat, gewinnt das Spiel.
Versteigern, ohne Geld? Es ist soooo cool, jeder hat einfach soviel Geld wie er will. Schreib eine Million in dein Scheckbuch, oder 1 Milliarde, ganz wie du willst. Ob du viel, am Ende sogar zuviel ausgegeben hast, entscheiden deine Mitspieler (durch ihr eigenes Spiel).
Obwohl es vordergründig ums Versteigern geht ist QE zum grossen Teil auch ein Psychologiespiel. Steigen die Mitspieler ein, auf eine völlig irrsinnige Zahlenrallye? Oder wird eher konservativ geboten? In einem Spiel kostete das letzte Gebot 1 000 000 000 000 000 000 (Tausen Billiarden) in einer anderen Partie waren 12 Millionen als Gesamtsumme schon zu viel.
Interessant ist der Aspekt, dass nur der Auktionator und der Gewinner wissen, wieviel tatsächlich bezahlt wurde. Die Mitspieler können nur raten, und anhand ihres eigenen Gebotes versuchen einzuschätzen, wie hoch das siegreiche Gebot wohl gewesen sein könnte. So kam es in einer Runde vor, dass einige Spieler noch Millionen boten, während die erfolgreichen Gebote bereits im 100 Millionen Bereich lagen.
Rund 30 Minuten dauert eine Partie, und diese werden wirklich nicht langweilig. Nach meiner Erfahrung hängt die Dynamik des Spiels stark von der Anzahl der Mitspieler ab. Je grösser die Runde, desto wilder explodieren die Preise. Am Ende will doch jeder mindestens 2-3 Versteigerungen gewonnen haben, und entsprechend steigen die Gebote immer schneller in die Höhe.
Daher gefällt mir das Spiel auch besser mit mehr Mitspielern. Zu dritt fand ich es nicht so toll, vier oder fünf SpielerInnen sollten es schon sein. Die galoppierende Inflation im Spiel macht einen grossen Reiz aus und die Überraschung, wer bei der Schlusswertung dann ausscheidet, ist bei mehr Mitspielern einfach lustiger. Ein überrissenes Gebot kann da schnell den Ausschlag geben. Wobei dieser Entscheid fast immer aus den letzten Geboten resultiert. Vom Spielende aus gesehen sind die ersten Gebote immer Schnäppchen. Egal wie hoch sie einem am Anfang schienen.
Tatsächlich sind die Preise am Schluss meist sogar so viel höher, dass die ersten Kosten der ersten Versteigerungen völlig irrelevant werden. Und hier kommt ein kleiner Wehmutstropfen ins Spiel: So originell und erfrischend ich die Versteigerung empfinde, die Wertung ist eher konservativ und zwängt den Spielreiz in „normale“ Bahnen. Unter anderem gibt es recht wertvolle Bonuspunkte, wenn man Versteigerungen aus dem eigenen Land gewinnt. Als Chinesische Nationalbank z.B. die chinesische Industrie oder Landwirtschaft ersteigert. Je früher die eigenen Anteile zum Gebot stehen, desto besser da man diese meist noch günstiger kaufen kann als bei den letzten Geboten.
Und auch beim Langzeitspielreiz bin ich eher skeptisch. Nach Abschluss meiner Testrunden würde ich das Spiel zwar noch weiter mitspielen, aber wohl erst mal nicht mehr vorschlagen. Und auch Teile meiner Spielrunden hatten nach einigen Runden schon genug. Die Versteigerungen sind wirklich super, aber das drumherum löst nicht so viel Spannung aus. Letztlich ist es ähnlich wie beim Pokern. Schätze ich meine Mitspieler richtig ein, biete ich genug aber nicht zu viel? Ich kann es nur raten, steuern kann ich es nicht. Und wenn die Gebote ins unermessliche abgleiten, wird es auch schwierig, weil dann doch der Bezug zu den Zahlen verloren geht.
Ein Wort zum Material: Funktional und gut. Abwischbare, stabile Kartons, die mit den üblichen Folienstiften beschriftet und wieder abgewischt werden. In meinem Spiel funktioniert das jetzt schon über eine Weile einwandfrei.
