Spielziel
Auf den Spuren des legendären Afrikaforschers David Livingstone, der diesem taktischen Familienspiel den Namen gab, geht es mit einem Dampfboot den Sambesi hinab bis zu den rauschenden Victoriafällen. Wahrlich eine abenteuerliche Fahrt, denn im Hinterland des Sambesi glänzen Diamanten, winkt Glück und lockt Reichtum. Zutaten, für die ein richtiger Spieler gerne die Reise unterbricht. So natürlich auch bei Livingstone!
Ablauf
Der kleine Spielplan ist eine grafisch gut getarnte Tabelle mit 6 Zeilen und 10 Spalten. Die Spalten geben die Rundenzahl sowie die Kosten für den Schiffsbau vor, die Zeilen die möglichen Würfelergebnisse von 1 bis 6. Zum Anzeigen, in der wievielten Runde man sich befindet, wird ein Schiff vorwärts gezogen. Landet dieses in der letzten Spalte, wird die Runde zu Ende gespielt und dann eine Schlusswertung durchgeführt.
In jeder Runde würfelt der reihum wechselnde Startspieler mit 2 Würfeln pro Mitspieler. Die Würfel sortiert er anschließend nach gleichen Ergebnissen und beginnend mit ihm selbst sucht sich jeder einen Würfel aus. Nachdem man sich für einen Würfel entschieden hat, führt man gleich eine Aktion aus. Zur Auswahl stehen:
- entsprechend dem Würfelergebnis Geld nehmen oder Edelsteine aus dem Sack ziehen
- ebenfalls entsprechend dem Würfelergebnis ein Zelt in der passenden Zeile errichten
- genau eine Aktionskarte ziehen (alle bringen ihrem Besitzer ausschließlich Vorteile)
Hat jeder Spieler einen Würfel genommen und eine Aktion ausgeführt, darf er einen zweiten Würfel nehmen. Allerdings nur dann, wenn dieser Würfel mehr Augen zeigt als der zuerst genommene. Kann keiner mehr einen Würfel nehmen, endet die Runde und es wird gewertet. In der aktuellen Spalte bringt jedes Zelt 1 bis 6 Siegpunkte ein, je nachdem, in welcher Zeile es errichtet wurde. Danach wird das Schiff in die nächste Spalte bewegt (es sei denn, eine Aktionskarte verhindert dies, so dass dieselbe Spalte ein zweites Mal bebaut und gewertet wird), der Startspieler wechselt und wirft erneut alle Würfel.
Das Spiel endet nach der Wertung der letzten Spalte. Danach gibt es noch eine Zeilenwertung. Für die Zeltmehrheit in einer Zeile erhält man 2 bis 12 Siegpunkte, wobei es hier die meisten Punkte für jene Zelte gibt, die in der Spaltenwertung nur 1 Punkt brachten und die wenigsten für die Zelte, die während des Spiels 6 Punkte lieferten. Etwaige Siegpunktkarten werden abschließend noch zum Ergebnis addiert. Es gewinnt natürlich der Spieler mit den meisten Punkten.
Nein, halt – ich habe noch eine winzige Kleinigkeit vergessen. Zu Zeiten des Forschers Livingstone war man der britischen Königin Victoria einiges schuldig. In diesem Spiel schlägt sich das in Spenden an die Königin nieder. Immer, wenn man an der Reihe ist, darf man Geld in sein Schatzkistchen stecken. Dass man dies tut, muss man den anderen mitteilen, die Summe darf man jedoch geheim halten. Wer zu geizig ist, hat am Ende des Spiels jedenfalls die Verliererkarte gezogen, denn seine erreichten Punkte sind für die Endplatzierung unerheblich – er ist definitiv Letzter.
Fazit
Der Anblick des mit üppigem Material ausgestatteten Livingstone lässt Spielerherzen gleich höher schlagen. Vor allem die kleinen Schatzkästchen aus stabiler Pappe sind wunderbar gelungen. Was auf den ersten Blick recht viel versprechend aussieht, zeigt im Laufe der ersten Partie aber doch einige Schwächen. Vor allem über die viel zu klein geratenen Felder der Zählleiste ärgert man sich im Verlauf des Spiels immer wieder aufs Neue. Die runden Scheiben stehen auf allen Seiten über die Feldränder und sobald zwei Zählsteine genau nebeneinander liegen, geht die Übersicht völlig verloren. Hier kann man sich langfristig nur helfen, indem man aus einem anderen Spiel passende Klötzchen oder Kegel als Ersatz nimmt.
Auch über die Anzahl der Übersichtskarten waren wir in unseren Testrunden nicht glücklich. Lediglich zwei Stück gibt es in Deutsch und sobald mehr als zwei Neulinge mit von der Partie sind, muss man sich diese Übersichtskarten ständig gegenseitig aus der Hand nehmen. Auch über kleine Sichtschirme hätte man sich als Spieler gefreut, denn sein Geld möchte man ja möglichst geheim halten, und es ständig in der Hand zu halten, ist auf Dauer doch recht mühselig. Um an dieser Stelle aber auch etwas Positives zu schreiben: Ich finde den Verschlussknopf für das Edelsteinsäckchen sehr gelungen!
Die Spielregel hat leider auch kleine Mängel. Zwar sind die Grundregeln von Livingstone eigentlich sehr einfach und schnell erklärt. Bedauerlicherweise hakt es aber ein wenig bei den Detailfragen. So auf Seite 2, wo beschrieben wird, dass – wenn die Minenkarte gezogen wurde – diese mit allen bisher gespielten Karten wieder gemischt und als neuer Zugstapel bereit gelegt wird. Es ist anzunehmen, dass dies nur ein Formulierungsfehler ist, denn vermutlich sollte nicht nur die Minenkarte, sondern auch alle Karten des bisherigen Nachziehstapels wieder mit eingemischt werden.
