Rezension/Kritik - Online seit 10.03.2018. Dieser Artikel wurde 13548 mal aufgerufen.
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Wälder ... so friedliche Orte. Wenn man in einem Wald spazieren geht, rascheln die Blätter, die Vögel zwitschern und alles ist so ruhig und friedlich ... meint man. In Wahrheit steht man inmitten eines harten Überlebenskampfes, bei dem die Bäume versuchen, sich gegenseitig die Sonnenstrahlen wegzunehmen. Und wenn man das vertonen würde, die Menschheit würde alle Wälder für immer meiden. Denn Bäume - und bei Photosynthesis vor allem: Spieler - gönnen sich nichts. Natur ist eben kein Spaß.
Samen sowie kleine, mittlere und große Bäume - damit bewaffnet betreten die Spieler den wäldlichen Überlebenskampf bei Photosynthesis. Und es ist alles ganz logisch in diesem Spiel: Zuerst braucht es einen Samen in der Erde, dann braucht es genug Sonne, um ihn wachsen zu lassen, und dann noch mehr Sonne, um den Baum noch größer zu machen. Und dann ... stirbt der Baum, aber bringt dabei Punkte und alles geht wieder von vorne los.
Um diesen Kreislauf aus Wachsen und Sterben kontrollieren zu können, starten alle Spieler mit ein paar kleinen Bäumen am Rand des Waldes, um den sich im Uhrzeigersinn eine Sonnenscheibe dreht. Aktionen im eigenen Zug sind natürlich Bäume wachsen lassen, Samen werfen, diese wachsen lassen oder man lässt einen großen Baum sterben. Aber nichts davon funktioniert ohne Geld - hier die Sonnenenergie. Mit der bezahlt man sowohl seine Aktionen als auch das Material, mit dem man diese ausführen will.
Bei Photosynthesis muss man sich erst Samen und Bäume von seinem Tableau kaufen, bevor man sie dann ins Spiel bringen kann. Und besonders wichtig: Man kann in jedem Feld nur eine Aktion machen. Heißt also, man kann nicht einen Samen auf ein Feld legen und im gleichen Zug wachsen lassen. Oder einen mittleren Baum zu einem großen werden und sofort danach sterben lassen. Alles muss schön nacheinander passieren, und ohne Sonnenenergie passiert hier nichts.
Die ist also immens wichtig. Einnahmen gibt es immer, wenn die Sonne sich eine Ecke des Sechseckwaldes weiterbewegt. Sie scheint dann von ihrer zur gegenüberliegenden Seite des Spielplans und alle Bäume saugen die Energie auf ... es sei denn, sie stehen im Schatten eines anderen Baumes. Dann gibt es für sie nichts. Kleine Bäume werfen dabei natürlich weniger Schatten als größere, die durchaus mehrere Bäume blockieren können - auch die eigenen. Bei Photosynthesis ist jeder am Tisch auch sein eigener Feind.
Nicht nur schatten-, sondern auch einnahmetechnisch werfen kleine Bäume weniger ab als größere. Leider kann man die großen Bäume nicht für immer stehen lassen. Oder besser, man sollte nicht. Denn obwohl es zum Spielende Punkte für noch übrige Sonnenenergie gibt, reichen diese Punkte nicht, um zu gewinnen. Die wirklichen Punkte macht man, indem man einen großen Baum sterben lässt. Dann stellt sich lediglich die Frage, wo im Wald er eingeht. Denn einen Baum am Rand des Spielplans wachsen zu lassen ist wesentlich einfacher, als z. B. genau in der Mitte des Waldes, wo es vor Schatten nur so wimmelt. Und deshalb gibt es unterschiedliche Punktechips, getrennt durch die Bodenfarben auf dem Spielplan. Lässt man einen großen Baum sterben, schaut man, auf welchem Farbfeld er steht und nimmt sich den passenden farbigen Punktechip, die von vielen bis weniger Punkten gestaffelt sind. Wer also z. B. am Rand schnell ist, bekommt mehr Punkte als seine Nachfolger.
