Spielziel
Holland - war noch nie Fußball-Weltmeister! Holland - hat nur wenig Berge! Holland - war bisher nur selten Thema von Brettspielen ...
Aber nun ist es wieder mal so weit. Speziell geht es um eine Region in Holland oder korrekterweise in den Niederlanden. Korrekt müsste die Region jedoch auch Zeeland und nicht Seeland heißen. Doch zumindest haben Günter Burkhart und Wolfgang Kramer an das Wichtigste gedacht: Windmühlen und Tulpen ...
Ablauf
Seeland kann in verschiedenen Varianten gespielt werden. Wolfgang Kramer bietet ja bei vielen seiner Spiele eine so genannte Profivariante an. Auch hier werden zu dem Grundspiel gleich Erweiterungen (Varianten) mitgegeben.
Das Grundspiel:
In dieser einfachsten Version müssen die Spieler versuchen, auf dem ringförmigen Markt Landschafts- oder Mühlenplättchen zu kaufen um diese dann möglichst gewinnbringend auf dem Spielplan auszulegen. Der Einkauf der Plättchen ist dabei recht pfiffig gelöst. Auf einem Rondell muss der aktive Spieler die Gildemeisterfigur vorwärts bewegen. Wo er stehen bleibt, nimmt er das dort liegende Plättchen an sich. Wie weit man gehen darf/kann, ist abhängig vom persönlichen Budget. Dieses hat aber nicht jeder in Form von Münzen vor sich liegen, sondern ein weiterer Rundkurs um das Rondell herum zeigt an, wieviel Geld jeder Spieler besitzt. Fünf große Taler liegen dort und für jeden güldenen Gulden, der vor dem eigenen Spielerpöppel liegt, kann man ein Feld auf dem Markt überspringen. Das direkte Feld vor dem schwarzen Mann ist immer kostenlos. Möchte man also große Sprünge machen, rückt der Pöppel auf der Geldleiste vor und ist er einmal vorne angekommen, kann man so lange nur ein Feld voran gehen, bis sich auch alle anderen Spieler vom letzten Guldenfeld wegbewegt haben. Denn dann werden die freien Münzen von hinten wieder vorne an den Pfad angelegt.
Anschließend muss das eben erworbene Plättchen auf dem Spielfeld angelegt werden. Dabei gibt es eigentlich nur wenig zu beachten. Landschaftsfelder müssen direkt angrenzend an eigene Mühlen gelegt werden. Mühlen selbst hingegen können irgendwo auf das bereits "entdeckte" Gebiet platziert werden. Entscheidet man sich dann, auf diese neue Mühle auch eine seiner eigenen vier Mühlenfiguren zu stellen, werden noch eventuell angrenzende, verdeckt ausliegende Inselplättchen aufgedeckt. Ziel des Ganzen ist es, seine Mühlen komplett zu umbauen, um sie dann werten zu können. Diese so genannte Ernte bringt den Spielern Siegpunkte ein. Wie viele man bekommt, hängt von den Werten der Mühle selbst und allen umliegenden Landschaftsfeldern ab. Mit 5 Extrapunkten belohnt wird dabei derjenige, der alle drei möglichen Pflanzensorten angebaut hat. Einfallslose oder Pechvögel, die Monokulturen angebaut haben, gehen dagegen völlig leer aus.
Das Spielende kommt für alle relativ gut einplanbar, wenn auf dem Markt keine Plättchen mehr ausgelegt werden können und danach jemand den Gildemeister auf einen leeren Marktstand zieht. Dann hat der Spieler mit den meisten Siegpunkten gewonnen und darf sich "Tulpenkönig" nennen, oder "Herr des Kohls" oder vielleicht auch "Rex Raps".
Fazit
Genau so erfolglos wie die Oranje-Kicker bei den Weltmeisterschaften, waren eigentlich auch bisher die Spiele von Wolfgang Kramer in meiner persönlichen Geschmacksliga. Okay, Spiele wie El Grande und Die Fürsten von Florenz gehören sicherlich zu dem Kreis der Titelaspiranten, aber ansonsten war für mich nicht viel Erstklassiges dabei. Bei Seeland verhält es sich jedoch so, als ob ein Zweitligist es ins Pokalfinale geschafft hat und alle (oder besser gesagt mich) überrascht hat.
Sicherlich ist dies kein Spiel für Hardcore-Strategen, sondern ist eher in die Kategorie "anspruchvolles Familienspiel" einzuordnen. Aber genau in diesem Bereich kann es hervorragend punkten. Es ist einfach eine runde Sache ohne jegliche Haken und Ösen. Ein gelungenes Rundumpaket, welches dabei auch noch eine breite Zielgruppe abdecken kann. Und genau das finde ich an diesem Spiel so reizvoll.
