Spielziel
Bekanntlich ist es (fast) immer kalt im hohen Norden, der Winter dauert sechs Monate und so hat man viel Zeit, die langen Zugstrecken durch Skandinavien ausgiebig zu testen. Der geringen Bevölkerungsdichte entsprechend ist Zug um Zug Skandinavien dabei wieder speziell nur für zwei und drei Spieler konzipiert, im Gegensatz zur Schweiz-Erweiterung aber ein eigenständiges Spiel mit allem benötigten Spielmaterial. Und so machen wir uns jetzt mal auf, zu sehen, wohin die Reise führt.
Ablauf
Auch in dieser Zug-um-Zug-Variante wird das bekannte Spielprinzip des Originalspiels nur minimal variiert, weswegen ich den normalen Spielablauf als bekannt voraussetze und hier ausschließlich auf die Besonderheiten eingehe.
Der gerade jüngste Spielespross der Zug-um-Zug-Familie orientiert sich ähnlich wie die Schweiz-Erweiterung stark am Grundspiel, aus der Europaversion wurden lediglich die Tunnel übernommen. Es gibt keine Bahnhöfe, keine Passagiere und auch keine Aufteilung der Streckenkarten in kurze und lange Strecken.
Die einzigen zwei Besonderheiten sind zum einen die Beschränkung auf zwei oder drei Spieler, zum anderen die Verwendung der Lokomotiven, die ausschließlich für Tunnelstrecken und Fähren verwendet werden dürfen. Dafür darf man beim Kartenziehen Lokomotiven wie Waggonkarten aus der Auslage nehmen, auch zwei in einem Zug.
Neu gibt es dann zum ersten Mal eine 9er-Strecke, die 27 Punkte bringt, und statt den Bonuspunkten für die längste Strecke gibt es am Spielende 10 Bonuspunkte für den Spieler, der die meisten Zielkarten erfüllt hat.
Fazit
Ich habe es schon bei der Rezension zu Zug um Zug Schweiz zugegeben: Wir spielen gerne Zug um Zug, und meistens zu zweit. Also haben wir mit der Skandinavien-Version noch mal einen Versuch unternommen, ob sich eine 2er- bzw. 3er-Spielerversion lohnt. Unsere glasklare, objektive und fundierte Meinung dazu: Jein.
Relevante Änderungen im Spielablauf oder Spielgefühl gibt es eigentlich nicht, trotzdem macht Skandinavien einiges richtig, was mir in der Schweiz-Version (die ich übrigens ständig erwähne, da sie auch speziell für 2 oder 3 Spieler ist) weniger gefallen hat: Als Erstes ist Skandinavien auch schon zu zweit wirklich eng. Die Strecken verlaufen mehrheitlich in Nord-Süd-Richtung mit gefühlt eher wenig Ost-West Verbindungen. Der bevorzugte Streckenbau verläuft daher meist in der Spielplanmitte von oben nach unten, und dort kommt man sich fast zwangsläufig ins Gehege, was einen immer wieder zu langwierigen Umwegen zwingt. Die Beschränkung der Joker auf Tunnel- und Fährstrecken macht den Streckenbau etwas schwieriger, da es weniger bringt, wahllos verdecke Waggonkarten zu sammeln, sondern man gezwungen ist, gezielt die benötigten Farben zu sammeln. Im Spiel kann dies allerdings auch mal zu einem ärgerlichen Handikap werden, besonders gegen Spielende, wenn eine bestimmte Farbe einfach nicht kommt.
Die lange 9er-Strecke hoch im Norden ist punktetechnisch sehr stark, und da die Joker leichter aus der Auslage genommen werden können, ist der Bau dieser Strecke weniger schwer als zunächst erwartet. Anderseits aber immer noch schwierig genug und von der Lage her meist weniger interessant, so dass wir zumindest in unseren Spielen nie das Gefühl hatten, durch diese Strecke würde das Spiel schon entschieden.
Insgesamt ist ZuZ-Skandinavien also wieder ein guter, vollwertiger Vertreter der Zug-um-Zug-Familie, ohne besonderen Schwächen. So ganz überzeugen konnte es mich aber trotzdem nicht. Das liegt zum einen daran, dass ich spannende Varianten wie die Passagiere (Märklin Edition) vermisse. Auch die Aufteilung der Streckenkarten in lange und kurze Strecken (Europa und Märklin) hat mir sehr eingeleuchtet und ich konnte nicht ganz nachvollziehen, warum dies hier wieder weggelassen wurde. Und schließlich funktionieren gerade Märklin und Europa auch schon gut zu zweit, so dass es sich mir nicht ganz erschließt, wozu ich eine Version brauche, die mich in der Spielerzahl einschränkt, ohne einen deutlichen Mehrwert zu bieten. Wer allerdings sehr viel Zug um Zug spielt, und die Abwechslung einer neuen Karte wünscht, dem kann ich Skandinavien empfehlen. Auf meiner persönlichen ZuZ-Favoritenliste reiht sich Skandinavien damit auf Platz drei ein, hinter Europa und der bemerkenswerten Märklin-Edition.
Das Spielmaterial ist wie bei allen Versionen hochwertig und schön gestaltet (außer man mag keine lila Waggons), die Spielregel ist ebenfalls wie immer kurz, gut verständlich und vollständig.
Rezension Michael Timpe
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.