Rezension/Kritik - Online seit 25.04.2013. Dieser Artikel wurde 5330 mal aufgerufen.
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Nassau um 1700: ein tropisches Paradies mit einem geschützten Hafen - der ideale Stützpunkt für die skrupellosesten und berüchtigtsten Piraten der "Spanish Main". Ausgangspunkt für Überfälle auf die nur wenige Seemeilen entfernt verlaufenden Handelsrouten und die reichen Häfen der karibischen Inseln. Schaffst du es, der erfolgreichste Pirat zu werden, bevor die englische Kriegsmarine dem Ganzen ein Ende bereitet?
Ausgestattet mit einer kleinen Sloop, einer Schatzkiste, 3 Kapitänskarten und 3 Würfeln begebt ihr euch auf die erste Kaperfahrt.
Gespielt wird in Spielrunden mit einzelnen Spielphasen bis zum Erscheinen der englischen Wargaleone HMS Victory. Der Spielplan zeigt zum einen den Hafen Nassau mit diversen Möglichkeiten zum Einkaufen von Ausrüstungsgegenständen, zum anderen die drei wichtigsten Handelsrouten mit ihren Häfen und den darauf reisenden Handelsschiffen.
Zu Beginn einer Spielrunde würfeln alle Spieler ihre 3 Würfel und legen diese auf ihr Piratenschiff, ohne dabei die gewürfelten Werte zu verändern. Anschließend nutzen die Spieler reihum einen ihrer Würfel zum Ausführen einer Aktion. Die Augenzahl des gewählten Würfels gibt an, auf welchem Feld der obersten Handelsroute das eigene Piratenschiff eingesetzt werden darf. Wahlweise darf man auch einen beliebigen Würfel nutzen, um sein Piratenschiff in die erste Passage zwischen den Handelsrouten einzusetzen.
Wenn sich auf dem Feld ein Handelsschiff befindet, kann man dieses kapern. Man spielt eine Kapitänskarte aus und zählt die darauf angegebenen Segel und Kanonen zu den Grundwerten seines Piratenschiffes. Das Kapern gelingt, sofern sowohl die Summe der Segel als auch die Summe der Kanonen größer ist als die des Handelsschiffes. Die erbeuteten Waren und evtl. Geiseln lagert man in seinem Laderaum. Falls sich auf dem Feld ein Hafen befindet, kann man dort eine der angegebenen Warensorten erhalten und Geiseln gegen Lösegeld freilassen oder den Hafen angreifen und zerstören. Hierzu muss die Summe der eigenen Kanonen größer als die des Hafens sein. Als Beute erhält man Geld und 10 Punkte auf der Ruchlosigkeitsskala. Der zerstörte Hafen kann im weiteren Spielverlauf nicht mehr von den Spielern genutzt werden.
Der zweite und dritte Würfel werden immer in Addition oder Subtraktion zum aktuellen Feld eingesetzt. Das heißt: Stehe ich auf Feld 12, kann ich mit einer 4 das Feld 8 oder 16 erreichen. Wie zu Beginn darf ich aber auch wahlweise mit einer beliebigen Augenzahl auf eine der angrenzenden Passagen setzen und mit dem nächsten Würfel von dort weitersegeln.
Wenn alle Spieler ihre 3 Aktionen abgeschlossen haben, wird der aktuelle Wert der Ruchlosigkeit ausgewertet. Beginnend mit dem derzeit ruchlosesten Spieler zählt man die Summe der Segel und Kanonen der in dieser Runde erbeuteten Schiffe sowie 10 Punkte für jeden zerstörten Hafen. Wer anschließend die wenigsten Punkte hat, darf zuerst nach Nassau zurücksegeln. Er sucht sich dabei eine der ausliegenden Kriegsmarinekarten aus und muss hier ebenfalls mit Hilfe seiner letzten Kapitänskarte mehr Segel und Kanonen wie der Gegner haben, um unbeschadet nach Nassau segeln zu können. Hat man weder mehr Segel noch Kanonen, verliert man die Hälfte seiner Beute und seiner Ruchlosigkeit, schafft man nur eine Kategorie nicht, darf man wählen, was man abgibt: Beute oder Ruchlosigkeit.
Haben alle Spieler Nassau erreicht, kann - beginnend mit dem ruchlosesten Spieler - reihum jeder Ausrüstungsgegenstände erwerben, um sein Schiff auszubauen oder seine Mannschaft zu verstärken. Wenn alle Spieler gepasst haben, darf jeder noch Geld in seine Schatztruhe werfen.
Als Erstes werden die neuen Kriegsschiffe für die nächste Runde aufgedeckt; sollte hier die HMS Victory auftauchen, endet das Spiel sofort. Ist dies nicht der Fall, wird der Markt mit neuen Ausrüstungsgegenständen bestückt, die noch auf dem Spielplan vorhandenen Handelsschiffe segeln in die nächste Reihe und die noch unbesetzten Plätze werden mit Handelsschiffen aus dem Vorrat aufgefüllt. Es wird gewürfelt und es segelt der am wenigsten ruchlose Spieler zuerst in die nächste Runde.
