Spielziel
Es war einmal vor langer, langer Zeit in einem weit entfernten Land … Die böse Vanestra hatte den König vergiftet und bereitete sich darauf vor, das friedliebende Land mit Krieg zu überziehen. Die letzten vier Getreuen des Königs, darunter der junge Prinz Colin, ließ sie in den Kerker werfen. Um zu entkommen, verwandelte der Magier Maginos sich und seine drei Gefährten in Mäuse, die sich fortan mit Ratten, Kakerlaken und ähnlichem Getier auseinandersetzen müssen, um Vanestra aufzuhalten … Maus und Mystik ist ein kooperatives Fantasyspiel mit 11 aufeinander aufbauenden Szenarien.
Ablauf
Die Spieler schlüpfen in die Rollen der Mäuse. Die Szenarien geben vor, wie viele Mäuse mitmachen, meist sind es vier (insgesamt stehen sechs Mäuse mit unterschiedlichen Fähigkeiten zur Auswahl). Bei weniger Mitspielern als Mäusen spielt jemand mehrere Mäuse. Jede Maus hat eine Startausrüstung (Waffen, Rüstungen) sowie eine frei wählbare Fähigkeit (Spezialattacken, Zaubersprüche, Heilung).
Vor Spielbeginn wird das Spielbrett aus drei bis vier beidseitig bedruckten quadratischen Spielplänen aufgebaut, deren Anordnung im beigelegten Abenteuerheft beschrieben ist. Nach dem Vorlesen eines stimmigen Einleitungstexts geht es los. Auch am Ende eines Szenarios, manchmal auch zwischendurch, gibt es entsprechende Texte, die die Hintergrundgeschichte weiter vorantreiben.
Betritt eine Maus einen neuen Raum, so wird mittels zufällig gemischter Karten bestimmt, welche Gegner im Raum auf die Helden warten. Meist sind es Ratten oder Kakerlaken, manchmal auch Tausendfüßler oder Spinnen. Dann wird zufällig festgelegt, in welcher Reihenfolge die Mäuse und Gegner agieren dürfen. Eine Maus, die am Zug ist, darf sich bewegen und eine der folgenden Aktionen ausführen: noch einmal bewegen, angreifen oder im Raum suchen. Beim Suchen gibt ein Würfelwurf an, ob die Maus etwas findet oder nicht. Bei einem Erfolg wird die oberste Karte des Suchdecks aufgedeckt, die nützliche Gegenstände wie weitere Waffen oder Zauberspruchrollen, aber auch negative Effekte darstellen können.
Sind Gegner an der Reihe, so bewegen sich diese auf die Mäuse zu und versuchen, sie anzugreifen. Der Kampf läuft natürlich über Würfel: Ein Schwert- (bei Nahkampf) bzw. ein Bogensymbol (bei Fernkampf) bedeutet einen Treffer. Der Verteidiger kann Schilde würfeln, um Treffer abzuhalten. Für überschüssige Treffer gibt es Schadensmarker. Sollte eine Maus im Kampf ein Käsesymbol würfeln, bekommt sie einen Käsemarker. Käse wird für Sonderfähigkeiten der Mäuse benötigt. Gibt eine Maus sechs Käsemarker ab, darf sie eine neue Fähigkeit erlernen.
Würfelt ein Gegner im Kampf ein Käsesymbol, wird ein Käsemarker auf das Käserad gelegt. Sobald es mit sechs Käsemarkern gefüllt ist, tauchen neue Gegner auf, und der Zeitmarker wird ein Feld vorgesetzt. Erreicht der Zeitmarker ein bestimmtes, vom Szenario abhängiges Feld, haben die Spieler verloren. Die Mäuse sollten sich also beeilen!
Wird eine Maus besiegt, wird sie gefangengenommen und verliert ihre Ausrüstung. Außerdem wandert der Zeitmarker ein Feld vor. Die Maus darf erst wieder mitmachen, wenn die übrigen Mäuse alle Gegner im Raum besiegt haben. Auch darf erst dann ein neuer Raum erkundet werden, wenn alle Gegner besiegt sind. Die Mäuse können auf bestimmten Feldern auch auf die Rückseite des Spielplans gelangen (von der Küche beispielsweise in einen unterirdischen Tunnel). In mehreren Räumen gibt es dabei besondere Gegner (wie den gefährlichen Schlosskater Brodie), oder die Mäuse können bestimmte Gegenstände finden; Auskunft darüber gibt das Abenteuerheft.
Fazit
Bei Maus und Mystik wurde viel Wert auf eine detaillierte Ausstattung gelegt. Die tollen Artworks auf Spielplänen, Maus- und Gegnerkarten, die liebevoll gestalteten Miniaturen und die ausführliche, im Stil eines Märchen- oder Fantasybuches geschriebene Hintergrundgeschichte sind sehr beeindruckend. Die Figuren sind nicht angemalt; wer will, kann hier also seiner Kreativität freien Lauf lassen. Leider geht denjenigen, die keine Lust auf Malen haben, einiges an Flair flöten; gesegnet ist der Rezensent, dessen Frau künstlerisch begabt ist. ;-)
Beim Lesen der Regel fällt schnell negativ auf, dass den Designern offensichtlich Atmosphäre und Geschichte deutlich wichtiger waren als Spielbarkeit. Zum einen ist die Regel katastrophal strukturiert. Ständig blättert man hin und her, da die notwendigen Informationen kreuz und quer verteilt sind. Beispielsweise erfährt man auf S. 7, wie Hauptgegner auf der Initiativeleiste platziert werden, auf S. 11, was bei Treffern gegen Hauptgegner passiert, auf S. 14, wie Hauptgegner im Kampf auf dem Spielplan aufgestellt werden, und auf S. 16, wie sie sich im Kampf verhalten. Zum anderen sind die Regeln in vielen Fällen ausgesprochen vage und interpretationsfähig. Schon im zweiten Raum des ersten Szenarios gelangen die Helden in einen Wasserkanal mit einer Strömung. Die Regel, dort wieder aus dem Wasser zu kommen, erlebte bei unserem ersten Spiel gleich drei verschiedene Interpretationen. Diese Unklarheiten sind umso ärgerlicher, da das Spiel eigentlich wirklich nicht kompliziert ist.
Großteilig ist man mit Würfeln beschäftigt, langes Planen über die eigenen Züge entfällt. In der Regel heißt die Devise einfach, alles umzukloppen, ein paar Gegenstände zu finden und in den nächsten Raum zu gehen. Ungefähr 80% der Spielzeit geht für die verschiedenen Kämpfe drauf, und auch sonst, beim Bewegen oder Suchen, wird kräftig gewürfelt. Schade, dass nur fünf der mit Symbolen bedruckten Würfel beiliegen. Dadurch müssen die Würfel ständig zwischen Spielern hin- und hergereicht werden. Diese Würfelorgie sorgt natürlich für einen nicht unwesentlichen Glücksfaktor. Man hat zwar durch das Verteilen von Ausrüstung und die Wahl der richtigen Fähigkeiten einen gewissen Einfluss, aber zum Großteil bestimmt Fortuna den Ausgang des Abenteuers. Da der Schwierigkeitsgrad insgesamt aber recht moderat ist, sind die Mäuse, zumindest nach einer kurzen Einspielzeit, meist siegreich.
Auch wenn immer wieder neue Spielpläne dazukommen und es in mehreren Räumen zu besonderen Begegnungen kommt, stellt sich auf Dauer Monotonie ein. Das Spiel besteht eben zum größten Teil aus Kämpfen, und das Kampfsystem ist simpel, die Anzahl der verschiedenen Gegner an einer Hand abzählbar. Auch der Wiederspielreiz hält sich in Grenzen. Zwar haben die Mäuse unterschiedliche Stärken und Schwächen, sodass man versucht sein könnte, das selbe Szenario mit anderen Mäusen zu spielen, aber für die Kämpfe wirkt sich dies meist nur in einer unterschiedlichen Anzahl von Würfeln für Angriff und Verteidigung aus. Die unterschiedlichen Sonderfähigkeiten sind oftmals auch lediglich Variationen von Angriffen. So bleibt der Hauptreiz des Spiels, die Geschichte zu erleben. Und die stimmigen Texte sorgen tatsächlich dafür, dass man in die Spielwelt eintaucht und wissen möchte, wie es weitergeht. Auch Kinder mit einem Hang zu Abenteuer- und Fantasygeschichten werden ihren Spaß haben, zumal die Anzahl der Regeln überschaubar ist.
Schön ist, dass man die 11 Szenarien als Kampagne spielen und dabei Ausrüstung sowie Fähigkeiten von einem Szenario zum nächsten übernehmen kann. Nur schade, dass man spätestens nach dem vierten Szenario die besten Gegenstände und nützlichsten Fähigkeiten schon hat und man danach kaum noch das Gefühl hat, die eigenen Charaktere zu verbessern.
Wer beim Spielen in erster Linie etwas erleben will und auf anstrengende Hirnakrobatik verzichten kann, der findet in Maus und Mystik ein stimmiges Fantasy-Koop-Spiel, das leider von einer schlecht strukturierten und in vielen Details unklaren Regel geplagt ist. Wer einem hohen Glücksfaktor abgeneigt ist, wird mit dieser Würfelorgie weniger warm werden. Nach anfänglicher Begeisterung über das Rollenspiel-Feeling und die tolle Hintergrundgeschichte machte sich bei uns nach etwa der Hälfte der Szenarien Ernüchterung breit, der Spielablauf ist einfach zu ähnlich, um dauerhaft zu begeistern. So bleibt ein gutes, aber nicht überragendes Spiel, dem etwas mehr Abwechslung gut getan hätte.
Rezension Henning Knoff
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.