Spielziel
Im Spielejahrgang 2000/2001 schien es den Trend zu geben, Spiele mit dem Thema Venedig zu produzieren. Neben Venezia und Doge haben wir mit San Marco den dritten im Bunde. Dieses Mal aus der Spieleschmiede von Alan R. Moon und Aaron Weissblum, die uns schon mit so manchem sehr guten Spiel beglückten und zum Beispiel mit dem Amulett den Sprung in die Auswahlliste zum Spiel des Jahres 2001 schafften.
Wir befinden uns wie gesagt in der Blütezeit Venedigs. Verschiedene Adelsfamilien buhlen um die Gunst des Dogen und versuchen so zu möglichst hohem Ansehen zu gelangen. Wer nach dem dritten Durchgang auf der Prestigeleiste am weitesten voran gekommen ist, hat das Spiel gewonnen.
Ablauf
Der Spielplan ist in 6 Stadtgebiete Venedigs aufgeteilt. Dazwischen schlängeln sich die Kanäle der Lagunenstadt. Jedem Stadtgebiet sind zwei Werte zugeordnet, die angeben, wieviele Prestigepunkte die stärkste und die zweitstärkste dort vertretene Adelsfamilie erhält, wenn im betreffenden Stadtgebiet der Doge vorbeischaut und es so zu einer Wertung kommt. Außerdem befindet sich auf jedem Gebiet eine Würfelzahl, die eigentlich nur zur Ermittlung der Startaufstellung dient.
Zur Ermittlung der Startaufstellung würfelt jeder Spieler 4 mal und setzt in das betreffende Gebiet pro Wurf 2 Adlige. Desweiteren erhält jeder Spieler eine eigene Brücke, die er beliebig aufstellen darf.
Der Motor des Spiels sind die Aktionskarten und die Limitkarten (mit den Werten 1,2 und 3), die allerdings eine negative Wirkung haben.
Folgende Aktionskarten sind enthalten:
Da das Spiel mit drei oder vier Spielern ziemlich unterschiedlich läuft möchte ich zunächst den Ablauf bei 4 Spielern beschreiben, dann kurz auf die Änderung bei 3 Spielern eingehen.
Ein Spieler wird zunächst erster Verteiler. Die anderen Spieler werden dann diesem zugelost. Der nächste Spieler wird erster Entscheider, es folgen der zweite Verteiler und schließlich der zweite Entscheider.
Der erste Verteiler wechselt nach jeder Runde Reihum, die anderen Rollen werden weiterhin ausgelost.
Der Verteiler erhält von den verdeckten Stapeln 5 Aktions- und 3 Limitkarten. Er bildet daraus 2 verschiedene Angebotsstapel, die möglichst gleichwertig sein sollten. Die Anzahl der Karten pro Stapel ist beliebig, denn durch Beigabe vieler Limitpunkte kann ein gutes Angebot wieder entscheidend abgeschwächt werden.
Die beiden Angebotsstapel gibt der Verteiler seinem Entscheider, der daraus einen auswählen muss und den anderen dem Verteiler zurückgibt. Das machen die beiden Verteiler bzw. Entscheider parallel. Hat jeder Spieler einen Stapel gewählt, beginnt der erste Entscheider das Spiel. Er legt alle Limitkarten offen vor sich ab und führt die Aktionen seiner Aktionskarten in beliebiger Reihenfolge aus. Dann folgen der erste Verteiler, der zweite Entscheider und zu letzt der zweite Verteiler.
Bei 3 Spielern formt der Verteiler aus 6 Aktionskarten und 4 Limitkarten 3 verschiedene Angebotsstapel, die er dem ersten Entscheider gibt. Dieser wählt einen aus und gibt dem zweiten Entscheider die beiden verbliebenen Stapel. Zuletzt erhält der Verteiler den übrigen Stapel zurück.
Wenn 1 oder 2 Spieler mit ihren Limitpunkten 10 erreicht haben, Spieler die anderen Spieler noch genau eine Runde, dann erst endet ein Durchgang. Der Spieler mit den wenigsten Limitpunkten darf eine zusätzliche Verbannung durchführen.
Zudem dürfen sich alle Spieler, die noch unter 10 Limitpunkten liegen Prestigepunkte gutschreiben. Und zwar so viele, wie ihre Differenz zwischen den eigenen und den höchsten Limitpunkten beträgt.
Nach dem dritten Durchgang gibt es eine große Schlusswertung, in der alle Gebiete durchgewertet werden, dann endet das Spiel.
Fazit
„Nicht schon wieder ein Mehrheitenspiel“ werden einige zunächst sagen. Tatsächlich ist das Spiel selbst nach dem Motto: Führe Aktionskarten aus und versuche Mehrheiten zu bekommen – eher Durchschnitt. Den besonderen Kick erlangt das Spiel aber durch das Bilden der verschiedenen Stapel, von denen man stets den schlechtesten selbst zurückbekommt. Der ständige Spagat zwischen guten Aktions- und möglichtst wenig Limitkarten machen San Marco so interessant.
Ein paar Kritikpunkte gibt es aber allemal:
Mir kommt es so vor, als wäre zuerst der sehr gute, fast schon geniale Mechanismus des Kartenverteilens da gewesen und um diesen Mechanismus ein mittelmäßiges Spiel konstruiert worden. Das Spiel ist mit 3 Spielern ausgewogener, als mit 4 Spielern, da immer 2 Spieler dazu neigen „schön“ Zusammenzuspielen, wenn es die Karten zulassen. Bei 3 Spielern sind stets alle Spieler an die Karten einer Runde eingebunden – wer da einen offensichtlich schlechten Stapel formt wird diesen stets selbst ausführen müssen und das Spiel verlieren.
Die Verbannungskarten wurden bei unseren Runden als zu stark empfunden. Die paar Adligen, die man über viele Runden mühsam eingesetzt hat, können durch den Wurf einer 6 auf einen Schlag weg sein.
Ich schlage deshalb vor, bei einer Verbannungskarte nur den halben Würfelwurf (oder einen Würfel zu basteln mit den Werten: 1,2,2,3,3,4) an Adligen zu verbannen. Das schien uns wesentlich besser zu sein und die Angst, die beim Erscheinen einer Verbannungskarte aufkam etwas zu mindern.
Desweiteren gab es ein paar Unklarheiten, was das Regelwerk angeht, die ohne weiteres nicht zu bereinigen waren (Wie gibt ein Spieler, der mit dem Dogen über eine fremde Brücke ziehen will Prestigepunkte ab, wenn er noch keine hat?)...
So bleibt ein Spiel, das trotz einiger Mängel ein großes Maß an Spielspaß bringt und auch „Wenigspieler“ nicht überfordern dürfte. Ein Familienspiel ist San Marco gewiss nicht.
Rezension Bernd Eisenstein
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.