Spielziel
Le Havre - Der Binnenhafen, nach meiner Meinung müsste es eher „Der Lagerverwalter“ oder Le Havre „Hafenarbeiter“ heißen, ein Binnenhafen kommt zumindest auch thematisch nicht vor. Aber thematisch war das Spiel offenbar auch nicht so überzeugend, und so kann man diese Rezension schon fast als Nachruf auf ein Spiel verstehen, dem trotz toller Ideen leider kein langes Spielleben vergönnt war, was schade ist, weil es sonst sicher noch eine Erweiterung gegeben hätte, und diese hätte vielleicht wiederum der spielerischen Lebensdauer gut getan.
Ablauf
Für das Spiel erhalten beide Spieler eine, ich will sie mal Spieluhr nennen, die die Runden zählt und gleichzeitig die Ressourcen managt. Diese beiden Uhren sind in jeweils 6 Segmente unterteilt, die nacheinander durchbuchstabiert sind, so dass insgesamt 12 Runden gespielt werden.
Zu Beginn jeder Runde werden zunächst die Gebäude aufgedeckt, entsprechend dem Buchstaben der aktuellen Runde auf der Spieluhr. Anschließend führen die Spieler immer abwechselnd eine Aktion aus, wobei beim aktuellen Segment auch vermerkt ist, wie viele Aktionen insgesamt zur Verfügung stehen; in den ersten Runden nur 3, am Schluss volle 9 Aktionen.
Aktionsmöglichkeiten gibt es eigentlich nur zwei: Entweder kauft man ein neues Gebäude und gibt entsprechend Waren und/oder Geld ab, oder man nutzt ein eigenes oder fremdes Gebäude und erhöht damit seinen Warenbestand oder wandelt Waren in Geld um.
Und dieses Management des Warenbestand ist das eigentliche Spiel, denn hier wird nicht einfache Addition betrieben (bspw. 3+5=8), sondern es wird die Bewegungsrichtung des Warenmarkers vorgegeben: geradeaus, schräg nach oben, senkrecht hoch usw. Erreicht der Marker dabei das Ende einer Leiste im Warenhaus, darf man nicht einfach in der nächsten Zeile bei der folgenden Zahl weiter zählen, sondern der Anstieg ist zu Ende und der weitere Zuwachs verfällt. So wird aus 9 plus 4 eben nur 10, genau wie 7 plus 1 nach oben auch 10 sind.
Das "Einkommen" oder besser die Funktion jedes Gebäudes ist auf dem Plättchen abgebildet. Höchst komfortabel wird durch die Position des Plättchens auf der "Spieluhr" angezeigt, wie oft die jeweilige Funktion genutzt werden darf.
Ein Gebäude hat zum Beispiel die Funktion: "Fisch ein Feld nach oben verschieben". Wurde das Gebäude drei Runden nicht genutzt, liegt also drei Felder hinter dem "Uhrzeiger", darf man die Aktion dreimal nutzen, kann also den Fischmarker drei Felder nach oben verschieben. Anschließend wird das Gebäudeplättchen wieder direkt hinter den Uhrzeiger in den 0-Bereich gelegt.
Da beiden Spielern auch die Gebäude des Mitspielers zur Nutzung offen stehen (gegen Zahlung von 1 Geld), ergibt sich eine spannende Konkurrenzsituation, wer wann welches Gebäude nutzt.
Schnell sind so alle Aktionen genutzt und schon kommt die nächste Runde mit neuen Gebäuden, und nach 12 Runden ist das Spiel schon wieder vorbei.
Fazit
Die Spieluhr, die mit einer einzigen Bewegung den Wert aller Plättchen beeinflusst, ist schlicht eine geniale Idee, die das Handling extrem vereinfacht und beschleunigt. Die leidige Frage, wer wo schon nachgefüllt hat, wie bei Agricola, entfällt.
Dadurch, dass bei jeder Aktion ein Gebäude in den 0-Bereich eines Spielplans wandert, ist auch die Anzahl der bereits gespielten Aktionen immer eindeutig nachvollziehbar. Vom Handling her ist das Spiel also wirklich top.
Auch mechanisch gefällt mir das Auf und Ab der Warensteine gut. Wer Optimierspiele mag, kann hier ständig gegen das Dilemma des doch nicht ganz optimalen Zuges ankämpfen.
Und selbst die Interaktion zwischen den Spielern kommt nicht zu kurz, da man sich gerade bei den eher knappen Ressourcen (ich unterstelle Herrn Rosenberg ein Holz-Trauma) auch gerne mal was wegschnappt.
Was dem Spielspaß leider etwas entgegensteht, ist dagegen der doch sehr starre Ablauf des Spiels. Das Gebäudeset kommt in jedem Spiel immer in der genau gleichen Reihenfolge und vollständig ins Spiel, es gibt also keinerlei Abwechslung und Überraschung. Und letztlich machen auch alle Gebäude in etwa das Gleiche: Entweder "Verschiebe Klötze im Lager" oder "Wandle Ressourcen in Geld". Natürlich immer in leicht unterschiedlichen Kombinationen oder verschieden effektiv, aber es gibt keine "überraschende" oder zufällige Aktion, die etwas Variabilität ins Spiel bringen würde.
Im ganzen Spiel geht es also rein ums Optimieren des Waren- und Geldnachschubs, um damit die meisten und wertvollsten Gebäude bauen zu können oder Geld damit zu erwirtschaften. Ich verstehe jeden, der so reine Optimieraufgaben öde findet, mir macht das einige Partien lang Spaß, die Langzeitmotivation empfinde aber auch ich als eher gering. Eben dafür hätte das Spiel noch eine Erweiterung mit mehr Gebäuden gebraucht, die es bei entsprechendem Erfolg sicher auch bekommen hätte. Da dieser aber offenbar ausgeblieben ist, gab es auch keine Erweiterung, was wiederum dem Langzeiterfolg im Wege steht – dieses Optimierungsdilemma konnte wohl leider auch Herr Rosenberg noch nicht lösen.
Für zwei optimierfreudige Spieler ein netter, und vergleichsweise kurzer Zeitvertreib von ca. 45 Minuten, der wie beschrieben einige Runden gut unterhalten kann. Die Regeln sind verständlich und vollständig, das Material ist unspektakulär aus Pappe, aber völlig in Ordnung. Was fehlt, ist einfach die Erweiterung (Ich hoffe, Herr Rosenberg liest noch Kritiken zu seinen Spielen und denkt über diesen letzten Punkt noch mal nach).
Rezension Michael Timpe
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.