Spielziel
Wir schreiben das Jahr 2415. Die Interplanetarische Föderation hat in den letzten Jahrhunderten hervorragende Arbeit geleistet, damit eine Besiedlung des erdnahen Planeten "Steam" möglich wurde. Auf dessen Oberfläche sind viele Schächte ins Planeteninnere gelegt worden und nun steht der austretende Dampf zur Nutzung und Veredelung zur Verfügung. Auf den noch durch die Spieler zu bauenden Plattformen über den Schächten werden Tanks aufgesetzt, die Wasser und andere Rohstoffe mithilfe bestimmter Ausbauten produzieren. Rohstoffe sind die Basis für viele Operationen bei der Erweiterung des eigenen Imperiums. Zur Unterstützung der diversen Vorhaben werden einige Spezialisten angeboten, die man allerdings immer nur für eine begrenzte Zeit anwerben kann.
Ablauf
Man spielt je nach Teilnehmerzahl unterschiedlich viele Jahre (Runden). Jede Runde hat drei Phasen und endet mit dem Jahreswechsel. Innerhalb der Phasen werden Rollen versteigert, Plattformen ausgelegt, eigene Tanks darauf gebaut und mit Produktionserweiterungen bestückt. Die auf Plattformen mit Tanks produzierten Rohstoffe können gehandelt werden. Alles hat seinen Preis bzw. Wert in so genannten Credits, die in Geldscheinen vorhanden sind bzw. zum Spielende auch als Siegpunkte zählen.
AUFBAU-PHASE:
Zu Beginn eines Jahres werden die verschiedenen Rollen, von denen im Spiel zu viert/fünft jeder Spieler eine erhält, gegen Gebote in Credits versteigert. Bei weniger Spielern kann man auch zu zwei Rollen kommen. Wer eine Rolle ersteigert, hat damit auch seine Spielreihenfolge für das aktuelle Jahr festgelegt, da jede Rolle eine Nummer trägt. Die einzelnen Rollen sind mit Sonderfunktionen ausgestattet, die zum Teil sofort wirksam werden. Mit dem Erhalt der Rolle kann man auch einen evtl. noch vorhandenen Bonusrohstoff bekommen und in einen seiner vier Vorrats-Raumgleiter ablegen, falls dort Lagerplatz vorhanden ist. Jede Rohstoffart benötigt je Spieler einen separaten Raumgleiter, der in vier Varianten mit jeweils höherer Lagerkapazität von den Spielern erworben werden kann. Jeder Spieler besitzt zu Beginn bereits für jede Rohstoffart die Grundvariante und dazu einige Rohstoffe. Das Baugeschehen findet in einem separaten Bereich des Spielplanes statt, der offene, neutrale und schon von Spielerplattformen belegte Felder aufweist.
Sobald jeder Spieler eine Rollenkarte besitzt, wählt der Besitzer der Rolle "Spekulant" einen beliebigen offenen Schacht (später auch eine neutrale Plattform) aus und bietet diesen zum Ersteigern an. Der Höchstbieter platziert eine eigene Plattform auf diesem Schacht. Anschließend hat jeder Spieler einmal in Reihenfolge der Rollenkarten die Gelegenheit, gegen Abgabe einer Baugenehmigung einen beliebigen offenen Schacht oder eine neutrale Plattform mit einer eigenen Plattform zu belegen oder das Würfelglück zu probieren. In letzterem Fall zeigt er einen offenen Schacht, den er belegen möchte. Bei vier bis sechs Augen belegt er den Wunschschacht nun mit einer Plattform, bei eins bis drei darf er auf einen benachbarten offenen Schacht ausweichen bzw. bei Nichtvorhandensein einen gewissen Schadensersatz kassieren. Im Verlauf der Partie kann man in dieser Situation nur noch per Baugenehmigung Plattformen erhalten.
