Spielziel
Im England des 16. Jahrhunderts regiert Elisabeth I. ohne Nachkommen, weshalb die Thronfolge umstritten ist. Die Spieler schlüpfen in die Rolle von Adeligen und versuchen Einfluss, Ansehen und die Gunst der Königin zu erlangen. Die Vergrößerung von Ländereien gehört hier ebenso dazu wie das Wetteifern um Adelstitel, sei es durch Bestechung oder das Ausnutzen von Skandalen.
Ablauf
Zu Beginn besitzt jeder Spieler lediglich eine einzige Burg, ein wenig Land und etwas Bargeld. Drei Dekaden lang kämpfen die Spieler darum, Prestige und Macht zu vermehren, um am Ende zu gewinnen. Ein Spielzug besteht aus genau einer einzigen Aktion. Beispielsweise kann man zum Erweitern seines Landbesitzes
Landschaftsplättchen ausspielen
Davon gibt es verschiedene Sorten. Jedes gelegte Baumplättchen bringt weitere Landschaftsplättchen in den eigenen Vorrat, jeder Acker bringt Geld ein und Brunnen dienen erst einmal nur dem schönen Anblick. Mit Ausnahme der Wiesen bringen alle drei Geländearten einen Bonus, wenn man vier von ihnen zu einem Quadrat legt. Es gibt dann mehr Geld bzw. Landschaftskärtchen und die Brunnen werden zu einem Garten. Letzteres findet die Königin dermaßen toll, dass sie sich sofort zum Anwesen dieses Spielers begibt. Wiesen sind die einzige Landschaftsart, auf der man
Gebäude errichten
darf. Zur Auswahl stehen Burgen, Kapellen, Paläste und Zierbauten. Letztere bringen (zumindest für den Ersten, der sie errichtet) viele Siegpunkte, allerdings darf man sie erst bauen, wenn man bestimmte Voraussetzungen erfüllt hat. Kapellen dienen dem Nachschub an Skandalkarten und werten außerdem Burgen und Paläste auf. Burgen bringen Ritter ein, die man auf den Ländereien eines Mitspielers einsetzen darf, der einem dann Geld oder Landschaftskärtchen bezahlen muss. Oder im Falle eines Gartens die Königin geben muss, falls er im Besitz derselben ist. Aus Burgen können Paläste gemacht werden, welche nicht nur das Prestige erhöhen, sondern auch mehr Siegpunkte bringen. Des Weiteren kann man die
Königsfamilie bestechen,
indem man bis zu fünf Bestechungsmarker kauft, für die man jeweils einen Siegpunkt erhält und die man später im Spiel zum Verbessern gewisser Aktionen einsetzen kann.
Steuern eintreiben bzw. Land gewinnen
kann man einmal pro Dekade. Dazu spielt man den entsprechenden Marker aus und erhält Geld bzw. Landschaftsplättchen entsprechend der Anzahl eigener Landschaften bzw. fremder, wenn sie mit einem eigenen Ritter besetzt sind. Auch die Kirche spielte zur damaligen Zeit eine bedeutende Rolle. Deshalb kann man ihr
Landschaftsplättchen stiften
und erhält dafür jeweils einen Siegpunkt. Außerdem darf man sich auch dem
Müßiggang
hingeben, also aussetzen. Aber ein Faulpelz hat's zu damaligen Zeiten vermutlich genauso weit gebracht wie heute - im Normalfall wurde aus ihm nichts.
Eine besondere Rolle hat die Königin inne. Sie sorgt nämlich für das Fortschreiten des Rundenzählers. Der Spieler, der sie im Moment beherbergt, erhält am Ende seines Zuges einen Siegpunkt und rückt den Rundenzähler ein Feld weiter. Erreicht die Königin dabei ein Maskenballfeld, ist er außerdem der Erste, der seine Prestigepunkte ermitteln und auf der entsprechenden Leiste festhalten darf. Gemäß dem erreichten Ansehen werden den Spielern Adelstitel verliehen, was ihnen nicht nur Siegpunkte beschert, sondern bei höheren Titeln auch Preisnachlässe beim Gebäudebau verschafft.
