Spielziel
"Der wilde, wilde Westen fängt gleich hinter Hamburg an..." sang einst die Band Truck Stop. Aber vielleicht irrten sie, und er fing erst im Nordpfälzer Bergland an. Wo genau Old Town gelegen hat ist nicht klar, aber zwei bis vier Spieler machen sich mit Hilfe von alten Zeitungsartikeln daran, möglichst viele und wertvolle Informationen für die Rekonstruktion der "alten Stadt" zu liefern.
Ablauf
Der Spielplan zeigt den Grundriss der ehemaligen Stadt - verrostete Überreste eines alten Schienenstrangs, die Verläufe der alten Straßen sowie der Friedhof sind noch zu erkennen. 16 von 18 möglichen Gebäuden beherbergte die Stadt zu ihren besseren Zeiten, zu jedem der zur Auswahl stehenden Gebäude existiert eine Gebäudekarte sowie 5 kleine Hinweistafeln.
Motor des Spiels bilden Karten - mit Hinweisen zur Lage der Gebäude - die eingangs erwähnten Hinweise alter Zeitungsartikel. Diese können mal vage, mal von konkreter Natur sein. Karten des Typs "A" geben einen Hinweis zu 4 möglichen Plätzen eines bestimmten Gebäudes (z.B. "Die Kirche lag neben dem Friedhof"). Karten vom Typ "B" sind sehr vage und bezeichnen 7-8 mögliche Plätze eines vorerst nicht näher benannten Gebäudes (z.B. "Mein Gebäude lag am nördlichen oder südlichen Stadtrand"). Schließlich gibt es noch Karten vom Typ "C", die die Lage eines unbenannten Gebäudes in Relation zu einem konkreten Gebäude benennen, und somit für beide meist jeweils 8 mögliche Plätze zeigen (z.B. "Mein Gebäude lag gegenüber dem Saloon"). Auf jeder Spielkarte befindet sich ein kleines Bild des Spielplans. Alle durch den Hinweis in Frage kommenden Positionen sind darauf zur besseren Übersicht markiert.
Um auch die vagen Informationen besser nutzen zu können, spezialisiert sich jeder Mitspieler von Anfang an auf zwei Gebäude, deren Gebäudekarten er vor sich ablegt. Diese Gebäude können von dem Spieler nun an Stelle von "mein Gebäude" bei einem der Hinweise vom Typ "B" oder "C" verwendet werden. Liegen z.B. die Schule und der Richter vor dem Spieler, so könnte er den obigen Hinweis "C" verwenden: "Die Schule lag gegenüber dem Saloon". Doch wie verwendet man die Hinweise konkret, wie punktet man?
Jeder Spieler startet mit je 2 Hinweisen vom Typ "A" und Typ "C" auf der Hand. Die restlichen Hinweiskarten dieser beiden Typen kommen aus dem Spiel - lediglich die vagen Hinweiskarten vom Typ "B" bilden einen allgemeinen Nachziehstapel. Spielen weniger als 4 Spieler mit, so kommen auch noch einige Karten der Typen "A" und "C" zum Nachziehen ins Spiel.
In jeder Spielrunde spielt ein Spieler normalerweise eine Hinweiskarte von seiner Hand aus und zieht am Ende des Zuges eine neue Karte nach. Gemäß der gespielten Karte werden Hinweistafeln der genannten Gebäude auf dem Plan platziert, oder eventuell wieder vom Plan entfernt, falls durch die gespielte Karte frühere Informationen konkretisiert werden. Jede Hinweistafel, die vom Plan entfernt wird, oder gar nicht erst zum Einsatz kommt, gibt dem Spieler Punkte, die er auf einer Punktleiste am Spielfeldrand abträgt. Gibt es für ein Gebäude nur noch einen möglichen Bauplatz, so wird die entsprechende Gebäudetafel auf diesen gelegt. Alle Hinweistafeln von anderen Gebäuden, die dadurch eventuell obsolet werden, werden vom Spielplan entfernt und bringen dem Spieler je einen Punkt.
So werden häufiger mal Kettenreaktionen ausgelöst, die zum Teil einen wahren Punktregen mit sich bringen können. Jedoch sind beim Spielen von Hinweisen mehrere Legeregeln zu beachten, die dazu führen, dass die Stadt in jeder Partie auch rekonstruiert werden kann. Desweitern existiert die Möglichkeit, dass Handkarten gar keine neuen Informationen mehr liefern, oder der bestehenden Situation widersprechen. Dann kann man zwei solcher Karten spielen und eine beliebige Hinweistafel vom Plan entfernen. Auch hier bieten sich solche Tafeln an, deren Entfernen Kettenreaktionen auslösen.
Ist die Stadt vollends rekonstruiert, endet das Spiel und die Punktleiste gibt den Sieger preis, was meist nach 35-45 Minuten der Fall ist.
Fazit
Kommt Old Town auf den ersten Blick als Deduktionsspiel daher, offenbart sich doch schnell die große Glückskomponente, die durch die gezogenen Hinweiskarten einfließt. Die Deduktion beschränkt sich dann eigentlich darauf zu erkennen, mit welcher seiner Karten man die meisten Punkte herausholen kann, oder mit welcher man den Gegnern möglichst wenige Vorlagen liefert. Hierbei sind gerade die Karten vom Typ "C" sehr stark und führen, sollte man sie zum rechten Zeitpunkt einsetzen können, häufig zu vorentscheidenen Punktgewinnen. Darauf kann man spekulieren, häufig kann man aber froh sein, eine solche Situation einmal vorzufinden.
Trotz des hohen Glücksanteils hat das Spiel einen hohen Aufforderungscharakter. Es ist einfach jedes mal schön anzusehen, wie die Stadt nach und nach wieder entsteht. Das Material mit seinen eher einfachen Grafiken unterstreicht die Atmosphäre des Spiels und ist einem Kleinverlag angemessen. Die Hinweiskarten sind zweisprachig gehalten - jedoch nicht immer ohne Fehler oder Doppeldeutigkeiten. In Zweifelsfällen sollte man sich daher immer an die möglichen Bauplätze auf der Spielkartenübersicht halten.
Was den Spielfluss leider auch nach vielen Partien noch hemmt, ist die Spielregel. So intuitiv der Mechanismus zum Teil ist, so umständlich und umfangreich sind zum Teil die Sonderregeln, die die Rekonstruktion der Stadt gewährleisten sollen. Zwar hat Stefan Riedel seit Erscheinen des Spiels die Regeln weiterentwickelt und auf seiner Homepage zum Herunterladen bereitgestellt. Dennoch sind auch in der neusten Version (zum Zeitpunkt der Rezension die vom 27.04.2005) noch immer unklare Passagen enthalten. Das Spiel ist trotz allem einwandfrei spielbar, mit normalem Menschenverstand kann man alle Problemfälle lösen.
Das Spiel macht in allen Besetzungen gleich viel Spaß. Klar ist, dass bei zwei Spielern etwas mehr Taktieren möglich ist, während man sich bei vier Spielern meist nur darauf beschränken kann, das Beste aus der momentanen Position zu machen. Sollten einem mal die Mitspieler fehlen, so lieferte Stefan Riedel 7 Logikrätsel mit steigendem Schwierigkeitsgrad mit. Die ersten 5 Rätsel werden Rätselprofis nicht großartig fordern, an den letzten beiden knobelt man jedoch schon etwas länger - eine nette Bereicherung eines guten Spiels!
Rezension Arne Hoffmann
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.
Regelkorrektur
Unter http://www.clicker-spiele.de/oldtown-forum.htm findet sich die aktuellste Version der Spielregel in mehreren Sprachen.