Kann oder will niemand mehr Plattformen bauen, setzt der Spieler der Rolle "Heizer" den Energiekoppler ein und bestimmt durch dessen Positionierung eine bestimmte Spalte auf dem Spielfeldraster der Schächte und Plattfomen: Tanks in dieser Spalte bringen später in der Produktion je einen Zusatzrohstoff ein.
KAUF-PHASE:
In Reihenfolge der Rollenkarten baut jeder Spieler beliebig auf seinen Plattformen aus oder um, soweit es seine Ressourcen an Credits und Rohstoffen zulassen. Damit er aktiv werden kann, zahlt er ein Wasserelement in die Bank. Als Aktionen stehen zur Verfügung:
- Kauf von Tanks zum Aufsetzen auf eigene Plattformen. Tanks können aus der Produktionshalle stammen (variabler Preis) oder von der Erde (fixer Preis) sein.
- Kauf von Ausbauten der Tanks. Ohne Ausbau produziert ein Tank immer Wasser. Mit entsprechendem Ausbau kann es Quarz, Erz oder Energie sein. Nur ein einziger Ausbau ist je Tank erlaubt.
- Umplatzieren von Tanks und/oder Ausbauten.
- Kauf von Kompressorkugeln zur Erhöhung der Produktion eines Tanks um eine Einheit.
- Ausbau eines Raumgleiters auf eine höhere Lagerkapazität.
PRODUKT-PHASE:
Nun produzieren die Tanks auf den Plattformen im Rahmen ihrer Ausbauten. Für jeden der produzierenden Tanks ist eine Einheit Energie zu zahlen, außer für Energie produzierende Tanks und Tanks in der mittleren Spalte des Schachtplanes. Tanks in der Spalte, die der Energiekoppler begünstigt, bringen nun je eine Einheit mehr. Durch nebeneinanderliegende Tanks gleicher Ausbauart ergeben sich Synergieeffekte, d. h., erhöhte Produktion. Die Spieler lagern die erhaltenen Rohstoffe aus der Produktion in ihren Raumgleitern. Anschließend ergibt sich Gelegenheit, Rohstoffe zu kaufen bzw. zu verkaufen. Handelspartner ist stets die Bank. Jede Aktion - auch Nichtstun - kann die Preise ändern. Nach jeder Aktion eines Spielers wird der jeweilige Vorratsanzeiger der Rohstoffe angepasst und daran gekoppelt ggf. auch der Rohstoffpreis. Nach Abwicklung des Rohstoffhandels darf man noch gegen Abgabe von Ressourcen eine Baugenehmigung bzw. Besitzurkunde (sie ist viele Punkte wert) erwerben oder aber eine Baugenehmigung zu Geld machen.
Jahreswechsel:
Je nach Verfügbarkeit von Erz und Energie wird die Produktionshalle mit neuen Tanks bestückt, die umso billiger werden, je mehr davon dort stehen. Ein Jahr ist vorbei und die Rollenkarten werden wieder eingesammelt. Der Startspieler des abgelaufenen Jahres beginnt erneut die Aufbauphase, u. a. mit einer Versteigerung der Rollen.
SPIELENDE:
Abhängig von der Spielerzahl endet Planet Steam nach einer bestimmten Rundenzahl (Jahre). Alle Credits der Spieler sind Punkte. Weitere wesentliche Punkte bringen Plattformen, Tanks, Kompressorkugeln, Besitzurkunden und restliche Rohstoffe in den Raumgleitern. Der Spieler mit den meisten Punkten gewinnt.
Expertenregel: Für interessante Ablaufänderungen sorgt die Expertenversion, in der man vor allem die Reihenfolge der Rohstoff in der Handelsphase beeinflussen kann und daneben einen variablen Spielstart hat.
