Spielziel
Die folgende Rezension erfolgt völlig spoilerfrei: Es werden keine Inhalte eines Fluchs verraten, keine Mechaniken erläutert, die noch nicht in den Regeln erwähnt werden, und damit der Spielspaß und Überraschungen nicht vorweg genommen.
In The 7th Continent begeben wir uns als Abenteurer in ein unbekanntes Land, um unsere Gruppe von einem Fluch zu befreien. Dabei müssen wir verschiedene Rätsel lösen, Fallen entkommen, Nahrung beschaffen und schwierige Entscheidungen treffen.
Ablauf
Spielerisch funktioniert The 7th Continent sehr einfach: Hat man sich als Gruppe für einen bestimmten Fluch entschieden (für das erste Spiel wird "The Voracious Goddess" empfohlen), erhält jeder Spieler eine Charakterkarte, zum Standard-Action-Deck werden die Aktionskarten der Spieler eingemischt und als verdecktes Aktionsdeck bereitgelegt. Danach liest man die Karte des Fluchs vor, die sowohl das Ziel in kryptischer Form als auch die Startkarte bestimmt. Alle Spielfiguren kommen auf diese Landkarte und schon geht's los.
Da es keinen Startspieler gibt, entscheidet die Gruppe, wer aktiver Spieler ist (wichtig, da Karten oftmals auf diesen verweisen) und ob sich diesem Spieler andere für die nun folgende Aktion anschließen, ihn also unterstützen. Ausgehend von der Landkarte, auf der sich ein Spieler aktuell befindet, stehen dabei zur Auswahl:
- eine Aktion der Landkarte, auf der man sich gerade befindet
- Aktion einer Exploration-Karte, die sich auf eine Landkarte bezieht
- Aktion einer dauerhaften oder temporären Ereigniskarte
- Aktion einer Fähigkeiten-, Bonus- oder Verletzungskarte, die ein Spieler auf der Hand hat
- Aktion eines Items, welches ein Spieler besitzt
- Quest-Aktion mit einer Karte, welche die Gruppe in ihrem Rucksack (satchel) mit sich herum trägt
Mit diesen Aktionen löst man Rätsel, macht Feuer, entgeht Fallen, findet interesante Gegenstände und Objekte, deckt dabei neue Landkarten auf und versucht, den Fluch zu besiegen.
Fazit
Optisch ist The 7th Continent eine wahre Pracht. Alle Karten sind aufwendig graphisch gestaltet und sollten mit Hilfe der im Spiel enthaltenen Lupe auch möglichst genau angesehen werden. Die Regel verweist hier z. B. auf versteckte Zahlen, aber auch im weiteren Spielverlauf wird es wichtig zu wissen, wo man sich befindet und was einem die Umgebung alles bietet. Die Sortierung der nummerierten Karten erfolgt durch ein einfaches und effektives System, so dass wirklich jede der über 1.000 Karten schnell aufgefunden werden kann.
Die Regeln sind einfach und klar dargestellt, vollständig in englischer Sprache, allerdings findet sich eine autorisierte und ins Deutsche übersetzte Version auf BoardGameGeek. Durch zahlreiche Beispiele werden alle Mechanismen des Spiels hervorragend beschrieben, möglich auftretende Fragen sind dennoch bereits auf jeder Seite als kleine Notiz beantwortet, außerdem finden sich die wichtigsten Regeln sowie eine Erklärung aller Symbole noch einmal am Ende zusammengefasst. Praktisch bedeutet dies, dass man direkt starten kann, ohne wirklich viel erklären zu müssen.
Hat sich der aktive Spieler und seine möglichen Unterstützer einmal für eine der Aktionen entschieden, folgt jede Aktion immer dem gleichen Verlauf. Da jede Aktion ein bestimmtes Symbol hat (Bewegen 2 Füße, Graben einen Spaten, Ausruhen eine Hängematte usw.), entscheiden sich die an der Aktion beteiligten Charaktere zuerst, ob sie einen Gegenstand benutzen wollen, der für diese Aktion verwendet werden kann. Dieser Gegenstand muss das gleiche Symbol wie die Aktion aufweisen. Da Gegenstände nicht unendlich verwendet werden können, wird bei jeder Benutzung der Würfel auf dem Gegenstand um den Wert 1 vermindert und irgendwann abgelegt.
Die Aktion selbst wird durch Kosten und eine Bedingung vorgegeben. Kosten sind immer in Form von Karten des Aktionsdecks (blau) zu begleichen. So verlangen einige Aktionen, dass man überhaupt keine Karte davon ziehen muss, andere wiederum geben vor, dass mindestens eine oder auch mehr gezogen werden müssen. Vor dem Ausführen einer Aktion einigt sich die Gruppe, ob nur die Mindestzahl an Karten gezogen wird oder auch mehr, was praktisch bis auf wenige Ausnahmen immer möglich ist. Auf den Aktionskarten befinden sich ganze oder halbe Sterne, welche die Bedingung für den Erfolg oder Misserfolg einer Aktion darstellen. Nachdem alle zuvor angesagten Karten gezogen wurden, muss die Gruppe mindestens die geforderte Anzahl an Sternen der Aktion (halbe Sternen kombinieren sich zu ganzen Sternen, aber leider nicht immer) erreicht haben, damit die Bedingung erfolgreich erfüllt ist. Die Konsequenzen der Aktion stehen immer entweder auf der Karte selbst oder ergeben sich durch die Symbolik.

