Rezension/Kritik - Online seit 12.05.2016. Dieser Artikel wurde 11411 mal aufgerufen.
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Alles grünt und blüht, man schaut auf seine drei Städte, auf seine Ritter und alles könnte so schön sein. Wäre da nicht dieses Verlangen nach mehr. Mehr Ländereien, mehr Städte, Dörfer, Ritter, Festungen ... und wo man schon mal dabei ist: Wieso nicht noch mehr? Ist Baron sein wirklich genug? Wieso nicht Vicomte? Oder Graf? Marquis? Herzog? Und wieso da aufhören? Wieso nicht gleich König werden? Man schaut wieder auf seine drei Städte und merkt: gute Idee. Aber leider hatten die auch schon andere ...
In einem - je nach Spieleranzahl unterschiedlich großen - Areal wollen sich die Barone von Barony zum König aufschwingen. Drei Städte besitzt jeder Baron zu Anfang, und in jeder Stadt steht ein kleiner Ritter. Das ist quasi das Startkapital und mit dem geht es ins Rennen um den Thron.
Ist man am Zug, hat man die Wahl zwischen sechs Aktionen:
So geht es immer weiter, jeder macht eine Aktion. Bis jemand auf der Adelsleiste ganz rechts angekommen ist. Dann wird die Runde noch zu Ende gespielt und man zählt die silbernen Zahlen auf seinen übriggebliebenen Terrain-Chips zusammen. Wer jetzt die meisten Punkte hat, der herrscht. Über alles und jeden!
Marc André schlägt wieder zu. Der Schöpfer vom vielbeachteten Splendor legt hier sein neues Spiel vor, das erstmal auf verschiedenen Ebenen überrascht. Macht man die Packung auf, ist da zuerst die Ausstattung. Die ist fast schon verschwenderisch. Tolle Holzfiguren, schön griffiges Material und vor allem: reichlich.
Dann die Regeln: vier Seiten. Das war's. Und auch noch mit Beispielen bebildert. Also keine Textwüste. Und alles schön verständlich und klar formuliert. Toll!
Aber wie spielt es sich? Da kann man auch nur ein "TOLL!" geben.
Auch, weil die Regeln so schön übersichtlich und schnell zu erklären sind. Aber besonders, weil man hier eine tolle Stimmung und überraschend viel Tiefgang bekommt. Man wird wirklich zum Baron und versucht, seine Gegner beim Rennen um die Krone zu überholen. Und je voller das Brett wird, je mehr zieht einen Barony in seine mittelalterliche Welt. Es wird sich beharkt, es wird gelauert, die Plätze werden knapp auf dem Brett und man will seine schutzlosen Dörfer gegen die gegnerischen Ritter verteidigen - und damit auch die lebenswichtigen Terrain-Chips, denn nur mit denen gelingt der Sieg.
Das alles geht so schnörkel- und vor allem fragenlos über den Tisch, das ist es eine wahre Freude. Hier regiert kein Glück (außer beim Zusammenstellen des Spielplans), sondern das Gehirn. Und das wird bei Barony auf eine tolle Weise gefordert.
Natürlich bleibt es auch ein Stück abstrakt, denn wir haben hier keine differenzierten Armeen, Steuern, Wetter, technische Entwicklungen oder, oder, oder ... was manche Vielspieler vielleicht anöden könnte. Aber das will Barony auch gar nicht. Barony will vor allem eines: in einer sehr überschaubaren Zeit mit sehr überschaubaren Regeln eine anspruchsvolle Zeit geben. Und das gelingt.
Was gefällt dann an Barony nicht so? Da gibt es auch Dinge ... oder besser: ein Ding. Nämlich der Startspieler: Selten war der Startspieler so arm dran wie bei Barony. Er hat zwar bei seiner ersten Stadt die erste Wahl, danach darf jeder andere eine Stadt aufstellen, aber der letzte Spieler darf gleich alle drei Städte ins Spiel bringen. Danach - gegen den Uhrzeigersinn - alle anderen Spieler zwei weitere Städte und dann der Startspieler seine zwei Städte ... zu einem Zeitpunkt, wo das Brett sich schon gut gefüllt hat. Stellt sich die Frage: Ist die erste Stadt wirklich so dolle? Hier findet man: nein.
Was man nicht als negativen Punkt werten kann, aber dennoch wissen muss: Bei Barony müssen alle höllisch aufpassen. Wirklich höllisch!!! Man kann hier bewusst oder unbewusst zum Königsmacher werden, falsche Züge werden - besonders zum Ende hin - gnadenlos bestraft. Das fühlt sich alles ein bisschen wie Schach an: Figuren schützen, Figuren opfern, den/die Gegner verwirren. Besonders im Spiel zu zweit wird diese Schachebene deutlich: Da wird jeder Zug entscheidend. Da darf niemand einfach nur mal so eine Aktion machen. Alles muss genau bedacht werden.
Das klingt jetzt zwar alles reichlich komplex und gehirnzermarternd, aber ist es gar nicht. Weil eben die Regeln so schick einfach sind. Und hat man sich erst an die Kurzspielregel und die Symbolik gewöhnt, braucht man noch nicht mal mehr in die Regeln zu schauen. Dann kann man Barony fast im Schlaf. Das ist schon viel wert, denn mit Barony kann man prima Nicht- oder Wenigspieler überzeugen. Sogar ganze Familien (und Kinder ab 7) setzen sich zusammen und greifen nach der Krone. Für diese Gruppen ist das Spielgefühl sogar noch einen Tacken toller. Weil Barony sie zurücklässt mit dem Eindruck, hier etwas wirklich Komplexes gespielt zu haben. Das ist eine Leistung.