Sollte das Spiel enden, erfolgt die Schlusswertung in 4 Kategorien, in denen jeweils 7, 5, 3, 1 Punkte vergeben werden. Es werden Ruchlosigkeit, Mannschaft, Schiff und Geld ausgewertet. Der Spieler mit den meisten Siegpunkten gewinnt.
„Endlich mal ein Piratenspiel, bei dem ich auch Pirat sein darf!“ Das war mein erster Eindruck von Pirates of Nassau auf der Spiel 2011. Es geht in erster Linie darum, ruchlos zu sein, Schiffe zu kapern, Geiseln zu nehmen und Häfen zu zerstören. Falls mal zu wenig Platz im Laderaum ist, bekomme ich sogar Punkte, wenn ich eine Geisel über die Planke schicke. „Wie unmoralisch!“ wird jetzt der eine oder andere denken, aber mir persönlich gefällt es. Pirates of Nassau lässt den Kindheitstraum des Piraten, der ausfährt, um fette Beute zu machen und immer wieder in sein Piratennest zurückkehrt, am Spielbrett wieder aufleben.
Vor dem Abenteuer steht auch hier mal wieder eine Spielregel. Auf 12 gut illustrierten Seiten, einer 2-seitigen Übersicht der Spielmarken zur Aufrüstung des Schiffes und zum Anheuern von Besatzung sowie einer Übersicht des Spielrundenablaufs erklärt sie gut strukturiert und mit vielen ausführlich bebilderten Beispielen das Spielmaterial, den Spielaufbau und den Spielablauf. Hin und wieder stolpert man über die eine oder andere nicht ganz eindeutige Formulierung, welche sich aber schnell mit der beiliegenden englischen Regel klären lässt. Hier hat der Kleinverlag Gung Ho Games bei seinem Erstlingswerk gute Arbeit abgeliefert, die niemanden vor eine allzu große Hürde stellen sollte.
Das Spielmaterial - bestehend aus viel Holz, dicker Pappe und soliden Karten - lässt nur bei den Schatztruhen und den doch sehr zerbrechlichen Pappaufstellern der Geiseln zu wünschen übrig. Der ein oder andere grobmotorisch veranlagte Mitspieler hatte auch mit der geringen Größe der Achterstücke (Geld) zu kämpfen. Aber alles ist liebevoll bis ins Detail illustriert und lässt das Flair der alten Piratenfilme aufleben. Vor allem die kleinen Holzschiffe und die sehr schön gezeichneten Kapitänskarten wurden von allen Spielern immer wieder bewundert.
Kommen wir zum Spielablauf. Nach der ersten vollständig gespielten Spielrunde dürfte jeder Mitspieler das Spiel verstanden haben und kann sich nun ganz auf seine Piratenkarriere konzentrieren. Gespielt werden 4 bis 6 Spielrunden, die zwar immer gleich ablaufen, aber auch immer spannender werden, je mehr die Spieler es verstehen, die taktischen Möglichkeiten des Beute machen und des Behindern der anderen Spieler in Einklang zu bringen. Natürlich stellen die Würfel hier einen Glücksfaktor dar, aber es bleibt eigentlich immer eine sinnvolle Zugmöglichkeit bestehen, zumal sich durch die im Spielverlauf erhältlichen Bonusmarker das Würfelergebnis noch beeinflussen lässt.
Man sollte immer genau im Auge behalten, welche Zugmöglichkeiten die Gegenspieler mit ihren Würfeln haben und welche Kapitänskarten sie schon ausgespielt haben. Hier das richtige Timing zu finden und dem Gegner immer einen Schritt voraus zu sein, ist der Schlüssel zum Erfolg. Die Festlegung der Spielreihenfolge über die aktuelle Ruchlosigkeit, mal aufsteigend in der Segelreihenfolge und mal absteigend beim Kaufen von Ausrüstungsgegenständen, führt hier zu dem ein oder anderem Dilemma. Wenn ich als Erster einkaufen will, muss ich der ruchloseste Pirat sein, was aber auch zur Folge hat, dass ich immer gegen das stärkste ausliegende englische Kriegsschiff kämpfen muss. Hier kann es dann schon mal vorkommen, dass man zwar während einer Runde fette Beute gemacht hat, diese aber nur zur Hälfte nach Nassau zurückbringen kann.
Ein weiteres taktisches Element ist die Auswertung der Ruchlosigkeit vor der Rückkehr nach Nassau. Hier werden in absteigender Reihenfolge die Punkte für die Ruchlosigkeit gesetzt. Kommt dabei ein Spieler auf ein Feld, auf dem schon ein anderer Pirat steht, darf er sich entscheiden, ob er sich vor oder hinter diesen stellt und somit auch direkten Einfluss auf die Segelreihenfolge bei der Rückkehr nach Nassau nimmt. Hier hat der eine oder andere Mitspieler schon mal eine böse Überraschung erlebt, da er sich plötzlich einem übermächtigen englischen Kriegsschiff gegenüber sah. Gut kam in allen Spielrunden an, dass man niemals mit leeren Händen nach einer Runde da stand, weil man als Strafe immer nur die Hälfte seiner Beute abgeben musste. Auch beim Kaufen von Ausrüstung gilt es, sich vorher einen Überblick zu verschaffen, wer welche Möglichkeiten hat, um am Ende auch das zu bekommen, was man haben möchte.