Durch den Verbrauch von Karten des Aktionsdecks schwindet somit praktisch die Kraft der Gruppe, Aktionen risikolos durchzuführen, denn ist der Stapel einmal aufgebraucht, wird vom Ablagestapel gezogen. In diesem befinden sich einige Fluchkarten. Wird auch nur eine davon gezogen, endet das Spiel sofort. Es ist daher extrem wichtig, nicht jeden Winkel der Karte zu untersuchen und auch daran zu denken, Karten des Ablagestapels wieder dem Aktionsdeck hinzuzufügen, was fast nur über Nahrung im Spiel möglich ist.
Neue Handkarten kommen allerdings nur durch Aktionen ins Spiel. Unter allen beteiligten Charakteren einer Aktion darf eine der aufgedeckten Karten auf die Hand genommen werden, wobei es hier ebenfalls ein Limit gibt. Alle anderen Karten kommen auf die Ablage und sind außer durch besondere Aktionen für den Rest des Spiels nicht mehr verfügbar. Noch ein Wort zu den Handkarten: Neben Gegenständen finden sich da Eigenschaften und weitere Möglichkeiten, das Spiel zu beeinflussen. Wir haben recht viele davon als unbrauchbar empfunden und praktisch nie verwendet.
Der Reiz des Spiels ergibt sich durch die verschiedenen Konsequenzen einer Aktion, ob nun positiv oder nicht. So erkundet die Gruppe Kartenfelder mit abwechslungsreichen geographischen Gegebenheiten, neuen Rätseln und seltsamen Erscheinungen. Charaktere erleiden Verletzungen physischer und psychischer Natur - ich z. B. lief stundenlang mit Durchfall und Paranoia durch die Gegend - oder trennen sich von der Gruppe ab, um sich in anderen Gebieten näher umzusehen. Dabei darf man den Fluch nicht vergessen, der zu Beginn sehr kryptisch erläutert wird und den die Gruppe erst nach und nach wirklich erfassen kann.
Spielern, die gern unbekanntes Terrain erkunden und dabei viele Aufgaben und Rätsel lösen, wird das Spiel sicherlich gefallen. Trotz der 29 Aktionen (Symbole), die möglich sind, verläuft allerdings jede Abhandlung gleich, wie oben beschrieben. Aufgrund der Menge an Wahlmöglichkeiten besteht das Spiel daher aus einer Aneinanderreihung von immer gleichen Aktionsabläufen. Außerdem birgt das Umherlaufen über das Land auch eine weitere Schwachstelle. Hat man das Spiel gespeichert, so startet man beim nächsten Mal lediglich auf einer einzigen Landkarte, alle umliegenden Gegenden müssen neu erspielt werden. Auch hier wünscht man sich nach mehreren Stunden im gleichen Fluch einfach nur noch weiterzukommen. Gleiches passiert auch, wenn man ein bestimmtes Gebiet verlässt. Das ist schade und so kommt auf Dauer Langeweile auf.
Ohne Zweifel ist The 7th Continent in seiner Gesamtheit ein Fortschritt hinsichtlich Spielmechanik und Qualität. Mögen aber die ersten gemeinsamen Partien (ca. 4 h) noch spannend erscheinen, wiederholt es sich leider deutlich zu oft, ohne wirklich abwechslungsreich zu sein. Ich denke, das darf man nach 15+ Spielstunden einfach sagen. So entdeckt man... und entdeckt man... und entdeckt man... immer wieder nach dem gleichen Schema. Unserer 4er-Runde wurde es irgendwann merklich zu viel. Egal welches Ereignis in diesem Spiel auftritt, es wird durch einen immer wieder gleich und sich deutlich zu oft wiederholenden Ablauf von Karten ziehen und Erfolge zählen bestimmt. Es fehlt an ausreichend Abwechslung durch das eigentliche Spiel, um dauerhaft begeistern zu können. Stattdessen bewegen sich die Spieler von A nach B über C zu... nun gut.
In unserer größeren Gruppe konnte das Spiel schlichtweg nicht überzeugen. Dabei scheitert es nicht einmal an seinem Anspruch, denn der ist klar definiert und wird fehlerfrei umgesetzt. Doch sowohl zunehmende Spieldauer als auch Spielerzahl nehmen dem Abenteuer den Wind aus den Segeln, mehr sogar noch, erzeugen eine sich ausbreitende Langeweile, bei der wir uns gefragt haben, ob wir nicht abbrechen und lieber etwas anderes spielen. Das mag im Schein der sehr erfolgreichen Kickstarter-Kampagne und vieler anderen guten Kritikerstimmen auffällig kritisch erscheinen, doch ist es schade, wenn man einem Spiel nach so vielen Stunden noch eine Chance geben muss, die sich dann nicht erfüllt.
Solo-Spieler könnten dabei noch den meisten Spaß haben, wobei der Preis des Spiels und die Geschwindigkeit, mit der man dann durch den Fluch wandert, in einem deutlichen Missverhältnis stehen. Zu zweit würde ich dem Spiel mehr Chancen einräumen als in voller Besetzung, allerdings kann dies nicht darüber hinweg täuschen, dass der Aspekt sich zu oft wiederholender Aktionsmechanismen bereits nach wenigen Stunden langweilig ist, selbst neue Rätsel und Landkarten keinen Reiz des Neuen mehr versprühen.
Rezension Nick Bornschein
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.