Am Ende jeder Dekade gibt es Siegpunkte für Burgen und Schlösser, jedoch erhält man diese nur, wenn die Gebäude komplett von Landschaftsplättchen umringt sind, ansonsten geht man leer aus. Benachbarte Kapellen erhöhen dabei die Wertigkeit der Burgen und Schlösser. Nach drei Dekaden endet eine Partie Noblemen. Zu den während des Spiels erworbenen Siegpunkten können eventuell noch bis dahin verdeckt gehaltene in Form von Skandalkarten kommen.
Fazit
Nicht nur durch die Errichtung von Kapellen werden diese Skandalkarten gesammelt, sondern auch zu Beginn jeder Epoche gibt es für jeden Spieler eine dieser unterschiedlich starken Karten. Diese ungleiche Gewichtung ist einer der wenigen Kritikpunkte an dem Spiel. Während manche Karten wirklich sehr mächtig sind, kann man mit einigen wenigen nicht allzu viel oder zumindest nicht zu jedem Zeitpunkt viel anfangen. Zwar sieht die Regel vor, dass man im Falle eines Kartennachschubs immer drei ziehen darf, von denen man eine auswählt, was das Glück um einiges reduziert, trotzdem hat der eine oder andere Spieler manchmal das Pech, drei Karten zu ziehen, die ihm nicht sonderlich hilfreich sind. Grundsätzlich sorgen manche der Karten für Siegpunkte, die meisten aber für zusätzliche Ressourcen in den verschiedensten Formen. Besonders stark ist jene Skandalkarte, bei deren Ausspielen man alle drei neu gezogenen Skandalkarten behalten darf. Hat man hier das Glück, wirklich zwei bis drei gute auf einmal erwischt zu haben, ist diese Karte Gold wert. Immerhin darf man aber jede Skandalkarte alternativ auch dazu nutzen, beim Maskenball auf der Prestigeleiste ein Feld weiter vorzurücken. Das kann im Falle eines Gleichstands einiges wert sein.
In Noblemen baut man an seiner eigenen Landschaft, was nur dann Interaktion ins Spiel bringt, wenn man einen eigenen Ritter auf die Ländereien eines Mitspielers setzt, ansonsten macht jeder sein eigenes Ding. Beim Gebäudebau wurde von einigen Spielern kritisiert, dass man - hat man erst einmal die optimale Platzierung von Kapellen, Schlössern und Burgen zueinander gefunden - immer wieder gleich baut, so dass es in diesem Segment auf Dauer an Abwechslung fehlt.
Interaktion und damit Abwechslung gibt es dagegen bei anderen Aktionen des Spiels. So ist der Bau eines Gebäudes immer dann am billigsten, wenn man einer der Ersten ist, der den jeweiligen Gebäudetyp errichtet. Oder man schnappt einem Mitspieler das letzte Bauwerk dieser Art überhaupt ganz vor der Nase weg, denn alle Gebäude sind - abhängig von der Spielerzahl - nur in begrenzter Menge vorhanden. Auch Kirchenspenden kann man nicht unendlich tätigen, denn von jeder Landschaftsart nimmt die Kirche nur drei Plättchen an. So kann es also passieren, dass man wegen der Spenden der Mitspieler eigene Plättchen nicht in Siegpunkte umwandeln kann. Wie im wahren Leben ist der Drang zum Spenden aber auch hier nicht übermächtig. Meistens verbaut man die Landschaftsplättchen lieber in seinen eigenen Ländereien, denn damit Burgen und Schlösser am Ende viele Siegpunkte bringen, müssen sie ringsum von anderen Landschaften umgeben ein, sonst war die ganze Mühe umsonst.
Der direkte Vergleich mit den Mitspielern kommt sechsmal im Spiel immer dann, wenn es einen Maskenball gibt. Dann wird überprüft, wer am meisten Prestige sammeln konnte, sei es durch Burgen- oder Schlösserbau, durch Skandalkarten oder durch den Bau von Gärten bzw. Brunnen sowie dort platzierte Ritter. Hier hat der Inhaber der Königin zwar einerseits den Vorteil, dass er zuerst seine Punkte ermittelt, was bei Gleichständen immer dazu führt, dass Späterkommende automatisch ein Feld nach hinten rücken. Andererseits kann man aber auch nicht mehr auf die Mitspieler durch das Ausspielen von Skandalkarten oder Bestechungsmarker reagieren, wodurch es passieren kann, dass die anderen weiter kommen oder dass man unnötig viele dieser zusätzlichen Mittel eingesetzt hat. Gute Plätze auf der Prestigeleiste bringen nicht nur Siegpunkte, sondern verbilligen auch den Kauf weiterer Gebäude (sofern man beim Kaufen daran denkt, was oft genug nicht der Fall ist).
