Spielerei-Rezension
Dampfbetriebene Bots machen Schmutz
Manchmal verlangen die Spieleverlage einem schon ein wenig Arbeit ab, bevor man sich dem Spielspaß widmen kann. Das normale Ausploppen kennt man ja, aber wenn man ein Spiel wie Steam Park vor sich hat, dann muss man sicherlich eine gute halbe Stunde für den Zusammenbau von 18 Jahrmarktsattraktionen und 20 Ständen investieren. Dafür hat man dann aber auch eine Sammlung wirklich schön gemachter 3D-Spielelemente vor sich auf dem Tisch stehen, die trotz gegenteiliger Befürchtungen allesamt Platz in der Spieleschachtel finden.
Zugegebenermaßen waren diese schön anzusehenden Elemente sowie der Steampunk-Anteil des Spiels die Punkte, die mich zunächst dazu gebracht haben, Steam Park näher zu betrachten, aber so viel kann ich vorweg schicken, das Spiel lohnt nicht nur deswegen.
Jeder Spieler übernimmt einen Vergnügungspark für Arbeitsroboter in einem Steampunk-Universum. Dazu baut jeder Teilnehmer auf einem eigenen Spielplan Attraktionen und Stände auf, lockt damit Besucher an und versucht gleichzeitig, ein totales Verdrecken seines Parks zu verhindern.
Spielerisch wird dieses Vorhaben in vier Phasen unterteilt.
Am Anfang würfeln alle Spieler gleichzeitig mit jeweils sechs Würfeln, die verschiedene Symbole zeigen. Wer ein Symbol erwürfelt, das er später benutzen will, legt dieses auf sein „Schwein“ (ein großes Pappplättchen in entsprechender Form) und würfelt mit den anderen Sechsseitern weiter. Wer zuerst alle Würfel auf sein Schwein gelegt hat, greift schnell nach dem ersten Reihenfolgemarker, bevor ein anderer Spieler dies tut. Es wird solange weiter gewürfelt, bis nur noch der letzte Reihenfolgemarker übrig bleibt. Der letzte Spieler hat nun noch maximal drei Würfe, dann muss auch er alle Würfel auf sein Schwein legen.
In der nächsten Phase bekommt jeder Spieler Schmutzmarker. Bestimmte Aktionssymbole (z. B. zum Bauen von Attraktionen und Ständen) bringen jeweils einen Schmutzmarker. Auch Besucher im Park sorgen für Schmutz im Park. Die ersten beiden Reihenfolgemarker erlauben es dem jeweiligen Spieler jedoch, vier bzw. zwei Schmutzmarker wieder zu entfernen, der letzte Reihenfolgemarker verschafft dem lahmen Würfler jedoch noch zwei zusätzliche Schmutzmarker. Strafe muss sein!
In der nun folgenden Aktionsphase setzen die Spieler in der Reihenfolge ihrer Marker die erwürfelten Symbole ein, um damit Aktionen durchzuführen.
Eine wichtige Aktion ist natürlich das Bauen von Attraktionen; diese kosten 1 - 3 Bau-Symbole und können ebenso viele Besucher unterhalten. Stände zu bauen kostet immer ein Stand-Symbol; ein Stand gibt dem Spieler Vorteile bei anderen Aktionen oder verleiht ihm bestimmte Sonderfähigkeiten.
Als Besucher dienen kleine Holzfiguren in sechs Farben. Vor Beginn des Spiels wird von jeder Farbe ein Männchen in einen schwarzen Stoffsack platziert. Will ein Spieler einen Besucher anlocken, so muss er ein entsprechendes Würfelsymbol einsetzen, um eine der Figuren aus dem Sack ziehen. Um seine Chancen zu verbessern, darf er vorher ein weiteres Männchen der gewünschten Farbe in den Sack legen. Einen gezogenen Besucher kann er auf eine Attraktion gleicher Farbe setzen. Hat er jedoch keine passende Attraktion, wandert die Figur zurück in den für alle sichtbaren Vorrat. Anhand dieses Vorrats kann man also immer feststellen, welche Farben sich aktuell im Sack befinden, kann sich aber trotzdem nie sicher sein, welche man ziehen wird.
