Rezension/Kritik - Online seit 03.12.2018. Dieser Artikel wurde 8284 mal aufgerufen.
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Die Spieler schlüpfen in die Rolle von Schafbauern an der rauen Nordseeküste, die ständig von Sturmfluten bedroht ist. Deshalb müssen die Beteiligten einerseits gemeinsam den Deichbau vorantreiben, andererseits aber auch versuchen, jeder für sich die eigene Landschaft bestmöglich zu bewirtschaften und die Anzahl der eigenen Schafe zu erhöhen.
Jeder Spieler wird mit drei Bauernfiguren sowie einer Landschaftstafel ausgestattet, die 4 x 5 Felder aufweist. Die beiden Felder in der Mitte sind eingezäunt, und innerhalb dieser Weidefläche grasen bereits zwei Schafe. Außerdem erhält jeder ein Einkommenstableau, auf dem zehn weitere Zäune für den späteren Einsatz bereit liegen sowie vier Häuser, die im Laufe des Spiels errichtet werden können. Die Tableaufelder, auf denen die Zäune und Häuser platziert sind, weisen Aktionen bzw. Vorteile auf, die freigeschaltet werden, sobald man das sie verdeckende Material ins Spiel gebracht hat.
Wer an der Reihe ist, setzt einen seiner drei Bauern ein. Die Figuren sind mit den Ziffern von 2 bis 4 markiert – dies zeigt, wie oft der jeweilige Bauer die gewählte Aktion ausführen darf. Davon stehen folgende zur Verfügung:
Insgesamt werden drei Runden gespielt. Diese folgen einem bestimmten Schema. Zuerst gibt es immer den Gezeitenwechsel, in dem drei neue Flutkarten ausgelegt werden, wobei die erste davon gleich aufgedeckt wird. Entsprechend der Karte werden 1 bis 6 Flutsteine auf den allgemeinen Spielplan gelegt. Die Rückseiten der anderen beiden Karten zeigen bereits, mit welcher Flutstärke später zu rechnen ist: 1 – 3 oder 4 – 6 Flutsteine.
Danach folgen die Aktionen der Spieler, anschließend wird eine weitere Flutkarte aufgedeckt, es gibt Einkommen, und die Schafe vermehren sich: Für je zwei Schafe auf dem eigenen Land gibt es ein drittes, sofern man dieses regelgerecht platzieren kann. Auf jedem Feld darf nämlich im Normalfall nur ein Schaf stehen, und die Felder müssen Teil einer komplett eingezäunten Weide sein, sonst laufen alle Schafe davon. Die Aktions- und Vermehrungsphase wird ein zweites Mal ausgeführt, danach sind alle drei ausliegenden Flutkarten aufgedeckt und es wird überprüft, ob der Deich dem heranfließenden Wasser standhält.
Tut er das, bekommen alle bis auf den letzten Spieler auf der Deichleiste so viele Punkte, wie ihr Abstand zum letzten Spieler beträgt. Ist der Deichbau nicht weit genug vorangeschritten, müssen alle bis auf den Führenden auf der Deichleiste so viele Deichbruchmarker nehmen, wie es dem Abstand zwischen ihrem Marker und dem des Führenden entspricht.
Diesen Markern kommt am Spielende eine wichtige Rolle zu: Dann wird nämlich ein letztes Mal überprüft, ob der Deich standhält. Trifft dies zu, werden alle Deichbruchmarker ohne Auswirkung abgelegt. Bricht der Deich jedoch, verlieren alle so viele Schafe, wie sie Deichbruchmarker besitzen.
Am Ende gibt es Punkte für Geld, übrige Rohstoffkarten und errichtete Gebäude. Außerdem noch für Schafe und den Fortschritt auf der Deichleiste. Bei den letzten beiden Punkten spielt ein Multiplikator eine Rolle. Dieser ergibt sich aus den Deichbrüchen während des Spielverlaufs. Jedes Mal, wenn der Deich überprüft wird, wird die Markierung auf der Wertungsleiste bewegt. Je nachdem, wo diese sich am Ende befindet, sind Schafe bzw. Deichfortschritte mehr oder weniger viel wert.
Schafe scheinen in Brettspielen beliebte Tiere zu sein. Denn wieder einmal geht es darum, dafür zu sorgen, dass sich die vierbeinigen Wollknäuel vermehren und gut untergebracht werden können. Soweit, so bekannt.
In Das tiefe Land gibt es jedoch zusätzlich ein semi-kooperatives Element, das Altbekanntes gelungen mit Spannung würzt. So sind grundsätzlich alle Teilnehmer daran interessiert, am Deichbau mitzuwirken. Denn bricht der Deich, erhält man die unliebsamen Deichbruchmarker, die am Ende dafür sorgen können, dass man Schafe verliert. Außerdem möchte jeder auf der Deichleiste vorankommen. Dafür gibt es schließlich am Ende ebenfalls Siegpunkte, und außerdem erhalten die Spieler dort beim Überschreiten bestimmter Felder diverse Vorteile. Auch die Schafe sind am Spielende umso mehr wert, je seltener der Deich gebrochen ist. Gerade umgekehrt verhält es sich mit den Siegpunkten, die man am Ende für den Fortschritt auf der Deichleiste bekommt: Je öfter der Deich gebrochen ist, desto mehr Punkte gibt es. Wer also viel am Deich baut und weit auf der Leiste vorwärtskommt, erhält umso weniger Punkte, je öfter der Deich hält.
Eine Widersprüchlichkeit, mit der die Spieler erst einmal klarkommen müssen. In der ersten Partie schafft das selten einer, sie dient meistens dazu, das verzwickte System erst einmal zu durchschauen. In späteren Partien versuchen die Spieler im Verlauf des Spiels dann jeweils auszuloten, wie sich das Spiel entwickeln wird und wie sie ihre Vorgehensweise entsprechend anpassen sollten. Was auch gar nicht so einfach ist, denn schließlich kommt jeder Spieler nur 18-mal an die Reihe.
In diesem 18 Spielzügen sind wir ständig damit beschäftigt, die eigenen Schafweiden zu vergrößern, denn nach jeder Runde vermehren sich je zwei Schafe, was für viel Nachwuchs sorgt. Da ist es schon hilfreich, dass man Zäune auch umplatzieren darf, was zwar genauso viele Aktionen kostet, jedoch weniger Rohstoffe. Schafe können auch verkauft werden, allerdings wurde auch hier ein Element eingebaut, das die Sache nicht immer ganz einfach macht: Der Schafmarkt gibt nicht nur den Preis vor, sondern auch, wie viele Schafe auf einmal verkauft werden dürfen. Oft sind das nur zwei und man überlegt sich dreimal, ob man dafür eine ganze Aktion opfern möchte.
Gelungen finde ich auch die Zwickmühle, die sich beim Deichbau manchmal ergibt: Wer am Deich weiterbaut, MUSS ja anschließend einem Mitspieler die Möglichkeit bieten, ebenfalls mitzubauen. Hier will man natürlich gerne den führenden Spieler außen vor lassen, damit er auf der Deichleiste möglichst nicht weiterkommt, andererseits ist es oft genau dieser Spieler, von dem man genau weiß, dass er über die passenden Rohstoffe verfügt, um mitzubauen, was einen selbst wiederum einen zusätzlichen Schritt auf der Leiste beschert. Außerdem gilt es hier auch immer abzuwägen, ob man lieber den Abstand zum Führenden verkleinern möchte, um in der Hochwasserphase möglichst wenig Deichbruchmarker zu bekommen, wenn der Deich bricht, oder den Abstand zum Letzten vergrößern möchte, um viel Geld zu erhalten, wenn der Deich hält.
