Spielziel
Japan, 1868: Der japanische Kaiser ist gerade erst auf dem Thron und schon voller Tatendrang. Er sieht sein ärmliches Land dahindümpeln, beherrscht von fremden Investoren und angewiesen auf den Import von Luxuswaren. Das kann und will der stolze Tenno nicht hinnehmen. Also sucht er sich Mitverschwörer für seine große Vision: Japan zu einem wirtschaftlichen Global Player zu machen. Und diese Mitverschwörer sind natürlich wir, die Spieler.
Ablauf
Nippon lebt von zwei Mechanismen: wann man welche Aktion durchführt und wo man seine Multiplikatoren setzt. Indirekt sind die beiden verbunden und man muss bei Nippon genau aufpassen, was man wann macht. Aber der Reihe nach ... oder auch nicht, denn "der Reihe nach" würde den Platz hier sprengen...
Der Hauptmotor hier sind die Arbeiter ... die wir ausnahmsweise nicht einsetzen, sondern wegnehmen. Also ein "Worker De-placement". Fünf Felder gibt es, von denen Arbeiter genommen werden und somit eine Aktion ausgeführt wird. Danach stellt man den Arbeiter auf das Ablagefeld seines Tableaus ganz links, der nächste kommt daneben und so weiter. Sechs Arbeiter haben dort Platz und sollte alles voll sein, kann man keine Aktionen mehr machen und muss konsolidieren (was man schon machen kann, bevor man sechs Arbeiter gesammelt hat. Zum Beispiel, weil man keine Kohle oder Geld mehr ausgeben kann).
Konsolidieren ist ein wichtiger Punkt bei Nippon ... vielleicht sogar der Wichtigste. Denn dann muss man:
- Sich so viel Kohle und Geld, wie man momentan produziert, nehmen. Danach schaut man, wie viele Arbeiter man im Laufe der Runde gesammelt hat. Je mehr das waren, desto großzügiger zeigt sich der Kaiser (viele Menschen beschäftigen findet er toll). Man bekommt Kohle, Bargeld oder Blaupausen geschenkt, aber noch viel wichtiger: man bekommt einen Multiplikator. Je mehr Arbeiter, desto höher fällt der aus. Und als letzten Punkt muss man seine Arbeiter bezahlen: Jede Farbe kostet 3000 Yen. Gut dem, der nur eine oder zwei Farben sammeln konnte.
Der Multiplikator ist immens wichtig, denn den legt man sofort aufs eigene Tableau, auf eines der neun Siegpunktfelder. Jedes Feld steht bei der Endabrechnung für etwas anderes. Zum Beispiel: pro 6000 Yen Bargeld Siegpunkte bekommen. Oder Punkte für eine besonders große Kohleförderung. Oder Punkte für gebaute Eisenbahnen oder Schiffe. Wie viele? Das bestimmt man selber mit dem Multiplikator. Ist man sicher, Eisenbahnen im Laufe des Spiels gut auf dem Plan unterbringen zu können? Dann nicht zögern und ein x5-Plättchen drauf ... wenn man das vom Kaiser geschenkt bekommen hat.
Aber wieder zurück zu den Aktionen. Manche Aktionen gleichen sich vom Ablauf:
Schiffe oder Eisenbahnen aufs Spielfeld bringen, Maschinen kaufen und Fabriken damit bestücken. Oder auf der Kohle-, Einkommens- oder Technologieleiste vorrücken. Kostet natürlich Geld. Man kann auch eine Fabrik bauen. Sechs Verschiedene stehen immer zur Verfügung, jede davon produziert etwas anderes. Von Seide über Papier bis hin zur Taschenuhr (quasi das iPhone seiner Zeit) ist alles dabei. Welche Fabrik man bauen darf, bestimmt nicht nur das Geldsäckel (Kosten: 6000 Yen ... UFFZ), sondern auch der Stand der eigenen Technologieleiste. 2-6 Punkte muss man damit erreicht haben, will man eine Fabrik bauen. Ist man technologisch noch nicht so weit, macht das nichts. Man kann die Differenz auch in Blaupausen bezahlen.
Will man in seinen Fabriken Waren produzieren, muss man Kohle im Lager haben. Hat man die Fabriken mit Maschinen bestückt, produzieren sie sogar noch fleißiger.
