Spielziel
Lucius Cornelius Sylla, der Herrscher Roms, dankt ab (79 v. Chr.). Welcher Senator tritt in seine Fußstapfen? Die Spieler übernehmen die Rolle dieser Senatoren und versuchen, das höchste Ansehen in der Bevölkerung zu erwerben. Dazu gilt es, sich eine Kartenauslage unterstützender Charaktere und Bauwerke aufzubauen, Bauvorhaben durchzuführen und Seuchen, Hungersnot und Krisen möglichst abzuwenden.
Ablauf
Jeder der 3 bis 4 Spieler übernimmt die Rolle eines römischen Senators. Über 5 Runden, die jeweils aus 7 Phasen bestehen, sollen möglichst viele Ruhmespunkte gesammelt werden. Einige der Ruhmespunkte sammelt man während des Spiels, z. B. durch die Beteiligung an der Errichtung von Bauwerken. Mindestens genauso wichtig ist aber der Erwerb von Res-Publica-Markern, die nur einmal am Ende des Spiels gewertet werden. Diese gibt es in drei verschiedenen Ausprägungen (Farben), deren aktueller Wert auf der "Res-Publica-Leiste" angezeigt wird. Diese Werte werden durch das Verhalten der Spieler während des Spiels gesteuert.
Zur Unterstützung erhalten die Senatoren zu Beginn ein kleines Gefolge in Form von einigen Charakterkarten. Es gibt 5 Sorten von Charakteren, die jeweils eine Fähigkeit haben, die nur in einer bestimmten Phase genutzt werden kann. Allen Charakteren gemeinsam ist die Doppelfunktion, über eine Eigenschaft und über Kaufkraft in Form von Edelstein-Farbmarkern zu verfügen. Letzteres kann genutzt werden zum Ersteigern von Bauwerken - wenn die Farbmarker mit dem Angebot übereinstimmen. Jeder Charakter kann aber nur in einer Funktion pro Runde eingesetzt werden: Entweder mit seiner Kaufkraft bei der Versteigerung der Bauwerke oder entsprechend seiner Fähigkeit.
Die folgenden sieben Phasen einer Runde werden immer in der angegebenen Reihenfolge ausgeführt:
- Das Amt "Erster Konsul" wird versteigert. Die Konsul-Würde bringt einige Vorteile, z. B. einen Res-Publica-Marker oder die Entscheidungsgewalt bei Gleichstand.
- Jeder Spieler erweitert sein Gefolge aus einer offenliegenden Auswahl um einen Charakter.
- Mit den Charakterkarten werden Bauwerke ersteigert, die Werte (Geld, Marker, Ruhmespunkte) einbringen oder Zusatzfunktionen ermöglichen. Ein hier eingesetzter Charakter darf in den folgenden Phasen der Runde nicht mehr eingesetzt werden!
- Einkommen für alle - die Höhe des Geldbetrags richtet sich nach ausliegenden Bauwerken und Händler-Charakteren.
- Seuchen - in Form von vier Negativereignissen gilt es nun mit den Charakteren "Vestalin" und "Soldat" zu bekämpfen. Jeder dieser Charaktere hat einen Stärkepunkt für die Entscheidung, welches Ereignis nicht ausgeführt wird. Für jedes Ereignis erhält der jeweils einflussreichste Senator eine Belohnung, meist Res-Publica-Marker oder Ruhmespunkte.
Die beiden Ereignisse mit den wenigsten Stärkepunkten treten ein und führen in den meisten Fällen zu einer negativen Beeinflussung der Res-Publica-Leiste.
- Im versteckten Bietmodus wird ein Bauvorhaben zum Wohle Roms durchgeführt. Dies führt selbstverständlich zu einer positiven Beeinflussung der Res-Publica-Leiste und belohnt die beteiligten Senatoren mit Ruhmespunkten - den fleißigsten Spender natürlich mit den meisten.
- Sinkt einer der Marker auf der Res-Publica-Leiste auf den Tiefstwert, tritt eine Krise ein. Wer sich in dieser Kategorie am wenigsten engagiert hat, d. h. über entsprechende Res-Publica-Marker verfügt, verliert Ruhmespunkte - und umgekehrt.
In der letzten Runde wird die Kirche als zusätzliches Bauwerk errichtet und alle Sklaven und Christen, gekennzeichnet durch ein Fisch-Symbol auf den Charakterkarten, gelten thematisch als befreit und bringen ihren Besitzern weiteren Ruhm.
Als letzter Vorgang werden zu Spielende die gesammelten Res-Publica-Marker ausgewertet. Diese werden nun multipliziert mit dem entsprechenden Stand der Res-Publica-Leiste und so mit weiteren Ruhmespunkten honoriert. Der Lorbeerkranz gebührt jenem Spieler, der den größten Ruhm erworben hat - er ist Spielsieger und neuer Herrscher Roms!
Fazit
Ystari – Sylla: wie gewohnt finden die beiden als Verlagskennzeichen dienenden Buchstaben ihren Platz im Spielnamen - wenn auch erstmals in vertauschter Reihenfolge. Soll das symbolisch dafür stehen, dass hier bekannte Spielekomponenten in neuer Anordnung verwendet wurden? Auf den ersten Blick scheint sich dies wie ein roter Faden durch das Spiel zu ziehen.
Aber werfen wir zuerst einen Blick auf die Ausstattung: Vom Ausmaß erschreckt hält man ein 10 Seiten starkes Regelheft in der Hand. Der Umfang bleibt jedoch das einzig Erschreckende – über eine historische Einführung wird man hineingesogen in eine interessante, leicht lesbare Erklärung des Spielablaufs, die keine Fragen offen lässt. Spielziel, Vorbereitung, Spieleprinzip, Spielablauf und Spielende sind in eigenen Rubriken, reich an Beispielen und Bildern, übersichtlich und vorbildlich erklärt.
Das Spielmaterial ist gut – besonders hervorzuheben sind die stimmungvoll und detailliert gezeichneten Bauvorhabenkarten. Nervig ist die zu klein geratene Ruhmespunktleiste. Durch die etwas zu groß geratenen Ruhmespunktmarker muss man schon sehr Obacht geben, die Zählerstände nicht versehentlich zu verschieben. In unseren Spielrunden benutzten wir je einen der beiliegenden kleinen Farbwürfel und konnten dadurch drohenden Ärger nahezu ausschließen.
Nun aber von diesem eher nebensächlichen Aspekt zum Spieleindruck, denn dieser ist wirklich hervorragend! Man findet in der Tat bekannte Spielkomponenten - aber ist es nicht auch das Geheimnis berühmter Köche, wie man durch geschicktes Verarbeiten bekannter Zutaten neue Geschmackserlebnisse kreiert? Analog wurden hier Spielemechanismen in eine stimmungsvolle Thematik eingebettet und geschickt, uhrwerkgleich und spannend miteinander verwoben.
Zu Anfang der Runden gilt es, durch die verschiedenen Charaktereigenschaften und die Doppelfunktion der Karten über alle Phasen vorausschauend zu planen. Welche Schwerpunkte setze ich mir je Runde und mit welchem Gefolge strebe ich diese an? Reicht mein Einkommen in der Bietphase? Welchen Charakter "opfere" ich zum Ersteigern eines Bauwerks? Gerade Vestalin und Soldat setzt man ja auch gerne zur Einflussnahme auf die Negativereignisse ein. Durch kurze Phasen sind die Spieler nahezu ständig aktiv und in stetig wechselnde Entscheidungen eingebunden. Zusätzlich heißt es, die Möglichkeiten der Mitspieler abschätzen, die verdeckt gesammelten Res-Publica-Marker nicht zu vernachlässigen und den eigenen gefühlten Mangel verwalten.
Strategie mit einer Vielfalt an Faktoren, die es im Auge zu behalten gilt, bestimmt das Spiel - Glück spielt nur bei der Auswahl von Charakterkarten und Bauwerken eine geringe Rolle. Eine zweifelsfrei siegbringende Strategie konnte ich nicht feststellen und dies spricht eindeutig für die hervorragende Variabilität. Beispielsweise kann man versuchen, durch viele Vestalinnen und Soldaten Einfluss auf die Negativereignisse zu nehmen oder man setzt auf abstimmungsunterstützende Senatoren und geldbringende Gebäude, um Ruhmespunkte bei den Bauvorhaben zu sammeln.
Natürlich gibt es bei soviel Licht auch ein wenig Schatten: Manchmal vermisst man mehr Möglichkeiten, direkten Einfluss auf die Res-Publica-Leiste nehmen zu können. Wenn Marker einmal am unteren Ende der Leiste angekommen sind, ist es schwierig, sie dort wieder wegzubekommen. Da hilft es nur noch, den betreffenden Marker zu sammeln, damit man bei der nächsten Krise nicht mehr die wenigsten Marker dieser Farbe hat. Ferner empfiehlt es sich, bei der Charakterauswahl bereits frühzeitig die Wertung des letzten Bauwerks, der Kirche, in die eigenen Planungen einzuschließen, damit man später angemessen am Ruhm der Sklaven und Christenbefreiung teilhaben kann.
Sylla ist sicherlich kein einfaches Familienspiel, aber bereits Wenig-Spieler dürften, erleichtert durch Thematik und strukturierten Ablauf, ihre Freude an dem Spiel haben. Es ist vielschichtig, interaktiv und jedes Spiel öffnet immer wieder neue reizvolle Aspekte. Für ein Spiel mit einer solchen Vielfalt an Faktoren, die es im Auge zu behalten gilt, und gleichzeitig einer Spielzeit merklich unter 90 Minuten ist es ein Stern am Ystari-Himmel - und nicht nur dort!
Rezension Horst Sawroch
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.
Regelvarianten
Auf der ProLudo-Homepage wird eine Variante für zwei Personen angeboten: http://blog.proludo.de/regel-downloads/