Fazit
Spielregel: 15 DIN-A4-Seiten (8 davon für Basisregel), insgesamt gut strukturiert, schlüssig und mit vielen Beispielen bestückt. Zur 1. Auflage mit knapp 500 Exemplaren gab es ein Erratablatt zur Anpassung der Angaben auf der Tabelle 1 auf Seite 3 der Spielregel betreffend der Besitzurkunden und Baugenehmigungen. Beim Studieren der Regeln kamen einmal Zweifel auf, d. h., es kann je nach Interpretation in der Wertpapierhandelsphase unterschiedliche Spielweisen geben. Tatsächlich ist es laut H.G. Thiemann aber so, dass Preis- und Rohstoffskalen in der Wertpapierhandelsphase nicht verändert werden. Eine hilfreiche ganzseitige Kurzspielregel ist am Ende abgedruckt.
Ausstattung: Die überdimensionale, jedes übliche Format sprengende Spielschachtel mit futuristischer Grafik beinhaltet einen großen Spielplan, welcher in drei Tabellen, einen Hauptspielplan und diverse Rohstofflager unterteilt ist. Ich kann nur empfehlen, zu viert einen Spieltisch mit den Ausmaßen von mind. 100 x 200 cm zu verwenden.
Jede der formschönen Rohstoffarten ist individuell gestaltet und in ansprechender Ausführung aus Holz bzw. Kunststoff. Besondere Hingucker sind die fixierbaren Kugeln mit seitlichen Aussparungen, die so genannten Tanks. Spielablaufübersichten zeigen alle Phasen auf und je vier große Ablagekarten (Postkartenformat) mit Abbildung eines Raumgleitern dienen jedem Spieler als individuelle Rohstofflager. Ein wenig billig wirken allerdings die Geldscheine, Baugenehmigungen und Besitzurkunden.
Bevor das Spielerlebnis beginnen kann, ist etwas Sortier- und Aufbauarbeit erforderlich, was sich aber in Grenzen hält, wenn man für die nächsten Partien die verschiedenen Teile separat eintütet. Die Erwartungen der Spielrunde sind hoch, da sowohl der imposante Spielplan als auch die üppige Ausstattung jedermanns Interesse wecken. Doch zunächst ist ein ordentliches Pensum Arbeit zu bewältigen, denn die Spielregel erfordert aufgrund ihres Umfangs einige Zeit und nicht alle Phasen hat man sofort verinnerlicht. So sind dann die Beispiele hilfreich und sinnvoll, um etwa die Funktionsweisen von Synergien beim Produzieren nachvollziehen zu können. Zur Verdeutlichung sollte man z. B. für die Mitspieler eine Situation auf dem Spielplan simulieren und daran das Prinzip erklären. Im Spielverlauf ist innerhalb der Phasen Konzentration von Nöten, vor allem auf die Einhaltung der Spielerreihenfolge und Aktualisierung der diversen Skalenmarker.
Besondere Aufmerksamkeit verlangen die vielen Berechnungen, da man mehr oder weniger permanent kalkuliert. So sind Zukäufe und Ausbauten zu planen, Versteigerungen durchzuführen sowie Lagerkapazitäten für die spätere Produktion zu überdenken. Da jede Investition auch einen bestimmten Siegpunktewert hat, sind reichlich Überlegungen zu treffen, ob man nicht lieber Rohstoffe am Markt verkauft oder sie für spätere Einkäufe von Ausrüstungsgegenständen benötigt. Oft sind zeitweise nicht alle nötigen Rohstoffe am Markt zu kaufen und man kann seine Pläne erst verspätet umsetzen. Solche Verknappungen lassen das Spielgeschehen stagnieren. Durch das angewandte System, dass sich bei Zu- oder Abgängen in einer Rohstoffart meist die Preise verändern, sind extreme Preisbandbreiten in einer Partie möglich. Auch jedes Nichthandeln(!) am Markt kann zu Preisveränderungen führen. Ungeachtet der reichlich in der Spielausstattung vorhandenen Rohstoffe stehen tatsächlich nur soviele Rohstoffe zur Verfügung, wie die Vorratsskalen anzeigen. Darum achtet man darauf, rechtzeitig die Produktion knapper Rohstoffe zu erhöhen und von später wieder lukrativeren Preisen zu profitieren.