Auch die Frage, ob der Startspieler reihum wechselt, lässt sich der Regel nicht ganz eindeutig entnehmen. Zwar steht da geschrieben, dass nach dem Bewegen des Bootes "der im Uhrzeigersinn nächste Spieler" mit allen Würfeln würfelt, aber ob sich das auf den letzten Würfler oder denjenigen, der den letzten Würfel genommen hat, bezieht, muss man letztendlich selbst entscheiden. Wir gingen in unseren Runden davon aus, dass der Startspieler wechselt.
Sieht man jedoch über diese kleinen Fehler hinweg, hält man mit Livingstone ein Spiel in Händen, das Spaß machen kann. "Kann" deshalb, weil es in erster Linie auf die Spielerzahl ankommt, ob man etwa 45 Minuten lang mit Freude bei der Sache ist oder nicht. Je mehr Mitspieler, desto besser funktioniert der Zugmechanismus, der durch das Nehmen der Würfel geregelt wird. Spielt man nur zu zweit, ist es einfach zu berechenbar, welche Würfel der Partner nehmen wird und entsprechend wird der Startspieler agieren. Auch bei drei Spielern ist die Sache noch ziemlich planbar und deshalb wenig spannend. Zu viert und fünft sind dann jedoch so viele Würfel im Spiel, dass eine verlässliche Vorausschau auf die Pläne der anderen eher unmöglich wird, so dass mehr Unberechenbarkeit und damit verbunden auch mehr Spannung ins Spiel kommt.
Interessanter wird das Spiel in hoher Besetzung auch durch die Fülle an Zelten, die in den einzelnen Zeilen des Spielplans errichtet werden. Der Kampf um die Mehrheit bleibt dadurch bis zum Schluss spannend, weil meistens in jeder Zeile zwei oder mehr Spieler einige Zelte errichtet haben und der jeweils Führende bis zum Ende befürchten muss, den Mehrheitenbonus zu verlieren, der gerade in den ersten beiden Reihen doch beträchtlich ist. Im Spiel zu zweit hat man in diesem Bereich dagegen kaum Interaktion.
Um Livingstone zu gewinnen, sind jedoch nicht nur taktisches Vorgehen und geschicktes Auswählen der Würfel gefragt, sondern man benötigt auch eine gute Portion Glück, um am Ende die Nase vorne zu haben. Dies fängt schon beim Ziehen der Steine aus dem Säckchen an. Wo der eine bei einer 5 vier schwarze und einen weißen Stein aus dem Sack zieht, was ihm ein einziges Geldstück einbringt, kann ein anderer das Glück haben, einen roten, einen blauen, einen weißen und zwei schwarze zu ziehen, was in Summe 9 ausmacht. Und komischerweise sind es immer dieselben Spieler, die hier vom Glück verfolgt sind. Wenn sie dann auch noch die passende Karte "Markt" ziehen, bei der man für die Steine nicht nur Geld, sondern auch Siegpunkte bekommt, sind sie den anderen Spielern schon ein gutes Stück voraus.
Zwar bieten die Karten allesamt Vorteile für die Spieler, aber ob man sie gerade in jenem Moment braucht, in dem man sie zieht, steht natürlich auf einem ganz anderen Blatt geschrieben. Somit kann man auch hier vom Glück begünstigt sein oder eben nicht.
Zu guter Letzt die Frage des Spendens, die jenen Punkt der Regel darstellt, über den am meisten diskutiert wurde. Während die einen dieses Element sehr peppig fanden, waren andere wieder der Meinung, es mache das ganze Spiel kaputt. Aber auch hier gilt letztendlich, dass man das Ausscheiden eines Spielers nicht so schlimm findet, wenn 5 Leute mit von der Partie waren, denn dann kamen ja immerhin 4 durch und durften sich um den ersten Platz schlagen. Zu zweit bedeutet das Ausscheiden eines Spielers jedoch genau 50 % der Teilnehmer, was als unvergleichlich härter empfunden wird.
Wie man im Spiel am besten vorzugehen hat, merkt man meistens nach der ersten oder zweiten Partie: Mit den niedrigen Würfelzahlen nimmt man eher Karten, mit den hohen baut man Zelte bzw. nimmt Geld. Und wer's gerne glückslastig mag, versucht sich auch mal am Edelsteinsäckchen.
Die Stärke von Livingstone liegt eindeutig in seiner kurzen Spieldauer. Selbst im Spiel zu fünft braucht man selten länger als 45 bis höchstens 60 Minuten, die immer als sehr kurzweilig empfunden werden, weil das Spiel nicht viel Grübelpotenzial bietet. Lediglich bei der ersten Runde der Würfelwahl überlegt man manchmal ein wenig länger, um einigermaßen sicher gehen zu können, dass man noch einen zweiten Würfel erhält, danach läuft es immer relativ flüssig, zumal der nächste Spieler ja schon ein wenig mit seinen Überlegungen beginnen kann, sobald sich sein Vordermann für einen Würfel entschieden hat.
Bis auf den besonderen Würfelmechanismus bietet Livingstone eigentlich nichts Neues. Trotzdem verbindet es viele bekannte Spielelemente zu einem stimmigen Ganzen, sofern man eben nicht zu zweit oder zu dritt spielt. Für Runden mit vier oder fünf Spielern ist es aber allemal eine Empfehlung wert, wobei Gelegenheitsspieler vermutlich länger von dem Spiel gefesselt sein werden als Vielspieler.
Rezension Sandra Lemberger
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.