Spielziel
Ein Spieler ist in der Runde der Meister, alle anderen sind die Künstler. Der Meister zieht eine der Karten und beschreibt auf Zeit möglichst detailliert das, was er da sieht. Die Spieler müssen nach seiner Beschreibung eine Kopie des Ursprungsbildes anfertigen. Anschließend werden die Meisterwerke einmal ringsum weitergereicht und bewertet, danach wechselt der Meister.
Ablauf
Ein Spieler übernimmt die Rolle des Meisters, alle anderen verkörpern die Künstler. Alle erhalten ein Zeichen-/Wertungsblatt vom Block sowie einen Stift. Der Meister zieht eine Aufgabenkarte und steckt sie in die Kartenabdeckung, so dass er nur das Bild, nicht jedoch den Auswertungstext sehen kann. Außerdem wird noch eine Bonusaufgabe erwürfelt und notiert.
Wurde die Sanduhr aktiviert, hat der Meister 90 Sekunden Zeit, seinen Mitspielern das vorgegebene Bild zu beschreiben, ohne es ihnen zu zeigen. Die Künstler wiederum müssen versuchen, das vom Meister Beschriebene auf Papier zu bringen, wobei sie weder untereinander noch mit dem Meister sprechen dürfen.
Nach Ablauf der Sanduhr gibt jeder Künstler sein Kunstwerk an den linken Nachbarn weiter und alle Künstler werden nun zu Kunstkritikern. Der Meister zieht die Aufgabenkarte aus der Abdeckung und liest nun jene zehn Punkte vor, welche man auf Papier hätte bannen sollen. Dabei dürfen die Mitspieler die Zeichnung immer noch nicht sehen. Die Kritiker entscheiden jeweils allein, ob die vor ihnen liegende Zeichnung die genannten Punkte erfüllt und kreuzen auf der Wertungsleiste entsprechend JA oder NEIN an.
Für jeden Aufgabenpunkt, den wenigstens ein Künstler auf seiner Zeichnung erfüllt hatte, erhält der Meister ebenfalls einen Siegpunkt. Erst nach der gesamten Auswertung der Zeichnungen dürfen die Spieler ihre Kunstwerke mit dem Original vergleichen. Die Gesamtpunkte der Künstler (wobei es für das korrekte Zeichnen der Bonusaufgabe noch drei Extrapunkte gibt) und des Meisters werden am Ende auf das Bewertungsblatt übertragen und eine neue Runde beginnt. Wenn jeder Spieler einmal Meister war, hat der Spieler mit den meisten Gesamtpunkten gewonnen.
Fazit
Haben Sie schon mal versucht, in kurzer Zeit ein ganzes Bild zu beschreiben, und zwar so, dass die Zuhörer mitzeichnen können? Wenn man davon ausgeht, dass man für einen durchschnittlich langen Satz in normaler Sprechgeschwindigkeit ungefähr 4 bis 5 Sekunden benötigt, dann schafft man in 90 Sekunden also cirka 20 Sätze. Viel zu wenig, um ein Bild zu beschreiben, das meistens sehr viele Details zeigt. Und welches dieser Details denn gerade in dieser Runde wichtig sein mag, weiß man vorher nicht!
Also will man möglichst alles beschreiben, was man sieht: Nicht nur, dass zum Beispiel im nebenan gezeigten Bild ein Toilettenhäuschen zu sehen ist. Nein, auch dass dieses im Bild links oben ist, dass es etwa ein Drittel der gesamten Zeichenfläche bedeckt, dass es ein nach hinten rechts schräg abfallendes Dach hat, dass im oberen Teil der Tür ein Guckloch in Mondform zu sehen ist, dass sich der Riegel rechts und höhenmäßig ungefähr in der Mitte der Tür befindet, dass das Häuschen durchgehend auf Grasbüscheln steht, dass links davor zwei Hosenkleiderbügel liegen, deren Haken nach rechts zeigen, außerdem eine Klopapierrolle, die sich schon leicht nach rechts aufrollt. Im Bild vorne rechts läuft ein Anzug herum – erstaunte Blicke der Künstler, denn fragen dürfen sie ja nicht – na ja, ein Anzug, in dem kein Mensch steckt, sondern der auf einem Kleiderbügel hängt und trotzdem so aussieht, als ob er laufen würde, weil hinter den schwarzen Schuhen (ach ja, Schuhe sind da auch, auch wenn sie nicht an Füßen stecken) zwei Bewegungslinien zu sehen sind. Übrigens läuft der Anzug nach links. Nun zum Anzug – nein, zu spät, denn die 90 Sekunden sind ja vorbei. So ein Mist, dabei gäbe es zu diesem Anzug, den die Mitspieler jetzt noch gar nicht gezeichnet haben, weil sie auf nähere Instruktionen warteten, noch so viel zu sagen.