Mit diesen Waren kann man Verträge erfüllen und dafür ordentlich auf seiner Einkommensleiste steigen. Man kann sie aber auch im japanischen Inland verkaufen. Das ist in vier Regionen mit je zwei Städten unterteilt und jede Stadt hätte gerne vier verschiedene Waren. Eine Ware zu verkaufen macht einen bei der Bevölkerung beliebt. Wie beliebt, bestimmt die Warenart und die Anzahl der Waren. 1-3 Seidenballen zu verkaufen lässt die Menschen freundlich nicken. Aber 1-3 Taschenuhren zu liefern, dafür wird man gefeiert. Und zwar in Form von Einflusspunkten, die man an die belieferte Stadt anlegen kann. Drei Mal werden die Regionen im Spiel gewertet und die drei Spieler mit den meisten Einflusspunkten bekommen Siegpunkte. Eisenbahnen in einer Region erhöhen den Einfluss ebenfalls. Wohingegen Schiffe in einer Region extra Siegpunkte bei einer Wertung bringen können.
Auf jedem Aktionsfeld stehen zu Anfang drei Arbeiter. Und natürlich ist so ein Aktionsfeld auch irgendwann leer. Dann wird es mit Arbeitern von der Leiste links daneben aufgefüllt. Geht das nicht mehr, weil die leer ist, werden Aktionsfelder und die Leiste wieder aufgefüllt. Und dazu wird der Rundenanzeiger noch einen Schritt weitergezogen, was im Laufe des Spiels die drei Wertungen und das Spielende auslöst.
Am Ende rechnen alle ihre persönlichen Siegpunkte aufgrund der drei Wertungen und ihrer platzierten Multiplikatoren zusammen und wer jetzt vorne liegt, der darf "Du!" zum Kaiser sagen.
Fazit
Eines muss gleich vorweg gesagt werden: Bei der Spielbeschreibung fehlen etliche Kleinigkeiten. Die noch extra zu beschreiben ... da kann man besser die Regeln abtippen und reinkopieren.
Nippon grob zu beschreiben ist eine Herausforderung. Man muss auf die Multiplikatoren achten. Darauf, dass die sich bei Spielende auch wirklich lohnen. Man muss in den Regionen vertreten sein, um Siegpunkte abzugreifen. Man muss, man muss, man muss... und alle die, die nach der Spielbeschreibung denken "Och nöö, bitte kein vier Stunden Hardcorespiel!", dem kann man nur sagen: bitte, bitte nicht so denken. Nippon ist zwar voller Kleinigkeiten, aber trotzdem ungemein zugänglich.
Bis auf die Verteilung der Städte, der Arbeiter und der Fabriken gibt es hier keinen Glücksfaktor. Man hat alles selber in der Hand. Besonders gelungen sind das "Worker De-placement" und die Multiplikatoren. Ersteres, weil man damit in ganz gemeine Zwickmühlen kommt. Ich WILL UNBEDINGT diese eine Aktion machen. Das heißt aber vielleicht, ich bekomme eine weitere Farbe aufs Tableau, die ich später zahlen muss. Mach ich stattdessen lieber etwas weniger Tolles, aber die Farbe hab ich schon stehen? Mhhh... Fragen über Fragen.
Und noch mehr Fragen: wohin mit den Multiplikatoren? Einmal gesetzt, bleiben sie bis zum Spielende dort liegen und geben vor, welchen Weg man bei Nippon gehen sollte. Denn missachtet man die Möglichkeiten, die einem x5 Punkte einbringen... tja, dann darf man zum Schluss nicht meckern.
Das ist dann das Schöne bei Nippon: Man stellt schnell fest, dass man hier eben (fast) nichts "muss". Man muss keine Eisenbahnen bauen oder Schiffe. Man muss auch nicht unbedingt etwas ins Inland liefern. Das einzige, was man hier muss, ist: Fabriken bauen, denn ohne Waren, mit denen man zumindest Verträge erfüllen kann, ist man bei Nippon arm dran.
Aber darum geht es schließlich bei diesem Spiel auch. Das ärmliche Japan soll zu einer wirtschaftlichen Weltmacht ausgebaut werden. Und dazu braucht es Produktion.
Macht man sich die Geschichte hinter Nippon zu Eigen, stellt man fest, wie logisch manche Abläufe oder viele der Aktionen sind. Da ist es angebracht, dass man die Mitspieler vor der ersten Partie kurz in diese geschichtliche Periode Japans entführt, damit man sich die verschiedenen Möglichkeiten, die Nippon bereithält, besser einprägen kann.