Zu begrüßen ist, dass die einzelnen Phasen auf dem Spielplan sehr deutlich abgebildet sind und auch die Spielerübersichten genau darüber informieren, was in jeder Phase geschieht. Denn obwohl man weder Autor noch Verlag den Vorwurf machen kann, den Spielablauf nicht sorgfältig durchdacht zu haben, so verhält es sich trotzdem derart, dass man auch nach einigen Spielen noch nicht genau verinnerlicht, was in jeder einzelnen Phase in welcher Reihenfolge abgehandelt wird. Die entsprechenden Spielhilfen waren in meinen Testpartien also immer gut im Einsatz.
Die Planung des eigenen Hofes macht Spaß. Es gilt stets abzuwägen, welche Plättchen man kauft und wo man sie am besten platziert. Allerdings ist das Spiel für meinen Geschmack mit zu vielen verschiedenen Gebäude- und Anlagenplättchen ausgestattet. Zwar sorgt das einerseits für viel Abwechslung, andererseits aber auch dafür, dass ständig in der Übersicht nachgelesen werden muss, was die einzelnen Gebäude bewirken, denn die Zeichenerklärungen sind nicht immer selbsterklärend. Das bremst den Spielfluss und weniger wäre hier mehr gewesen.
Der Verlag hat zwar Gebäude- und Anlagenplättchen klar unterscheidbar gemacht (die einen sind braun, die anderen grün), trotzdem machen Anfänger immer wieder den Fehler, die beiden Plättchenarten zu verwechseln. Das führt oft dazu, dass sie eines ihrer Häuschen auf ein grünes Anlagenplättchen setzen und dann denken, dass sie nach dem Bau ihres vierten Gebäudes nichts mehr bauen dürfen. Da auf Anlagenplättchen aber keine Häuser gesetzt werden, kann man diese unbegrenzt errichten. Außerdem wird auch oft durcheinandergebracht, dass Gebäude als Weidegrenze dienen, Anlagen hingegen nicht.
Das tiefe Land gefällt mir am besten zu dritt. Es funktioniert zwar auch zu viert tadellos, aber in dieser Besetzung muss man sich im Klaren darüber sein, dass die Spielzeit zwei Stunden oder sogar mehr betragen wird. Zu zweit finde ich es weniger prickelnd, denn hier muss man keine Wahl treffen, welchen Mitspieler man zum Mitbau am Deich auffordert, was in den 3er- und 4er-Partien ein wichtiges Spielelement ausmacht.
Der Einsatz von Arbeitern, das Züchten von Schafen und das Errichten von Gebäuden sind jetzt nicht gerade innovative Spielideen. Die beiden Autoren haben ihr Spiel jedoch auch mit neuen Ideen gewürzt, so dass aus Altbekanntem und Neuem ein spannender Mix entstanden ist.
Rezension Sandra Lemberger
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.
H@LL9000 Wertung Das tiefe Land: 4,3, 3 Bewertung(en)
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
31.10.18 von Sandra Lemberger |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
07.09.18 von Michael Kahrmann - Ziemlich unübersichtlicher Mechanismen Mix. Das nachschlagen der Gebäudefunktiomen artet in Arbeit aus. Intressant allemal aber in der redaktionellen Bearbeitung durchaus verbesserungswürdig. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
03.12.18 von Rene Puttin - Gutes Spiel in Anlehnung an viele Rosenbergspiele. Vieles hat man so, oder so ähnlich aber schon einmal gesehen. Note 5- |
Leserwertung Das tiefe Land: 4.0, 9 Bewertung(en)
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
23.09.18 von Martin Schipper - Gutes Workerplacement Spiel mit semikooperativem Deichbau. Die unterschiedlichen Gebäudekarten sind gut illustriert und nach einigen Partien entfällt auch das Nachschlagen in der Regel. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
