Spielziel
Das antike Tyros, gelegen am Ostrand des Mittelmeeres (heute Libanon) ist Ausgangspunkt für die Ra-Segler der besiedlungsfreudigen Spieler. Quer durch das Mittelmeer muss versucht werden, Reiche zu erweitern und Städte zu gründen – je mehr, desto besser. Und stetig lockt das größte Reich, doch wo viele Punkte winken, lauern bekanntlich auch immer die meisten Gegner...
Ablauf
Tyros wird, je nach Spielerzahl, in einer unterschiedlichen Anzahl von Spielrunden gespielt, welche sich wiederum in 3 Phasen unterteilen. Die Phasen lassen sich grob mit „Karten verteilen – Reiche erweitern – Segeln & Bauen“ umreißen, wobei letztere Phase klares Übergewicht besitzt.
Das „Rohmaterial“ für Schiffsbau, Seglerei und Stadtgründungen bilden in jeder Runde die 10 bzw. 12 Rohstoffkarten, die in Phase 1 jeder (!) Spielrunde neu an die Spieler verteilt werden. Das war´s dann auch schon mit der ersten Phase.
Phase 2 enthält die ersten spielerischen Elemente: Hier geht es darum, das nummerierte Rechteckmuster (32 Felder) des Spielplans einem von 4 Reichsfarben zuzuordnen. Je ein Chip jeder Reichsfarbe muss vor Spielbeginn bereits auf dem Spielplan verteilt worden sein – dies kann zufällig oder nach Vorgabe (aus der Anleitung) erfolgt sein. Vom Startspieler ausgehend entscheidet sich dann jeder Spieler für eins der drei vorher an ihn verteilten Landschaftsplättchen, deren Zahl angibt, wo auf dem Spielplan er ein Rechteck „einfärben“ darf. Grenzt an das betreffende Zahlenfeld beispielsweise das „orangene Reich“, kann man auch nur mit dieser Reichsfarbe erweitern, grenzen mehrere Farben an das betreffende Feld, hat man die Wahl. Liegt das Feld noch im Niemandsland, muss dieses Plättchen eben noch auf seinen Einsatz warten.
Das eigentliche Spielgeschehen findet in Phase 3 statt. Hier hat jeder Spieler die Möglichkeit, eine aus 5 Aktionen auszuwählen: Schiff bewegen, Stadt bauen, Schiff bauen sowie Handel mit der Bank oder einem Mitspieler. Ein Spieler darf auch jederzeit passen. Reihum führt jeder Spieler 1 Aktion aus. Allerdings wird die Phase so lange durchlaufen, bis alle Spieler nacheinander passen – erst dann startet eine neue Spielrunde mit der Verteilung neuer Karten und der Reichserweiterung. Phase 3 hat also ein „offenes Ende“ – wie lange sie jeweils dauert oder wie viele Aktionen die Spieler am Ende ausführen, liegt an ihnen.
Da jeder Spieler zu Beginn von Runde eins bereits 2 Schiffe gestellt bekommt, heißt es meist zuerst: Segel hoch und losgeschippert. Problem: Die Fahrten durch das Mittelmeer sind teuer. Jeder Spieler darf nur Felder ansteuern, die bereits einem Reich zugeordnet wurden, und muss dementsprechend die Rohstoffkarten abgeben, die farblich diesem Reich zugeordnet sind (z.B. Holz = grün). Zu allem Überfluss muss auch noch die Anzahl mit der Zahl der gefahrenen Felder übereinstimmen – je weiter die Fahrt, desto teurer. Ein Glück, dass mit der Gründung einer Stadt auch von dort losgefahren werden darf – doch auch eine solche Stadt will erst gegründet sein. Auch hierfür werden nämlich 5 Rohstoffkarten in der entsprechenden Reichsfarbe fällig. Wenigstens der Kauf neuer Schiffe ist mit einer Rohstoffkarte (erneut passend zur Reichsfarbe des Heimathafens) recht preiswert. Um größere Übereinstimmungen unter den eigenen Rohstoffkarten zu generieren, muss man ab und an tauschen: mit der Bank (1:1 bis max. 3:3) oder mit Mitspielern (nach Belieben).