Im Laufe der Runden entsteht ein futuristisches Gebilde aus Kugeln und deren Ausbauten auf dem Spielplan. Dabei gestaltet sich das Ausbauen als feinmotorische Aktivität und fast immer halten die Ausbauteile nicht in den vorgesehenen Aussparungen der Kugeln. So fällt immer mal wieder etwas herunter oder um. Wacklige Tische sind darum absolut tabu und auch das Umsetzen eines Tanks oder eines Ausbaus ist mit großer Vorsicht vorzunehmen. Ein Anstoßen kann zum unklärbaren Chaos führen, wenn mehrere Ausbauten abrutschen. Hier hätte man sich mehr Präzision gewünscht.
Aber genug der Kritik, denn bei dem in allen Spielerzahlen gut spielbaren Planet Steam sind trotz aller Knobeleien und Kniffligkeiten stets Spannung und allgemeine Aufmerksamkeit präsent und Langeweile kommt nie auf. Eine Partie zu viert kann im günstigen Fall zwei Stunden dauern, aber eben auch vier, was von der Mentalität und Spielerfahrung der Teilnehmer abhängig ist.
Planet Steam verlangt viele Entscheidungen und gute Zugplanung. Das Glück spielt dabei mit, wenn es um das Zuteilen neuer Tanks geht. Meistens entscheidet die gewürfelte Augenzahl, ob man den gewünschten Bauplatz oder einen benachbarten erhält. Gezieltes Bauen ist möglich, verlangt aber eine der seltenen Baugenehmigungen. Der richtige Bauplatz ist durchaus von Bedeutung, da nur benachbarte eigene Tanks Synergieeffekte, also Zusatzproduktion, ermöglichen. Überhaupt hat man nach absolvierter Partie nicht den Eindruck, wesentlich vom Glück geleitet worden zu sein. Tatsächlich kommt es in Summe eher auf Flexibilität und das Erkennen und Nutzen von profitablen Konstellationen an. Dabei muss die Balance bei den eigenen Ressourcen ständig im Auge behalten werden und natürlich kommt es auf die Spielerreihenfolge an - besonders in der Endrunde. Planet Steam erweist sich m. E. damit als hochkarätiges Wirtschaftsspiel für Vielspieler, bei dem es viele Wege zum Sieg gibt. Die einzig wahre Strategie habe ich noch nicht gefunden und ich bin gespannt auf die weiteren Erfahrungen. Der relativ hohe Preis ist für das Gebotene voll gerechtfertigt und die vielen spannenden Partien mit stets begeisterten Mitspielern sind ein Hinweis für die bisherigen Nichtbesitzer, sich nun verspätet ein Exemplar der 2. Auflage anzuschaffen.
Dazu ganz aktuelle Informationen vom 05.03.09:
Die 2. Auflage ist schon seit Anfang des Jahres lieferbar. Diese unterscheidet sich in der überarbeiteten Spielanleitung (auch als download verfügbar) und dem etwas kräftigeren Papier der Anleitung und des Aufbauplans. Die 2. Auflage umfasst eine vorsichtige Stückzahl von 2500 Stück. Es gibt in Kürze zwei neue Spezialisten, die je nach Belieben und unabhängig voneinander eingesetzt werden können. Der erste ist der "Manipulator", der exklusiv nur bei Ludoart und Allgames4you gratis zu jedem Planet Steam herausgegeben wird. Natürlich kann der Manipulator gegen eine Schutzgebühr auch nachträglich bestellt werden. Auf der Ludoart-Homepage ist dieser zwar für März angekündigt, vermutlich dauert es jedoch noch bis April oder Mai. Der zweite Spezialist wird exklusiv als Spielbox-Beilage in Heft 3 oder 4/2009 erscheinen. Für Fans bietet die Homepage im Menu "Kunstdrucke" eben solche zu Planet Steam an.
Rezension Roland Winner
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.