Und das soll ein Zeichenspiel für alle sein, die nicht zeichnen können? Ja, eine Aussage, die wahrlich zutrifft, wobei man den Zusatz "und auch für jene, die zeichnen können" vergessen hat. Denn das Spiel macht beiden Gruppen gleichermaßen Spaß. Dass zeichnerisch Untalentierte Spiele, bei denen sie zeichnen müssen, nicht mögen liegt vor allem daran, weil sie durch ihr nicht vorhandenes Talent in der Punktewertung der Spiele dann oft ins Hintertreffen geraten.
Nicht so bei diesem Spiel. Hier geht es nämlich in keiner Weise darum, wer am schönsten zeichnet. Im Gegenteil, oft haben gerade die "Unfähigen" die Nase vorne, weil sie sich selten in ihre "Kunstwerke" vertiefen und damit kostbare Zeit verlieren. Und Zeit ist in diesem Spiel wahrlich ein wichtiger Faktor. Der Meister steigert sich förmlich in seinen Beschreibungswahn, um nur ja kein Detail zu vergessen! Wer aber zu langsam zeichnet, vergisst oder überhört vielleicht die eine oder andere Kleinigkeit, die dann ausgerechnet in der Endwertung abgefragt wird, was natürlich zu Punktabzügen führt.
Nüchtern betrachtet könnte sich der Meister beim Beschreiben Zeit lassen. Denn für alles, was nicht gezeichnet wurde, bekommt ja keiner einen Punkt, also kann kein Mitspieler den Meister überrunden, selbst wenn Letzterer ziemlich versagt. Derartig kühle Berechnung hat in diesem Spiel nichts verloren, denn die Ehre steht auf dem Spiel und somit will jeder Meister sein Bestes geben! Immer wieder kommt es vor, dass sich der Meister beim Sprechen verhaspelt, weil die Worte nicht schnell genug über seine Lippen wollen, immer wieder stöhnen die Künstler, weil es unmöglich ist, die Stifte in derselben Geschwindigkeit übers Papier flitzen zu lassen, wie der Meister Anweisungen von sich gibt. Stress pur also und der Adrenalinspiegel fällt erst dann wieder ein wenig, wenn die Zeichnungen bewertet werden.
Gleich nach der Auswertung folgt jedoch ein weiterer Höhepunkt des Spiels, nämlich dann, wenn alle das Originalbild zu sehen bekommen, was immer mit vielen "ahas" und "oh, so sieht das aus" begleitet wird. Manche Dinge kann man sich eben einfach nicht richtig vorstellen, wenn man sie nur erklärt bekommt und nicht mit eigenen Augen sieht. Überhaupt sind dieses Vergleichen der Zeichnungen sowie das Zeichnen an sich die interessanten Elemente dieses Spiels, die Punktewertung nimmt eine völlig untergeordnete Stellung ein. Und total aufgesetzt wirkt die Bonuswertung, welche wir deshalb in unseren Testrunden ziemlich schnell weggelassen haben, ohne sie auch nur ein einziges Mal vermisst zu haben.
Die Spieldauer hängt von der Größe der Runde ab, kann aber in kleineren Runden leicht variiert werden, wenn jeder zwei- bis dreimal in die Meisterrolle schlüpft. Die Altersempfehlung ab 8 Jahren wurde sinnvoll gewählt, denn tatsächlich können die meisten 8-Jährigen vollwertig mitspielen. Auch jüngere Kinder verstehen das Spiel und würden gerne mitmachen, aber meine Proberunden haben gezeigt, dass es ihnen meistens nicht gelingt, schnell genug zu zeichnen.
Identik ist ein Spiel, das man rein um des Spielens willen spielt, nicht um zu gewinnen oder sich durch tolle grafische Leistungen zu profilieren. Jung und Alt fanden in meinen Testrunden gleichermaßen Spaß an diesem außergewöhnlichen Zeichenspiel, so dass man es uneingeschränkt empfehlen kann. Am Schluss noch ein kleiner Hinweis: Nicht vergessen, die Zeichenblätter rechtzeitig zu kopieren, denn schnell genug sind sie - obwohl der Verlag in dieser Hinsicht keineswegs geizig war – aufgebraucht.
Rezension Sandra Lemberger
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.