24.09.18 von Patrick - Sehr schönes Thema und gute Elemente, die auch Sympathie ausstrahlen mit Schafzucht und Deichbau. Natürlich gibt es auch noch die Gebäude, die erstmal schwierig, aber mit der Zeit natürlich leichter zu erfassen sind, aber dann auch wieder zeigen, dass es recht konservative Effekte sind, die sie bringen. Spielerisch durchaus reizvoll, aber gefühlt bleibt das Spiel die ganze Zeit und vor allem nach mehreren Partien zu statisch. Ich fühle mich in den gefühlt wenigen Möglichkeiten gefangen. Sowas ist bei Worker-Placement öfter der Fall, aber hier fühle ich mich stark in ein Korsett gezwängt. So spiele ich es immer wieder mal gerne, aber nicht so gerne über Tage oder Wochen, wie z.B. Terraforming Mars o.ä. Spiele, die mehr Varianz bieten und wo kaum eine Partie der anderen gleicht. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
21.10.18 von Martina - Eigentlich ein Standard-Euro-Workerplacement... könnte man meinen. Aber das Spiel punktet nicht nur durch eine tolle Aufmachung (speziell die Deich-Teile aus Holz), sondern auch durch eine Art semi-kooperatives Element: Punkte gibt es vor allem durch Deichbau und/oder Schafe. Für was es überhaupt wie viele Punkte gibt, hängt davon ab, ob gerade am Ende des Spiels der Deich hält oder bricht. Hier gilt es die Gegner genau im Auge zu behalten und zu überlegen, welche Aktionen persönlich gewinnbringend sind. Helfe ich beim Deichbau mit oder lasse ich es drauf ankommen und ihn brechen? Sehr gut gefällt mir, dass die Anzahl der Aktionen überschaubar ist (3 pro Runde, 18 im Spiel). Außerdem gibt es genau 4 zur Auswahl: Gebäude bauen, Deich bauen, Schafhandel, Karten ziehen. Kaum Downtime, einfach mal fluffig zu spielen. Immer wieder gern! Einziger Kritikpunkt: Die Ikonographie ist erstmal gewöhnungsbedürftig und es braucht 2-3 Spiele, um reinzukommen und die Gebäudeeffekte kennenzulernen. Das hätte klarer gestaltet sein können. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
23.10.18 von Maja - Mir dauert es zu lange für das gebotene. Mit Grüblern am Tisch sehr zäh. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
23.10.18 von Dennis L. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
03.12.18 von Mike Camen - Mehr Arbeit als Spiel. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
27.06.19 von Hans Huehnchen - Ein gelungenes Workerplacement-Spiel, dass viel Spannung aus dem semikooperativen Deichbau-Element zieht. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
18.08.19 von Mara Jade - Schönes Spiel, auch zu zweit. Ja, zu Anfang kennt man die Gebäude noch nicht und muss diese nachschlagen, aber dafür gibt es ja extra eine Übersicht. Ansonsten ist es gefühlt ein Arler Erle light. Spielt sich flott, schönes Material, durch die unterschiedlichen Gebäude jedes Mal ein wenig anders. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
13.07.20 von DEVON - Schade, hier ist viel Potential verschenkt worden! Mit mehr redaktionellen Feinschliff, wäre hier ein klasse Titel entstanden. Das semi-kooperative Element, also der Deichbau ist nämlich höchst interessant und unterhaltsam und bringt endlich mal frischen Wind im Eurosegment. Auch ist das ganze Spiel optisch und materialtechnisch sehr einladend. Meine Kritikpunkte: Die Gebäude(funktionen) sind sehr intransparent gestaltet, so das man ständig im Regelheft nachschauen muss – das hemmt den Spielfluss und macht das Spiel unnötig kompliziert. Die Hilfsknecht-Funktion ist nicht durchdacht bzw. ausgereift und wirkt wie künstlich „angepappt“. Drittens hätte ich mir eine gezieltere, strategische Ressourcenbeschaffung durch WP-Mechanik gewünscht und nicht „einfach“ Baustoffkarten ziehen bzw. nehmen. Mit mehr Entwicklungszeit wäre hier garantiert ein Supertitel entstanden. Wie gesagt schade, dennoch reicht der Spielspaß für vier Punkte |