Hier hat man ganz viel richtig gemacht. Sogar die Ritter unterscheiden sich farblich leicht von den anderen Steinen ihrer Farbe. Was sehr wichtig für die Übersicht auf dem Plan ist, denn so heben sich Ritter immer leicht ab. Man kann durch die Aktion "Feldzug" nicht einfach eingekesselt werden, man kann durch das geschickte Setzen von Städten und Festungen ganze Areale für sich abriegeln - wenigsten eine Zeit lang ... Barony bietet wirklich viel mit ganz wenig Mitteln.
Natürlich ist es extrem konfrontativ. Menschen, die das nicht mögen, sollten sich die Anschaffung von Barony dringend überlegen. Denn ohne den einen oder anderen Ritter geschlagen oder das eine oder andere Dorf eines Gegners geplündert zu haben, wird man hier nicht gewinnen. Dem Gegner im richtigen Augenblick ein Terrainplättchen klauen, kann entscheidend sein. Sowohl für den eigenen Sieg als auch dem bösen Mitspieler den Thron direkt unter dem Hintern wegzuziehen.
Das also ist Barony: ein (fast) glücksunabhängiges Spiel, das die Spieler sehr tief in eine schöne, grausame und grüblerische Mittelalterwelt zieht und in einer überschaubaren Zeit sehr befriedigt wieder entlässt. Zumindest hier. Für uns ist Barony ein echtes Highlight des Jahrgangs 2015/16 und man sollte es sich dringend mal anschauen. Warum es bei diesem ganzen Lob nicht die Höchstnote bekommt? Weil der Langzeitspielspaß noch nicht feststeht ... sollte der sich aber in einem halben Jahr noch halten, gibt es hier ganz klar einen Punkt mehr.
Also: Wer zuerst auf dem Thron sitzt, hat gewonnen!!!
Rezension Christoph Schlewinski
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.
H@LL9000 Wertung Barony: 4,5, 2 Bewertung(en)
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
25.03.16 von Christoph Schlewinski - Einfach, aber dennoch anspruchsvoll. Ein tolles Spiel. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
17.10.15 von Mahmut Dural - Abgerundet auf gute 4 Punkte. Schönes Familienspiel, ohne Downtime und leichtem Einstieg. |
Leserwertung Barony: 5.5, 6 Bewertung(en)
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
21.10.15 von Gülsüm Dural - Für Familien oder Gelegenheitsspieler vielleicht eher ne 5. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
22.10.15 von Michael Werner - Endlich ein schnelles Strategiespiel mit schöner Aufmachung, klar strukturierter Regel und ohne nennenswerte Downtime. In jeder Besetzung spannend. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
10.02.16 von Hans Huehnchen - Barony hat für mich ein wenig von Schach. Die Defensive darf nicht vernachlässigt werden, wenn man mit seinen Rittern in die Offensive geht. Es gibt keinen Glücksfaktor, richtiges Taktieren ist wichtig. Die Regeln sind kurz, einzelnen Spielzüge gehen flott von der Hand. Durch die fette Ausstattung hebt sich für mich der Spielreiz von 5 auf 6 Punkte (zu zweit), mit mehreren Spielern fällt der Spielreiz wegen der zunehmenden Unübersichtlichkeit etwas ab. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
08.10.16 von Maik Bretschneider - Einfache Regeln- einfaches Spiel? Was für ein Trugschluss. Zunächst stechen die oppulenten Holzfiguren hervor, die im Überfluss vorhanden sind. Die liebevoll gestalteten Spielhilfen (anderso wird auf profane Kärtchen ausgewichen) machen das Spiel zu etwas besonderem, was ebenso für die Wertungstafel gilt. Die einzelnen Landschaftsplättchen (aus fünf Landschaftsarten), ergeben einen sich in jedem Spiel unterscheidenden Spielplan. Die sechs möglichen Spielzüge sind zwar schnell intus, wollen aber wohlüberlegt umgesetzt sein. So ist es leichter gesagt als getan, dem Gegner einen Schritt voraus zu sein/ diesem bei Verteidigungsaufgaben zu beschäftigen/ eigene Territorien abzusichern/ möglichst einträglich die Bauoption zu wählen usw. Ein Spiel das immer besser wird, je öfter es auf den Tisch kommt. Ab drei Mitspielern lassen sich Allianzen gegen den Führenden bilden, sodass auch die interaktive Komponente nicht zu kurz kommt. Dass die ungewohnte Kürze der Regeln und der Spieldauer samt der stimmigen Umsetzung das Spiel zu einem taktische Leckerbissen machen, führt zu dem Schluss, dass nicht nur ein Highligt des Jahres 2015 vorliegt. Das leidige Startspielerproblem lässt sich zwar nicht umschiffen, aber abmildern, wenn man dem Betroffenen in einer der zwei zuletzt platzierten Städte einen Ritter mehr zugesteht (bzw. ab drei Spielern in den letzten beiden Städten). Klare Kaufempfehlung. P.S. Mit der Erweiterung dürfte das Spiel noch konfrontativer werden. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
19.08.17 von Andreas Freye - Ein prima Taktikspiel in sehr schönem Gewand. Es spielt sich schnell und flüssig und es macht auch viel Freude. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
07.04.18 von Helby - Gefällt mir sehr gut, einfache Regeln, aber einiges an Spieltiefe. Zu diesem Spiel könnte man mich Nachts wecken. |