Der Maskenball ist außerdem ein Spielelement von Noblemen, das anfangs sehr gewöhnungsbedürftig ist. Zwar besteht das Spiel aus einer festgelegten Anzahl von Runden und Epochen, aber die Runden sind nicht so angelegt, dass zwingend jeder Mitspieler einmal am Zug ist. Der Rundenzähler rückt immer dann ein Feld weiter, wenn der Inhaber der Königin seinen Zug beendet hat. Wenn dieser Spieler gerade eben erst in den Besitz der Königin gelangt ist und sie zuvor bei dessen Vordermann zu Besuch war, so ist die Runde sehr kurz. Obwohl keine Spieler übersprungen werden, kann man trotzdem schlecht vorausplanen, wie oft man bis zum nächsten Maskenball noch einmal am Zug sein wird. Während viele das in der ersten Partie noch stört, sorgt diese Besonderheit des Spiels später dafür, dass es immer wieder interessant bleibt, ist man doch oft genug dem Nervenkitzel ausgesetzt, ob man denn vor dem nächsten Maskenball noch einmal zum Zug kommt oder nicht.
Die Ausstattung von Noblemen kann man - passend zum Thema - wahrlich als prächtig bezeichnen. Neben dem wunderschön gestalteten Spielplan sowie dem vielen Holzmaterial in den unterschiedlichen Gebäudeformen überzeugen vor allem auch die Adligen-Sichtschirme, deren Köpfe man je nach erworbenem Titel austauscht. Auch ist die Übersicht zu den einzelnen Aktionen auf deren Innenseite wirklich vorzüglich gelungen und lässt keine Fragen offen. Lediglich bei den Landschaftsplättchen teilen sich die Meinungen, denn auf manche Spieler wirken sie im Vergleich zum Spielplan recht nüchtern. Ein Lob verdient auch die sehr übersichtliche Spielregel, die keine Fragen offen lässt.
Noblemen ist ein Spiel, das in allen Besetzungen gut funktioniert, allerdings wird das Ringen um die besten Titel umso heftiger, je mehr Spieler mitmachen, denn eine Anpassung an die Spielerzahl findet hier - anders als bei der Anzahl der Gebäude - nicht statt. Im Gegensatz zu vielen anderen Spielen empfindet man aber auch Partien zu fünft als sehr kurzweilig, denn jeder hat genau eine Aktion, wenn er am Zug ist. Trotzdem können Partien zu fünft durchaus 90 bis 120 Minuten dauern, die man meistens als kürzer empfindet.
Verschiedene Wege können zum Sieg führen, sofern man dabei zwei Dinge berücksichtigt: Erstens muss man auf sein Prestige achten, wobei dies aber nicht zwingend in der ersten Epoche erforderlich ist; spätestens ab der zweiten sollte man sich spätestens darum kümmern. Zweitens ist es wichtig, von Anfang an die Basis für die Gebäudewertung zu schaffen. Baut man erst in der dritten Epoche eine zweite Burg, so wird man es nicht mehr schaffen, diese bis zum Spielende mit Landschaftsplättchen einzuschließen und geht punktemäßig leer aus. Wenn die Mitspieler fleißig gebaut haben und am Ende zwei Schlösser und eine Burg sowie einige gut platzierte Kapellen vorweisen können, bringt sie das auf der Siegpunktleiste ein gutes Stück vorwärts.
Das Glück spielt nicht nur beim Ziehen der Skandalkarten eine Rolle, auch beim Nachziehen der Landschaftsplättchen hat Fortuna ihre Finger im Spiel. Allerdings ist man ihr hier nicht ganz und gar ausgeliefert, denn man darf jederzeit gezielt 2 : 1 mit dem Beutel tauschen.
Insgesamt gefällt mir Noblemen sehr gut. Es eignet sich nicht nur für Vielspieler, sondern auch Gelegenheitsspieler können daran ihre Freude haben, sofern sie sich für die erste Partie viel Zeit nehmen oder von jemandem unterstützt werden.
Rezension Sandra Lemberger
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.