Die puristische Grundversion ist eindeutig für Spieleinsteiger und Familien gedacht. Hier kann jeder schnell und aus dem Bauch heraus mitspielen, und sie dient zum schnellen Erlernen des Spielprinzips. Sobald die Vögte mitspielen, wird das Spiel dann jedoch schon etwas taktischer, aber gleichzeitig erhöht sich auch der Glücksfaktor. Denn wenn man ausgerechnet in einem wenig ertragreichen Gebiet ein Inselplättchen mit einem dieser gierigen schwarzen Männer aufdeckt und dann auch noch 30 Gulden als Ernte erwartet werden, kann es schon mal richtig ungünstig laufen. Trotzdem haben vor allem viele Gelegenheitsspieler und Familien ihren Spaß an dem Auf- und Entdecken der Landschaft. Die Rekordmarker sind ein nettes Beiwerk und bringen ein kleines Zockerelement ins Spiel.
Eindeutig für Vielspieler und Strategen ist die Rückseite mit den vorgedruckten Landschaftsfeldern gedacht. Zudem entfällt dabei das mühselige Aufbauen des Spielfeldes. Trotzdem kann dies nach einigen Partien auch langweilig werden, weil der Aufbau dann immer gleich ist. Natürlich bringen die auf dem Markt erworbenen Plättchen wieder Abwechslung ins Spiel, doch trotzdem hat sich bei uns die Variante durchgesetzt, vor jedem Spiel die Inselplättchen offen auf den Spielplan zu legen. So ist weiterhin das "Lesen" des Spielfeldes möglich, doch trotzdem ist die Ausgangssituation immer wieder eine andere. Das einzige Problem dabei könnte nur dann entstehen, wenn dadurch eine unsausgewogene Verteilung zu Stande kommt. Auch die Spieleranzahl spielt eine wichtige Rolle. Je mehr Spieler teilnehmen, desto unplanbarer wird Seeland. Den meisten Einfluss hat man demnach zu zweit mit offener Landschaft.
Der Hauptgrund für die gute Benotung liegt für mich in der guten Spielbarkeit mit unterschiedlichen Spielertypen. Weil ich seit einiger Zeit in der Grundschule meines Sohnes auch bei anderen Schulkameraden und dessen Eltern Spiele vorstelle, habe ich Seeland sehr zu schätzen gelernt. Es hat eigentlich jedem auf Anhieb gefallen und auch in der Vielspielergruppe kam es sehr gut an. Dieses Spiel kann ich also problemlos zu jedem Treffen mitnehmen und finde immer die passende Zielgruppe dafür. Trotzdem muss vor allem den Lesern hier klar sein, dass es kein Kracher à la Im Wandel der Zeiten o. ä. ist. Aber das will es auch nicht sein.
Seeland spricht Familien an und kann auch Vielspieler "bespaßen". Das Spiel hat für mich daher eindeutig das Potential, "Spiel des Jahres 2010" zu werden. Bleibt nur zu hoffen, dass dies im Umkehrschluss nicht bedeutet, dass die Elftal den Weltmeistertitel in Südafrika erringt ...
Rezension Michael Schlepphorst
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.
Regelvarianten
Die Grundvariante richtet sich eindeutig an Familien und/oder eignet sich gut, um das Spiel kennenzulernen. Interessanter wird es aber durch die Varianten:
Die Rekordmarker
Dabei handelt es sich nur um je zwei kleine Pappmarker in den Spielerfarben. Diese können nach einer Ernte auf der Siegpunktleiste abgelegt werden, um den Wert der letzten Ernte festzuhalten. Am Ende bekommen die vier besten Ernten Sonderpunkte. Hier gilt es also, sich im Spiel zu entscheiden, ob man die eben durchgeführte Ernte für so gut hält, dass man sie sich als Rekord verbuchen lassen sollte. Jeder Spieler kann dies 2 x pro Spiel tun.
Die Stadtvögte
Etwas anspruchsvoller dagegen sind die Vögte. Diese schwarzen Figuren kommen immer dann ins Spiel, wenn im Spiel Plättchen aufgedeckt werden, auf denen ein solcher Vogt abgebildet ist. Dieser Vogt überwacht nun die Ernte dieser Mühle und erwartet quasi einen Mindestertrag von dem Besitzer. Die Höhe richtet sich nach dem Feld (Kontor), welches sich direkt vor dem aktuellem Münzpfad befindet. Der sich darauf befindliche Wert und dadurch die Schwierigkeit dieser Aufgabe kann zwischen 16 und 30 schwanken. Schafft es ein Spieler, die Vorgabe zu erfüllen, erhält er nach der Ernte noch einmal 5 Sonderpunkte sowie die Vogt-Figur. Scheitert er jedoch, werden ihm 5 Punkte von der Ernte abgezogen. Am Spielende wird jener Spieler, der die meisten Vögte gesammelt hat, zusätzlich mit 10 Sonderpunkten entlohnt.
Offenes Spielfeld
Völlig ohne Zusatmaterial kommt die letzte Variante aus. Der Spielplan muss lediglich umgedreht werden. Hier sind die sonst aufzudeckenden Inselplättchen bereits vorgedruckt und der Glücksfaktor beim Erkunden entfällt.