Drei oder vier Mal (nach Wahl der Spieler) wandert die Sonne um den Spielplan, dann ist Photosynthesis vorbei, und der Spieler mit den meisten Punkten beherrscht den Wald ... und beim nächsten Waldspaziergang wird man die Bäume sicherlich anders betrachten, jetzt, wo man weiß, was für knallharte Mistkerle das sind.
Das, wovon man sich bei Photosynthesis bloß nicht täuschen lassen darf, ist die Ausstattung. Obwohl alles so freundlich, thematisch und einfach nur schön aussieht, ist dieses Spiel alles andere als freundlich. Es ist ein gnadenloser Kampf um Sonne und Überleben bzw. rechtzeitiges Sterben.
Regeltechnisch ist hier alles top und - wie schon erwähnt - sehr logisch. Nur wen die Sonne erreicht, kann Energie tanken. Wer im Schatten steht, bekommt nichts ab. Lediglich das Limit von "nur eine Aktion pro Feld" muss sehr verinnerlicht werden, das ist leider etwas unintuitiv, und man muss seine Mitspieler immer wieder daran erinnern. Ansonsten fällt alles leicht, denn jeder kennt den Zyklus der Natur: Aus einem Samen wächst ein Baum, daraus ein größerer Baum und daraus ein noch größerer Baum ... und der fällt irgendwann um.
Neben dem relativ leichten Einstieg ist Photosynthesis auch noch sehr übersichtlich. Alle Informationen liegen immer offen. Man sieht immer, wer wie viel Energie hat, wer wo steht, wer wo im Wald etwas machen könnte und vor allem: Man weiß ja, wie die Sonne wandert und kann sich im Vorfeld ungefähr ausrechnen, welche Bäume wie viel Energie reinholen werden.
Dieses schöne Element kann sich natürlich auch negativ auswirken. Da man hier alles im Blick hat, ist Photosynthesis ideal für Menschen, die sich gerne zerdenken. Wodurch die Spieldauer von knapp einer Stunde deutlich überschritten werden kann. Sollten also Bauch- und Grübelspieler an einem Tisch sitzen, wird das Baumwachsen zu einer zähen Angelegenheit - meistens für die Bauchspieler.
Ebenfalls zäh - oder vielleicht sogar schlimm - wird Photosynthesis für Spieler, die keine direkte Konfrontation mögen. Hier jagt man zwar keine Armeen aufeinander, aber man kann durch die Schatten permanent geblockt werden, was sich unter Umständen viel schlimmer anfühlt, als durch irgendwelche Truppen angegriffen zu werden. Permanent geblockt zu werden führt natürlich zu weniger Energie und das führt wiederum zu weniger Aktionsmöglichkeiten.
Und das ist auch ein Punkt, der bei Photosynthesis nicht gefällt:
Das einholen und abgehängt sein: Hat sich einmal jemand abgesetzt, kann man ihn schwerlich einholen. Und liegt man einnal richtig hinten, kann man das fast nicht mehr aufholen. Die Limitierung von einer Aktion pro Feld verhindert ein zügiges Wachsen und Gedeihen. Mit wenig Energie kommt man wirklich nur quälend langsam voran und kann regelrecht zum Statisten werden. Menschen, denen das passiert, fassen Photosynthesis meistens nicht mehr an.
In Photosynthesis gibt es keinen Glücksfaktor. Es ist fast ein bisschen wie Schach, und obwohl es wunderschön anzusehen ist, wie der Wald langsam immer größer wird, so ist doch der Spielfluss auf Dauer genauso trocken wie Schach. Man darf sich hier keinen Fehler erlauben, man darf nichts falsch deuten, nicht falsch gucken, man muss immer alles im Auge behalten. Jeder Fehler wird gnadenlos mit weniger Sonne und damit weniger Möglichkeiten bestraft.