Ansonsten kann man mit einem Besen-Symbol angesammelten Schmutz loswerden oder über ein anderes Symbol eine von drei Bonuskarten ausspielen, die jeder Spieler auf der Hand hält und die in Abhängigkeit von der jeweiligen Spielsituation verschieden hohe Geldbeträge bringen (zum Beispiel je nach Anzahl der gewürfelten Bau-Symbole).
Jedes der gewürfelten Symbole (außer der leeren Würfelseite) kann man außerdem einsetzen, um den eigenen Park um vier zusätzliche Felder zu vergrößern und so neuen Bauplatz zu schaffen.
Wenn alle Aktionen abgearbeitet sind, erhält man noch Geld für eventuelle Besucher im Park und ersetzt ausgespielte Bonuskarten.
Nach sechs Runden endet das Spiel. Jeder Parkleiter muss nun seinen Park reinigen, also eventuell vorhandene Schmutzmarker mit Geld entfernen lassen. Wer danach das meiste Geld erwirtschaftet hat, gewinnt das Spiel.
Steam Park ist ein Spiel, bei dem die einzelnen Elemente sehr harmonisch ineinander greifen. Trotz der Vielzahl an Möglichkeiten ist das Spielprinzip jedoch schnell zu erfassen. Selbst erklärte Gegner von Speed-Spielen konnten sich zudem mit dem Schnellwürfel-Mechanismus in der ersten Phase der Runde anfreunden, und die Komplexität des Spiels dürfte auch eine einigermaßen versierte Spieler-Familie nicht überfordern.
Durch die Nutzung der Würfel haben die Spieler immer einen Überblick über die eigenen Aktionsmöglichkeiten, und trotzdem sind reichlich Entscheidungen zu treffen. Begnügt man sich mich mit dem, was man bis jetzt erwürfelt hat, um als Erster fertig zu sein? Baut man erst noch weitere Attraktionen, um seine Chancen zu erhöhen, oder versucht man sich jetzt beim Anlocken eines Besuchers? Wie viel Schmutz kann man sich überhaupt noch erlauben? Bei einer Länge von gerade mal sechs Runden kommt man schnell an den Punkt, wo man auch schmerzhafte Entscheidungen treffen muss. Im richtigen Moment den Besucher mit der gewünschten Farbe aus dem Sack zu ziehen, ist trotz aller Wahrscheinlichkeiten nicht immer einfach. Und durch den Würfelmechanismus und die begrenzten Ressourcen findet eine ständige Interaktion zwischen den Spielern statt.
Positiv fällt darüber hinaus die sauber strukturierte Regel auf, die in einfachen und klaren Worten das Spielprinzip nahebringt, dabei aber auch immer wieder mit launigen Kommentaren unterhält. Auch das Spielmaterial genügt hohen Ansprüchen, wenn man auch beim Zusammenbau der Attraktionen nicht zu sehr in die falsche Richtung drücken sollte, um die faltbaren Pappteile nicht zu sehr zu knicken. Wenn aber selbst ein anerkannter Grobmotoriker wie ich das hinkriegt, sollte es für normal gestaltete Finger erst recht kein Problem darstellen.
Steam Park gefällt durch seine interessante Spielidee, die ausgezeichnete grafische Gestaltung und die wunderbar ineinander greifenden Regelelemente.
Das Hintergrund-Element Steampunk wirkt ein wenig aufgezwungen, um eine interessante Spielgrafik zu bekommen (vom Spiel her müssten die Besucher des Parks keine Roboter sein, sondern könnten auch ebenso gut normale Menschen sein), aber das bedeutet in diesem Fall sicherlich Jammern auf hohem Niveau.
Rezension Ralf Sandfuchs
In Kooperation mit der Spielezeitschrift