Und als ob das der Probleme nicht genug wären, blockieren auch noch die Gegenspieler die eigenen Expansionsbestrebungen: Ein Schiff in das Feld gefahren, in dem man gerade eine Stadt bauen wollte und schwups – Schluss ist es mit dem Gründungsrecht. Denn nur wo man die alleinige Herrschaft über ein Feld besitzt, darf kolonisiert werden.
Hat ein Spieler sein letztes Reichsplättchen gelegt (Phase 2), wird diese Runde noch zu Ende gespielt, und dann ausgezählt. Städte ergeben Punkte - je größer das Reicht, desto mehr. Weitere Punkte erhält man für die sogenannte Schiffskontrolle (auf einem Rechtecksfeld befindet sich NUR ein eigenes Schiff), sowie Bonuspunkte für „meiste Städte in einem Reich“ und „als erster eine Stadt in jedem Reich“. Oh Wunder: Wer die meisten Punkte hat, gewinnt!
Fazit
Tyros ist Teil der Kosmos-Reihe „Spiele für viele“ – und erfüllt diese Vorgabe so perfekt wie kein anderes Spiel der Reihe zuvor. Trotz vielfältiger (wenn auch nicht endloser) taktischer Möglichkeiten lässt es einen schnellen Zugang zu. Schon nach 2-3 Runden entwickelt jeder seine eigenen taktischen Kniffe und Winkelzüge, der Pfiff des Spiels erschließt sich zunehmend. Zu anfangs war ich skeptisch ob des Glücksfaktors der Rohstoffkarten, die ja (mit Ausnahme von 3 Karten, die man am Ende einer Spielrunde horten darf) zu Beginn jeder Spielrunde neu verteilt werden. Doch dieser Glücksfaktor wirkt sehr belebend: Ständig ist man gezwungen, seine Vorgehensweise an die (stets gegebenen) Möglichkeiten der Handkarten anzupassen – ein stures Festhalten an einer einzigen Erfolgsstrategie gibt es in Tyros nicht. Auch bei Reichserweiterungen und den Aktionen fängt man bald an zu bluffen, Karten zu horten und Blockademöglichkeiten zu nutzen, in der ersten Spielrunde spielt man hier freilich noch etwas blind drauf los.
Etwas Zweifel kommen bei einigen Regelfeinheiten und Aktionen auf. Der Regelpunkt „Stop auf einem Feld mit gegnerischer Stadt“ (1 Karte Tribut) kam bei uns praktisch überhaupt nicht zum Tragen, und bei den Aktionen fristete der Handel mit Mitspielern bei 3 Spielern oft ein Schattendasein. Das Spielsystem birgt zudem die Möglichkeit, dass bei Reichserweiterungen ein sehr großes Reich entsteht, während ein anderes winzig bleibt. Letztere Situation hat allerdings durchaus ihren Reiz, gewinnen Städte in winzigen Reichen doch umso schneller durch Bonuspunkte an Wert. So bleibt als Kritikpunkt am Spielsystem vielleicht, dass man sich auf lange Sicht wünschen würde, man könnte etwas mehr mit seinen Karten tun als Segeln und Städte bauen. Wem hier nach mehr Aktionsmöglichkeiten lechzt, dem seien die (hier downloadbaren) großen Varianten ans Herz gelegt.
Trotz dieser kleinen Detailschwächen, wenn man sie überhaupt als solche empfindet, ist Tyros ein wunderbares Spiel für beinahe alle Zielgruppen (Viel- wie Wenigspieler), gerade auch für den gebotenen Preis, für den man zudem gutes Spielmaterial erhält. Einzig die Zahlen auf der Falz des Spielplans sind nach einiger Zeit nicht mehr so toll lesbar, sowie graue und weiße Schiffe bei Dämmerlicht schwer unterscheidbar. Ich kann nur dazu raten, mit Tyros in See zu stechen!
Rezension Steffen Stroh
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.
Regelvarianten
Redaktionsmitglied Steffen Strohentwickelte einige interessante Varianten, schaut sie Euch mal an: