Spielziel
"Auf den Wegen von Darwin" - das klingt so, als ob wir Charles Darwins berühmte Reise auf der "Beagle" wiederholten: Ausgehend von Plymouth nach Süden, an der afrikanischen Westküste vorbei. Entlang der Ostküste Südamerikas und über Feuerland um den Subkontinent herum, bis zu den Galapagos Inseln, wo er die meisten zoologischen Erkenntnisse gewann. Dann Richtung Westen über Tahiti, Neuseeland und Mauritius, am Kap der Guten Hoffnung vorbei und durch den Atlantik wieder zurück nach England.
Das stimmt aber nicht. Laut Spielgeschichte benötigt der Naturforscher unsere Hilfe, um sein Werk "Über die Entstehung der Arten" abzuschließen, wofür wir neue Informationen über Tiere aus Gegenden, die er kaum besucht hat, liefern sollen. In der spielerischen Praxis schaut das noch nüchterner aus, denn wir bewegen ein Schiff um ein 3 x 3-Raster, um daraus Plättchen zu sammeln, die wir auf unser persönliches Tableau ("Forschungsbuch") legen und die uns hoffentlich viele Siegpunkte bringen.
Ablauf
Das Um und Auf des Spiels sind natürlich die Tier-Plättchen. Jedes einzelne der insgesamt 64 Plättchen ist individuell gestaltet und gehört einer von 4 Tierklassen (groß eingeteilt in Vögel, Säugetiere, Reptilien und Gliederfüßer), sowie einem von 4 Kontinenten (Amerika, Afrika, Asien und Ozeanien) an. Daneben weist jedes Plättchen einen Bonus auf (Sofortbonus oder Spielendebonus).
9 zufällig gezogene Plättchen bilden dann auf dem Spielplan die offene Auslage in Form eines 3x3-Rasters. Weitere 12 Plättchen pro Spieler werden als verdeckte Stapel bereitgelegt, die restlichen kommen unbesehen zurück in die Schachtel. Wir Spieler erhalten als Forschende einen Theorie-Marker, die verbliebenen werden gemischt und bilden einen verdeckten Nachziehstapel, von dem anschließend 3 Marker aufgedeckt werden. Alle anderen Marker - Ortskundige-Marker, Publikation-Marker und Kompass-Marker - platzieren wir auf die dafür vorgesehenen Felder, die Schiff-Figur ("Beagle") stellen wir auf ihr Startfeld.
Sind wir an der Reihe, ist unser Spielzug in 2 Schritte unterteilt. Zuerst nehmen wir ein Plättchen ("Tier studieren" oder "Inspirieren lassen"), danach bewegen wir die Schiff-Figur.
1. Plättchen nehmen
Wir wählen eines der drei Plättchen aus jener Reihe oder Spalte, vor der sich die "Beagle" gerade befindet. Ist es ein Tier-Plättchen, legen wir es auf das Feld in unserem Forschungsbuch, das sowohl seinem Lebensraum (Kontinent) als auch seiner Klasse entspricht. Ist es hingegen ein Charakter-Plättchen, kommt dieses auf eines der drei Felder links auf unserem Tableau. In beiden Fällen gilt, dass wir uns einen passenden Marker nehmen dürfen, wenn ein Kompass oder ein Ortskundiger darauf abgebildet sein sollten.
2. Schiff bewegen
Anschließend bewegen wir die "Beagle" im Uhrzeigersinn so viele Felder weiter, wie das gewählte Plättchen vom Schiff entfernt war. Also ein Feld, wenn das Plättchen direkt vor dem Schiff lag, zwei Felder für ein Plättchen aus der Mitte, drei Felder für das am weitesten entfernte Plättchen. Schließlich wird das leere Feld wieder mit einem Plättchen vom Stapel nachgefüllt.
Beim Legen auf unser Forschungsbuch können zwei Besonderheiten auftreten. Liegt bereits ein Tierplättchen auf dem passenden Feld, dürfen wir einen Theorie-Marker nehmen - entweder einen der drei offen liegenden oder einen verdecktem vom Stapel - und am rechten Rand unseres Forschungsbuches auslegen. Und vervollständigen wir durch ein Tierplättchen eine Reihe oder Spalte unseres Tableaus, erhalten wir einen Publikation-Marker.
Nach 12 Runden endet das Spiel. In einer Schlusswertung ermitteln wir unsere Siegpunkte. Wir erhalten Punkte für unsere Entdeckungen (die sichtbaren Siegpunkte auf unseren Plättchen), unsere Publikation-Marker (je 5 Punkte), für Kartografie (die Anzahl unserer Kompasse multipliziert mit der Anzahl sichtbarer Kartografie-Symbole), sowie für unsere aufgestellten Theorien, je nachdem, wie gut wir ihre Bedingungen erfüllen konnten. Erzielen wir die höchste Gesamtpunktezahl, konnten wir Charles Darwin am meisten helfen und gewinnen somit die Partie.
Fazit
Ich habe zuerst einmal googeln müssen, ob Charles Darwin irgendein Jubiläum feiert, schließlich sind im selben Jahr gleich zwei Brettspiele über den britischen Naturforscher erschienen. Aber weder sein Geburts- noch sein Sterbedatum, ebenso wenig seine berühmte Reise mit seinem Forschungsschiff "Beagle" oder die Erstveröffentlichung seines bekanntesten Werkes "Über die Entstehung der Arten" jähren sich um eine runde Anzahl an Jahren. Es dürfte also reiner Zufall sein, dass zeitgleich das Spiel Darwin's Journey (Skellig Games) erschien.
Im Vergleich zu diesem herausfordernden und äußerst anspruchsvollen Expertenspiel ist Auf den Wegen von Darwin aber deutlich einfacher gestrickt. Mit Darwins Reise, seinen Forschungen und seinen bahnbrechenden Erkenntnissen hat dieses Spiel rein gar nichts zu tun. Ja, eigentlich hätte für das Sammeln von Plättchen zur Ablage auf einem persönlichen Tableau sogar jedes x-beliebige Thema herhalten können. Thema und Komplexität sind eindeutig nicht die großen Stärken von Auf den Spuren von Darwin.
Dafür punktet es mit der Einfachheit seiner Aktionen, ohne dadurch in Banalität zu verfallen. Wir sammeln also im Laufe einer Partie 12 Plättchen und platzieren diese auf unserem Forschungsbuch. Beides - das Nehmen als auch das Platzieren - ist denkbar simpel. Dennoch bietet es uns Spielern eine gewisse Wahlfreiheit und somit ein wenig Einfluss auf das Spielgeschehen und taktische Möglichkeiten. Wir können ja normalerweise aus den drei Plättchen der Reihe oder Spalte wählen, vor der sich das Schiff momentan befindet.
Für noch mehr Optionen sorgen die "Ortskundige-Marker", die wir durch manche Plättchen erhalten können. Wir dürfen am Anfang unseres Zuges genau 1 dieser Marker einsetzen, um eine Sonderaktion durchzuführen: entweder "segeln" (die Beagle vor dem Spielzug 1 Feld vorwärts oder rückwärts bewegen) oder "nachforschen" (alle drei Plättchen der Reihe entfernen und drei neue Plättchen auf die freien Felder legen). Dies erhöht nochmal unsere Chance, an die von uns dringend benötigten Plättchen zu gelangen.
Aber auf welche Plättchen sollen wir uns überhaupt konzentrieren? Dies hängt von der aktuellen Situation ab. Auf den Plättchen können ja verschiedene Symbole vorkommen. Einige Symbole bringen uns sofort die entsprechenden Marker (Ortskundige und Kompasse), andere Symbole zählen bloß dann, wenn sie am Spielende noch sichtbar sind, also nicht durch ein anderes Plättchen abgedeckt wurden. Dies gilt vor allem für die direkten Siegpunkte ("Entdeckungen"), aber auch für die "Kartografie"-Symbole, welche als Multiplikator zusammen mit den Kompassen weitere Siegpunkte bringen.
Den interessantesten Aspekt stellen jedoch die Theorie-Marker dar. Sie sorgen nämlich dafür, dass je nach Marker bestimmte Tierklassen, Lebensräume, Felder des Tableaus und vieles mehr am Spielende mit Extrapunkten belohnt werden. Gleichzeitig bewirkt dies für zum Teil differenzierte Vorlieben der Spieler. Ein gutes Zusammenwirken von gesammelten Plättchen und passenden Theorie-Markern ist meist die Basis für den Sieg.
Dies alles sorgt - trotz der starken Reduzierung auf ein paar wesentliche Elemente - für ausreichend Stoff für Überlegungen. Mit gerade mal 12 Plättchen lassen sich - selbst ohne andere Plättchen zu überdecken - nicht annähernd alle Felder des persönlichen Tableaus füllen, weshalb es schon von Beginn an gilt, sich auf ein paar Dinge zu konzentrieren. Ich ordne deshalb Auf den Wegen von Darwin als gehobenes Familienspiel ein. Auch die angenehme Spieldauer von ungefähr einer halben Stunde passt ausgezeichnet für die angepeilte Zielgruppe.
Noch ein paar Bemerkungen zum Spielmaterial: Dieses gehört ausdrücklich gelobt, denn es ist nicht nur stabil und von guter Qualität, sondern auch ausgesprochen hübsch anzusehen. Die Spielertableaus sind individuell gestaltet und schauen im zugeklappten Zustand auch wirklich wie Forschungsbücher aus. Die Symbolik ist eindeutig, die Spielregeln sind unmissverständlich erklärt und ausreichend bebildert. Auf der Rückseite des Spielplans ist die Reiseroute der "Beagle" abgebildet, und auf den ersten beiden Seiten der Spielanleitung erhalten wir lehrreiche Informationen über das Leben Darwins, seine Reise auf der HMS Beagle und seine Veröffentlichungen. Nur die Funktion des beiliegenden Stoffbeutels hat sich uns bis jetzt noch nicht erschlossen.
Rezension Franky Bayer
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.