Da 3 der 4 Wertungskategorien (nur das Geld in der Schatztruhe ist verdeckt) immer offen für jeden sichtbar sind, ist taktisches Spielen und Reagieren auf die Möglichkeiten der Gegner jederzeit möglich.
Das Spiel gestaltet sich bis zum Ende offen und hat - weil das Spielende mitunter überraschend schnell kommen kann - noch ein zu lösendes Dilemma am Schluss. Da das Einkaufen vor dem Aufdecken der neuen Kriegsschiffe stattfindet, muss man sich ab Ende der 4. Runde immer entscheiden, alles einzusetzen oder auf eine weitere Runde zu hoffen. Gerade beim Ausbau des Schiffes zu einer Galeone kann man hier ein Spiel verlieren oder gewinnen.
Die Spieldauer ist mit 90 – 150 Minuten angegeben. Wir haben nur in den ersten Partien eine Spieldauer von 120 Minuten erreicht. Wenn alle Spieler das Spiel schon kennen, dauert eine Partie selten länger als 90 Minuten. Mit der angegebenen Altersangabe von 10+ Jahren bin ich voll einverstanden, obwohl aufgrund der Spieldauer wohl 12+ Jahre auch angemessen gewesen wäre.
Wie zu Anfang schon gesagt: „Endlich mal ein Piratenspiel, bei dem ich auch Pirat sein darf!“ Durch das stimmungsvolle Spielmaterial und dem Fokus auf die Piraterie entsteht eine für mich tolle Spielatmosphäre, die in unseren Spielrunden oft zu viel Schadenfreude und bösem Gelächter am Spieltisch geführt hat. Mit Pirates of Nassau erhält man ein echtes Piratenspiel, das sowohl Gelegenheits- als auch Vielspieler gleichermaßen begeistern dürfte.
„Also setzt die Segel und wetzt die Messer für eure Kaperfahrt!“
Rezension Andreas Molter
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.
H@LL9000 Wertung Pirates of Nassau: 4,3, 3 Bewertung(en)
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
19.11.11 von Andreas Molter - Endlich mal ein Piratenspiel bei dem man wirklich Pirat sein darf! |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
21.11.12 von Michael Andersch - Im Grunde ein ganz gutes Spiel mit gängigem und auch gut umgesetztem Thema. Sowohl den Ausbau des Schiffes als insbesondere auch den Bewegungsmechanismus auf dem Plan finde ich sehr gut gemacht! Warum dann nur 3 Punkte? Zum einen dauert das Spiel relativ lange vor dem Hintergrund dessen, dass man jede Runde das gleiche macht: Losfahren, durch Kapern/Schmuggeln/Erobern Rohstoffe organisieren, hoffentlich nicht von den Engländern besiegt werde, Rohstoffe verkaufen und Schiff ausbauen. Alles ist rund und flüssig, aber es "entsteht" nichts abgesehen davon, dass das eigene Schiff größer wird. Für ein Spiel mit einer Dauer von ca. 2h ist mir da zu wenig Strategie drin. Obwohl es, wie gesagt, grundsätzlich ein mindestens ordentliches Spiel ist! Noch ein Hinweis: Ein vergleichender Blick in die englische Regel schadet hin und wieder nicht. Z.B. bzgl. den Auswertungen der Kämpfe mit den Engländern... |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
24.04.13 von Regina Molter |
Leserwertung Pirates of Nassau: 4.8, 4 Bewertung(en)
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
18.04.12 von Martin Schipper - " Böses " Spiel |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
01.05.12 von W.Heidenheim - Jedes Spiel läuft anders, ob zu viert oder zu fünft. Es bleibt sehr böse. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
17.09.12 von Heinz Tenk - Ärgerfaktor kann hoch sein. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
17.06.13 von René - Ich liebe Piratenspiele. Und dieses hier ist erfrischend anders. Der Würfelmotor, das "Über-die-Planken", das Ausrüsten der Schiffe. Was bei "Korsaren der Karibik" (bzw. Merchants and Marauders) teilweise zu komplex rüberkommt (die Details kann man sich keine 6 Wochen merken) funktioniert hier sehr gut. Abstriche für das Spielmaterial (Bitte bzgl. der Dublonen NICHT tief einatmen, die Schatztruhen sind, äh, verbesserungswürdig und für das Erstspiel war ein Cuttermesser sehr hilfreich. Ach ja: Auf jeden Fall die englische Regel benutzen. Die deutsche ist in wichtigen Detailfragen unrichtig!) |