Spielziel
Mühevoll schlagen wir uns mit der Machete durch den Regenwald des Amazonas, auf der Suche nach unentdeckter Flora und Fauna. Forschungsstationen dienen als Ausgangsbasis unserer Bemühungen - je zahlreicher und schneller wir diese errichten, desto besser.
Ablauf
Trampelpfade und Wasserstraßen verbinden zahlreiche kleine Dörfer im Amazonasgebiet. Diese dienen unseren Forschern als Reisewege, Dörfer als Domizile für bis zu zwölf Forschungsstationen pro Spieler. Eine davon wird als Ausgangsbasis errichtet, und schlägt mit Kosten von mindestens 2 Gold zu Buche – mit jeder weiteren Station in diesem Dorf steigen die Kosten um ein Goldstück. Immerhin trägt eine Forschungsstation stets Früchte: Ein Forschungsplättchen des zugeordneten Typs (Fisch, Orchidee, Chamäleon, Falter, Papagei) wandert in unsere Sammlung seltener Tier- und Pflanzenarten.
Die Kosten unserer Infrastruktur müssen durch Ablegen von Einnahmekarten jeweils zu Beginn der 18 Spielrunden angespart werden. Diese tragen neben einem der Forschungssymbole den Wert 0-6 Silber (Wechselkurs: 3 Silber à 1 Gold), und müssen komplett heruntergespielt werden, ehe wir die sieben Karten wieder aufnehmen dürfen.
Um die Einnahmen nicht zu träge fließen zu lassen, erhöht jedes ergatterte Forschungsplättchen den Wert der zugehörigen Einnahmekarte um 1 Silber. Die Höhe der Einnahmen legt zudem die Spielreihenfolge der aktuellen Runde fest: Wer am kräftigsten kassiert, darf sich auch als erster auf den Weg machen. Bei Gleichstand entscheiden Tie-Breaker-Ziffern auf den Einnahmekarten über die Zugreihenfolge.
Einfluss auf Einnahmen und Spielfortschritt haben auch die Ereigniskarten, die den Beginn der 18 Spielrunden einläuten. Forscher verschaffen entsprechenden Plättchenbesitzern Sondereinnahmen, Waldbrände halbieren die Einnahmen, das diebische Äffchen klaut Silber, Krokodil und Jaguar blockieren kurzzeitig Land- oder Wasserwege. Indiokarten können bei Einnahmeverzicht zu Jokerplättchen umgewandelt werden.
Letztere Joker können bei der Endwertung von tragender Bedeutung sein, bringen unsere Forschungsbemühungen doch erst dann Punkte (1 Punkt pro Plättchen), wenn mindestens drei identische Forschungsplättchen gesammelt wurden. Sinnlos ist das Sammeln einzelner Symbole dennoch nicht, denn wer als erster Urwaldforscher ein Plättchen jedes Typs besitzt, erhält einen satten Bonus von 5 Punkten (4 für den Zweiten, usw.). Und um nicht willkürlich durch den Urwald zu irren, hat jeder Spieler bis Spielende einen (zu Spielbeginn verdeckt zugeteilten) Auftrag zu erfüllen, der ihn zum Errichten von Forschungsstationen in vier festgelegten Dörfern zwingt. Jedes nicht erreichte Domizil verursacht 3 Punkte Abzug. Die erreichte Punktesumme krönt uns zum König der Amazonas-Forscher.
Fazit
Macht die traumhaft gestaltete Verpackung schon Lust auf eine spielerische Reise zum wasserreichsten Fluss der Erde, tut das Spielmaterial sein Übriges hinzu. Der düstere Spielplan, die wunderschön gestalteten Symbole und Karten, die passenden Holzhütten – Atmosphäre pur. Gut, dass die klar strukturierte Spielanleitung dem zügigen Reiseantritt nicht im Weg steht.
So verläuft der Auftakt vielversprechend, weicht jedoch mit wachsender Spielzeit, v.a. aber wachsender Zahl an Partien, zunehmender Ernüchterung. Erste Zweifel hinterlässt die Monotonie des Spielablaufes: Runde für Runde passiert dasselbe, marginal beeinflusst durch die aufgedeckten Ereignisse. Wir treffen unsere Bauentscheidungen, und sparen zähe Runden lang auf diese Ziele hin. Da wir das Vorgehen unserer Gegenspieler nicht aktiv beeinflussen können, schenken wir diesen kaum Beachtung, es sei denn, es kommt zu gleichzeitigen Baubestrebungen am selben Ort. Hier entscheidet die Zugreihenfolge, wobei gerade zu Beginn, wenn die raren „Billigbauplätze“ für 2 Gold angesteuert werden, oft der Tie-Breaker der hohen Einnahmekarten bemüht werden muss.
Und spätestens jetzt regt sich Unmut: Warum hat die Spielerfarbe weiß auf beiden höchsten Karten auch den besten Tie-Breaker? Das mag nicht spielentscheidend sein, ein kleiner Vorteil ist es allemal. Viel schlimmer trifft das Schicksal allerdings Spieler, die bei Spielbeginn „eingebaut“ werden. Das kommt im Spielplanzentrum häufiger vor, da nur zentral gelegene Dörfer als Startpunkte taugen, während Dörfer am Rand anfangs gemieden werden sollten. Umringte Spieler müssen sich zum schmerzhaften Mehrpreis von teuren 1-2 Gold durch bereits bebaute Dörfer kämpfen, und hinken fortan der Konkurrenz mit wachsender Aussichtslosigkeit hinterher.
Das liegt daran, dass in Amazonas nach dem Prinzip „wer hat, dem wird noch gegeben“ funktioniert: Wer früher - und damit billiger - baut, erhält mehr Silberboni, liegt in der Spielreihenfolge öfter vorne und ergattert früher den Bonus für 5 Symbolplättchen. Die Standardvorgehensweise lautet konsequenterweise: Schnappe dir zu Beginn möglichst viele billige Bauplätze. Ziele dann auf den Bonus für 5 verschiedene Symbole, und erfülle zuletzt deinen Auftrag, indem du Bauketten so legst, dass du 3 Symboldrillinge erreichst. Erfolg verprechende Alternativstrategien? Spielraum für überraschende Züge und Wendungen? Fehlanzeige.
Der Moment, in dem man die Siegstrategie erkannt hat, wird zum Genickbruch der anfänglichen Spielfreude, da mit der Erkenntnis die Motivation für weitere Partien in den Keller rauscht. Da ein führender Spieler zudem nicht aktiv behindert werden kann, zeichnen sich nicht selten bereits bei Spielhälfte 1-2 Siegkandidaten ab. Gleiches gilt für chancenlose Mitläufer, denen früh Wege und Auftragsziele verbaut wurden.
Ist Amazonas also ein schlechter Vertreter taktischer Familienspiele? Nicht schlecht, aber eben nur Durchschnitt. Die Varianten des Autors (s. unten) machen das Spiel besser, weil variabler, ohne es aus der Masse herauszuheben. Hier wurde die Chance vertan, aus einer tollen Idee und wunderschönem Material ein ausgewogenes, abwechslungsreiches Ganzes zu kreieren. Schade drum!
Rezension Steffen Stroh
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.
Regelvarianten
Stefan Dorra hat auf seiner Webseite eine Regelvariante zur Verfügung gestellt...
http://freenet-homepage.de/dorra/amazonas.html