Was also - wie anfangs schon angedeutet - als schönes Ding daherkommt, entpuppt sich bald als bitterer Kampf. Deshalb kann man Photosynthesis auch nicht jedem empfehlen. Es ist etwas für Leute, die sich gegenseitig gerne an die Gurgel gehen, die gerne planen und sehr organisiert sind. Es ist kein "mal eben" Spiel, auf Photosynthesis muss man sich einlassen, da muss man geistig immer 100 % geben, sonst hat man nur Gestrüpp im Spiel und keine prächtige Eiche.
Photosynthesis ist darum auch in keiner Weise ein Familienspiel, wie man es oft im Netz lesen kann. Leider steht auf der Packung "8+", was von den Regeln sicherlich hinhaut, aber nicht vom Frustrationsfaktor, der hier hinter jeder Ecke lauert. Ab 10 wäre besser, vielleicht sogar ab 12.
Was man leider auch sagen muss: Photosynthesis hat keinen richtigen Langzeitfaktor. Hier kommt es jetzt seit mehreren Monaten regelmäßig in unterschiedlichen Runden auf den Tisch, manche waren begeistert, haben es sich gekauft ... aber es bleibt mittlerweile bereits liegen. Es ist sicher kein Spiel, das im Schrank verstauben wird, aber es ist ein Spiel, auf das alle Mitspieler richtig Bock haben müssen. Gerade weil es keinen Glücksfaktor gibt und weil man hier alles genau berechnen kann und auch muss. Thematisch und optisch also wunderschön, aber dennoch leicht trocken und seelenlos. Trotzdem ein gutes Spiel.
Also: Pflanzt, ihr Bäume, pflanzt!
Rezension Christoph Schlewinski
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.
H@LL9000 Wertung Photosynthesis / Photosynthese: 3,8, 5 Bewertung(en)
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
16.02.18 von Christoph Schlewinski - Man geht hier so hart gegeneinander vor, dass dieses Spiel eher etwas für Menschen ist, die es gerne konfrontativ mögen. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
10.02.18 von Michael Andersch - Tolles Thema, super umgesetzt und vor allem: Mal was anderes! Dazu eingängige Regeln, die auch deshalb eingängig sind, weil sie logisch sind und sich am Thema orientieren. Dennoch - und nun kommen wir zu den negativen Punkten: Ein Spiel, dass sich trotz aller Thematik für mich irgendwie "abstrakt" anfühlt. Vielleicht gerade aufgrund der einfachen und klaren Regeln, die man ansonsten eher aus abstrakten Spielen kennt? Und trotz ihrer Einfachheit haben die Regeln ein paar Lücken (z.B.: Was passiert, wenn man mehr als 20 Sonnenpunkte hätte?). Die Grundversion spielt sich gut, die Profiversion macht das Ganze deutlich grübellastiger und irgendwie aber auch "frustrierender" weil vieles nicht mehr geht. Zu dritt haben wir in der Profiversion 100 Minuten gespielt - geht sicherlich deutlich schneller, aber eine Spieldauer länger als 60 Minuten gibt das Spiel m.E. nicht her. So bleibt im Schnitt für mich nur eine wohlwollende "guter-Durchschnitt"-Bewertung. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
22.02.18 von Michael Kahrmann - Wunderschönes Thema und tolle Grafik nur, es dauert mir einfach viel zu lange. Nach Runde 2 dachte ich schon puh wäre aber jetzt auch schon gut. Zudem ist im 4 Personen Spiel die downtime doch ziemlich heftig. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
05.03.18 von Jost Schwider - Wunderschönes Material und Thema, aber un(bio)logische Regeln und daher eigentlich ein total abstraktes Spiel. Wegen der Downtime eigentlich nur zu zweit empfehlenswert. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
29.07.18 von Andreas Faul - Thema unverbraucht, Aufmachung sehr schön! Allerdings war bei mir nach ein paar Partien die Luft 'raus. |
Leserwertung Photosynthesis / Photosynthese: 3.9, 12 Bewertung(en)
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28.01.18 von Alexander Karnowski - Grossartiges Spiel. Einfach zu erklaeren aber mit fantastischen Moeglichkeiten! Nicht zu lange von der Spieldauer. Mal nicht Drachen, Haendler, Zombies oder Staedte!! Sehr gut!! |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