Als zusammenfassendes Fazit komme ich zum Schluss: Extrem origineller Spielansatz, der auch durch seinen Bezug zur Realität mir viel Spass bereitet hat. Die ersten Partien fand ich phänomenal, leider lässt der Reiz aber relativ schnell nach. Jedem, der mit dem Thema auch nur ein bisschen was anfangen kann, kann ich das Spiel nur wärmstens zum Ausprobieren empfehlen. Ob man es langfristig auch besitzen muss, ist eine andere Frage. Ich hab mich selten so gefreut, ein Spiel gespielt zu haben.
Rezension Michael Timpe
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.
H@LL9000 Wertung Q.E.: 4,3, 3 Bewertung(en)
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
26.01.24 von Michael Timpe - Für die ersten 2-3 Partien würde ich Spielreiz 6 vergeben, ab 6-7 Partien eher nur noch eine 4. Als Mittelwert eine Absolut verdiente 5 für eine aussergewöhnliches Spielkonzept. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
20.10.22 von Michael Andersch - Gewitztes Bietspiel. Nicht wirklich gut steuerbar, aber es lebt von der Unsicherheit. Spieldauer für das Gebotene gerade noch akzeptabel. Auf den zu kaufenden Tafeln ist so viel Platz - da hätten die wesentlichen Informationen ruhig noch deutlich größer drauf sein dürfen. Insgesamt vergebe ich knappe 5 Punkte, fürchte jedoch, dass sich das Spielprinzip schnell abnutzt. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
12.11.22 von Roland Winner - Mir sind zuwenige Unternehmensplättchen im Spiel. Im Schnitt bekomme ich zu viert 4 Unternehmen. Was kann ich da groß entwickeln? |
Leserwertung Q.E.: 5.5, 4 Bewertung(en)
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
11.05.20 von Maik Bretschneider - Eher einfaches Bietspiel (auf Firmen verschiedener Volkswirtschaften) mit der Krux, das nach Abrechnung derjenige mit dem höchsten Gebot, per se verliert. Zwischendurch via Setcollection erdient man sich Siegpunkte. Guter Absacker. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
01.02.24 von JonTheDon - Interessantes und spannendes Spiel - oder vielleicht mehr Experiment denn Spiel. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
10.09.24 von Kichererbse - „Q.E.“ ist ein gehobenes Familienspiel für 3-5 Spieler ab 10 Jahren und dauert etwa 30-45 Minuten. Worum geht es? Wir schreiben das Jahr 2008. Die Wirtschaft ist am Boden. Du spielst eine der größten Nationen der Welt, und es ist deine Aufgabe, die Wirtschaft zu unterstützen, indem du Geld druckst, um Unternehmen zu retten. Diverse Unternehmen werden versteigert, um sie zu retten. Am Spielende wird jedes von ihnen Siegpunkte wert sein. Da du die Zentralbank deiner Nation kontrollierst, gehören dir die Gelddruckmaschinen und du kannst bieten, was immer du möchtest: 99? In Ordnung. 99 Milliarden? Auch OK. Ersteigere die Unternehmen um Punkte zu bekommen, aber sei vorsichtig. Wenn du die Nation bist, die während des Spiels das meiste Geld ausgegeben hast, scheidest du aus. Achte darauf, dass du du Inflationswelle genau im richtigen Moment startest. Fazit: Q.E. (Quantitative Easing - auf Deutsch: Quantitative Lockerung) bezeichnet eine expansive Geldpolitik, in der eine Zentralbank neues Geld druckt, um Staatsanleihen oder andere Wertpapiere zu kaufen und so die Wirtschaft anzukurbeln. Das hört sich kompliziert und sperrig an. Das Spiel ist aber fluffig, schnell zu verstehen und macht sehr viel Spaß! Ganz klar sehr empfehlenswert und Daumen hoch!😃👍 |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
14.09.24 von Klaus Seitz - Der Bietmechanismus ist schon sehr strange und gerade das macht das Spiel außergewöhnlich. Unbedingt in verschiedenen Gruppen probieren, fast schon ein social deduction game. |