Diese Freiheit, sich selber auszusuchen, worauf man sich während des Spiels konzentrieren will und wofür es am Ende Punkte regnen soll, ist bei Nippon aber der wirkliche Hingucker. So viel Freiheit war selten in einem Spiel ... wenn man diese denn mag. Es gibt Menschen, die sich davon überfordert fühlten. Die lieber einen vom Spiel vorgefertigten Weg gehen wollen. Solche Menschen werden es schwer mit Nippon haben und sollten sich den Kauf überlegen.
Aber anderen Menschen könnten gewisse Aspekte ebenfalls nicht liegen. Deshalb: was an Nippon nicht so gefällt:
- Die Grübler: Kein wirkliches Problem des Spiels an sich, sondern der Zusammensetzung der Mitspieler. Für Grübler ist Nippon ein warmes Feuchtbiotop. Man kann hier so viel nachdenken und abwägen... und manche Mitspieler am Tisch nahmen sich die Zeit. Sehr zum Schrecken der Mitspieler. Da kann eine 4er Runde schon mal an die drei Stunden dauern. Also: aufpassen, ob man das mit Grüblern spielen will.
- Die Leisten: Um immer sehen zu können, wie viel Kohle und Geld ich produziere oder wie hoch meine Technologie ist, muss ich aufpassen. Denn die kleinen, schwarzen Würfel verrutschen auf den Leisten so leicht... da hätte man sich vielleicht etwas anderes einfallen lassen sollen.
- Die Fabriken: Sechs Stapel mit je vier Fabriken gibt es zu Anfang. Und jede Fabrik gibt einen besonderen Bonus, wenn man sie kauft Die Boni sind aber sehr unterschiedlich stark und da man immer nur die oberste Fabrik eines Stapels kaufen kann, will man vielleicht lieber warten, weil der Bonus auf dieser Fabrik nicht so stark ist. Wenn die Fabrik aber andere Spieler auch nicht kaufen, dann versauern manche Fabriken und Boni einfach so im Spiel. Umgekehrt kann der Kauf einer Fabrik für den nächsten Spieler eine Steilvorlage bieten, wenn die nächste Fabrik einen starken Bonus hat.
Die Vorlage schaffen mit Fabriken kann zwar ärgerlich sein, macht Nippon Gott sei Dank aber nicht kaputt. Denn dieses Spiel hat eine schöne Mischung: auf der einen Seite langfristig planen, wenn man in den drei Wertungen der Regionen mitmischen will, aber es lässt auch kurzfristige Planungen aus dem Bauch heraus durch die Multiplikatoren zu, die sich durchaus lohnen können.
Hat man Nippon zudem schon Mal gespielt, wird die nächste Partie umso einfacher. Denn alle Infos liegen vor einem auf dem Tisch. Lediglich die Umsetzung von "gib drei Blaupausen ab und steige in einer Leiste hoch" und die Boni von ein paar Fabriken muss man nachschlagen. Ansonsten ist alles da. Uns gefallen solche Spiele immens, dafür muss einen die Grafik und Symbolik ansprechen. Was Nippon durchaus bei vielen Spielern gelingen dürfte.
Deshalb kann man nur sagen: auch interessierte Gelegenheitsspieler sollten sich Nippon mal angucken. Wenn sie einen guten Erklärbär haben, der sich selber zurücknimmt und die verschiedenen Ebenen schön nach und nach auf den Tisch bringt, dann kann Nippon auch diese Gruppe ansprechen. Das war zumindest in meinen Testrunden so. Und dabei hab ich auch gemerkt, wie toll man Nippon erklären kann. Man muss hier nicht alles auf einmal an den Mann bringen. Nein ... immer schön in Portionen arbeiten, die gerade auch wichtig sind.
Das war dann hier auch der letzte dicke Pluspunkt, der viele meiner Mitspieler überzeugen konnte. Und der sie dazu brachte, es noch mal zu spielen und noch mal und noch mal. Immer mal wieder etwas ausprobieren, anders machen, neue Strategie zurechtlegen. Dafür, dass der Verlag "What's your game?" mit seinen letzten Spielen richtige Grüblerspiele mit viel Arbeitsaufwand herausbrachte, die fast nur für Hardcorespieler interessant waren, hat er mit Nippon einen tollen Mittelweg gefunden: komplex aber nicht kompliziert.
Man sollte diesem Spiel eine Chance geben. Vielspielern muss man das nicht unbedingt raten...aber eben den interessierten Gelegenheitsspielern. Nippon hält viele spielerisch schöne Überraschungen parat.
Also: Macht den Tenno glücklich und Japan stark!!!
Rezension Christoph Schlewinski
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.