19.02.18 von Peter - Insgesamt etwas lahm und unspektakulär. Mit 4 Spielern zu beliebig. Nur das Thema ist erfrischend anders, das reicht nur leider nicht. |
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11.03.18 von Maja |
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13.03.18 von edru - Tolle Optik. Was für die Familie? Das Spiel könnte nett sein, könnte man meinen. Von wegen! Hammerharter Konkurrenzkampf um den Platz an der Sonne. Und sitzen vier Grübler am Tisch, wird die Baumaufzucht überaus zäh. |
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14.03.18 von Karsten Janning - Sieht wirklich hübsch aus, aber es ziiieht sich so sehr... leider... |
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18.03.18 von Martina Kessler - Das Cover von Photosynthesis hatte bei mir ganz andere Assoziationen ausgelöst als es sich dann im Spiel angefühlt hat: Assoziation: Wald, idyllisch, ruhig, angenehmes Spielen (evt. kooperative Elemente)... Realität: Nichts davon! ;-) Hartes, teilweise grüblerisches Ringen um die besten Plätze im Wald: Am Schluss sieht das Spielfeld ziemlich gerodet aus, da das Fällen von großen Bäumen die Punkte bringt. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
29.04.18 von Dietrich - Ein schön anzusehendes, packendes, aber auch grübellastiges Spiel, das wohl etwas zu lang daherkommt. Natürlich sollte man bei dieser Aufmachung die 'thematische', fortgeschrittene Variante wählen. Nein, doch nicht ganz ...! Dass kein Wachstum im Schatten erfolgen kann, kennt man ja aus den Buchen- und Tannenwäldern, jedoch fallen Samen auch auf schattige Flächen, so dass sie die Schattenphasen überstehen müssen, bis die Lichtverhältnisse günstig sind. Auch für das Spiel sind die durch nicht-keimende Samen blockierte Flächen sinnvoll ... also im Schatten können Samen ausgebreitet (gepflanzt) werden, jedoch keine Bäume wachsen (Hausregel). |
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01.06.18 von Pet Erpan - Bin zwiegespalten. Das Spiel ist sehr abstrakt und kommt ohne Glück aus. Das eröffnet der Taktik alle Türen. Allerdings ist es sehr repititiv. Deshalb eine gute 4 von mir. |
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02.06.18 von Jürgen - das BioThema darf nicht täuschen, es ist ein knallharter Verdrängungswettbewerb, sehr taktisch und die großen Bäume werden eben abgeholzt, da muss man sprachlich bei der Wahrheit bleiben. |
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03.08.18 von Legolars - Mit eine der größten Enttäuschungen des Jahrgangs 2017/18 für mich.. Zu zweit noch in Ordnung, aber sehr abstrakt, daspiele ich tausendmal eher das wirklich fantastische Santorini! zu dritt oder gar zu viert kann es eine pure Qual sein, denn dann artet es durch seinen unbarmherzigen Strategiekern gerne in eine Denkorgie aus! Fürchterliche Wartezeiten und einmal anfangs einen Fehler gemacht, wird einem das zur Mitte des Spiels unwiederbringbar zum Verhängnis.. Schade, denn die Optik versprach sehr viel, für mich aber, wie anfangs erwähnt, eine große Enttäuschung! |
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13.05.19 von Rodriguez - Ist mir auch noch nicht passiert, aber ich schließe mich quasi sämtlichen Vorrednern an. |
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13.03.21 von Martin - Da man die Siegpunkte vorwiegend durch das Fällen der Großbäume bekommt (die man mit Sonnenpunkten kaufen, anpflanzen und roden muss) und für je drei übrig gebliebene Sonnenpunkte nur einen Siegpunkt erhält, ist es extrem ärgerlich, wenn einem zum Schluss ein oder zwei Sonnenpunkte fehlen, um noch 15 Siegpunkte zu generieren. Solche Wertungssysteme mag ich überhaupt nicht. |