Spielziel
Bewaffnete Bootsbesatzungen rekrutierten und vervollständigten die Mannschaften von Kriegsschiffen, indem sie Seemannskneipen und Bordelle in den Hafenvierteln durchkämmten und mit Gewalt alle aufgriffen, derer sie habhaft werden konnten. Nach Betäubung durch Niederschlagen oder Alkohol wurden die armen Kerle meist erst wieder auf hoher See wach und ab diesem Zeitpunkt war ihr bürgerliches Leben meist vorbei. Die beiden Spieler schlüpfen in die Rolle zweier Kapitäne, die ihre Schiffsbesatzung mit Hilfe dieser "ruhmreichen" Methode aufstocken wollen.
Ablauf
Alle Aktions- und Matrosenkarten (die acht unterschiedlichen Farben symbolisieren deren Nationalität) mit den Werten von 1 bis 4 werden gemischt und sechs davon offen in einer Reihe ausgelegt. Der Spieler am Zug würfelt mit zwei seiner sechs Würfel und entscheidet sich, welchen Würfel er einsetzt. Dabei wird eine 1 an die erste Karte gelegt, eine 2 an die zweite usw. Beim allerersten Zug wird außerdem festgelegt, ob mit dem Zuordnen der Würfel von links oder rechts begonnen wird. Danach folgt der Zug des Gegners. Theoretisch kann nun weitergewürfelt werden, bis ein Spieler nur mehr einen Würfel hat und somit aus der laufenden Runde aussteigen muss. Dies nennt man "shanghaien". Shanghaien darf man jedoch auch schon vorher, indem man die Runde vorzeitig beendet.
Nun wird überprüft, wer welche Karten erhält. Karten mit keinem Würfel kommen aus dem Spiel, solche, an denen nur ein Würfel liegt, erhält dessen Besitzer. Liegen an einer Karte mehrere Würfel, gewinnt sie der Spieler, der mehr Würfel angelegt hat. Bei Gleichstand entscheiden die Würfel an den Nachbarkarten. Alle gewonnenen Karten legt man offen vor sich aus. Der Spieler, der die Runde beendet hat, muss nun erneut sechs Karten auslegen, sein Gegner darf die Runde eröffnen.
Während des Spiels darf man pro Runde einen "schmutzigen Trick" anwenden, das heißt, eine seiner Aktionskarten ausspielen. Diese ermöglichen ein erneutes Würfeln, das Modifizieren eines Ergebnisses, ein Anlegen beider Würfel oder ein Aufstocken einer bereits erworbenen Kartenfarbe um 1.
Nach genau acht Runden endet das Spiel. Beide Spieler vergleichen ihre Kartenwerte in jeder Farbe. Bei Gleichstand werden alle Karten dieser Farbe aus dem Spiel genommen. Ansonsten kommen die Karten des Spielers mit der höheren Summe aus dem Spiel und er erhält dafür die Karten seines Mitspielers. Hat nur ein Spieler die Karten einer Farbe, behält er diese. Wer nun nach dem Addieren seiner Karten die meisten Punkte hat, ist der Gewinner.
Fazit
Das Material besteht hauptsächlich aus den schön illustrierten Karten. Die Matrosen unterschiedlicher Farben sehen auch jeweils anders aus, und witzig finde ich dabei, dass bei Karten, deren Wert höher als 1 ist, jede zusätzliche Figur als Schatten hinter der eigentlichen Figur zu sehen ist. Außerdem sind die Werte auf einer Seite der Karte richtig aufgedruckt, wohingegen sie auf der anderen Seite auf dem Kopf stehen, so dass der Gegner auch immer ganz bequem die Kartenwerte seines Mitspielers ermitteln kann.
An der Spielbeschreibung gibt es nichts auszusetzen. Vier übersichtliche kleine Seiten mit genügend Beispielen und Bildern reichen aus, um keine Unklarheiten aufkommen zu lassen.
Empfohlen wird dieses 2-Personen-Spiel ab 8 Jahren. Spielerprobte Kinder verstehen die Regeln dann auch meistens, allerdings benötigen sie schone einige Spiele, bis sie sämtliche Feinheiten des Spiels einigermaßen erfasst haben.
Für sie ist es zum Beispiel nicht ganz leicht nachvollziehbar, dass sie ihrem Gegner einen Gefallen tun, wenn sie noch eine Karte nehmen, von deren Farbe er schon 7 Punkte vor sich liegen hat und sie selbst erst einen Punkt. Denn der Gewinner erhält ja am Ende immer die Punkte des Verlierers – somit sollte man den Punktestand dieser Farbe möglichst gering halten, sofern man sich keine Chancen mehr ausrechnet, selbst noch so viele Punkte zu bekommen, dass man mehr hat als der andere. Insgesamt gibt es pro Farbe 13 Punkte, wobei sich diese Zahl durch das Ausspielen von "Schmutzige-Tricks"-Karten noch verändern kann. Hier gilt es also immer ein wenig nachzurechnen. Optimal ist natürlich das Erlangen eines Nationalitätenmonopols – dann kassiert man nämlich die gesamten Punkte. Aber ein solches lässt sich nicht leicht erlangen, wenn man nicht gerade eine Schlafmütze als Gegner hat!
Ebenso muss man die Karten, die aus dem Spiel kommen, weil sie keiner durch Anlegen eines Würfels nehmen konnte oder wollte, im Hinterkopf behalten. Auch deren Werte sollte man sich merken, damit man immer nachrechnen kann, bei welchen Karten man noch zugreifen kann und von welchen man lieber die Finger lassen sollte. Zudem sollte man die Möglichkeit nicht vergessen, dass man eine Runde auch vorzeitig beenden und dadurch dem Gegner vielleicht einen Strich durch seine Rechnung machen kann.
Doch natürlich wird der Ausgang dieses Würfelspiel nicht allein von der Merkfähigkeit und Taktik der beiden Kontrahenten bestimmt. Würfel bleiben Würfel und es gehört auch immer eine gehörige Portion Glück dazu, um gewinnen zu können. Aber dank der oben beschriebenen Möglichkeiten sowie natürlich des sinnvollen Einsatzes der "Schmutzigen-Tricks"-Karten ist man dem Glück nicht völlig ausgeliefert.
Bei einigen Spielelementen hat man leichte Anlaufschwierigkeiten. So greift man intuitiv immer nach allen sechs Würfeln, obwohl man ja nur zwei davon werfen darf. Auch grübelt man anfangs öfter darüber nach, wer denn nun eigentlich die Karten auslegen und wer anfangen darf. Und man vergisst in den ersten Partien auch gerne, die "schmutzigen Tricks" einzusetzen. Da man ja pro Runde nur die Aktion einer dieser Karten nutzen darf, sollte man schon darauf achten, dies auch kontinuierlich zu tun, denn am Ende bringen die Karten nicht allzu viel (1 Punkt pro ungenutzter Karte).
Shanghaien ist ein Spiel, das aufgrund seiner kurzen Spieldauer von etwa 20 Minuten und dem Ärgerfaktor, den es zweifellos bietet, zu überzeugen weiß. Würfelhasser sollten wohl die Finger davon lassen, aber jedem anderen würde ich empfehlen, es doch einfach mal auszuprobieren!
Rezension Sandra Lemberger
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.