Spielziel
Schiff Ahoi! Es darf gesegelt werden - vorher müssen aber noch Aufträge besorgt und Kapitäne samt Mannschaft aufgetrieben werden. Wer die einträglichsten Schiffe auf die Reise schicken kann, tritt damit erfolgreich in die Fußstapfen von Vasco da Gama ...
Ablauf
Der Namensgeber des Spiels, Vasco da Gama, war ein portugiesischer Seefahrer, der durch die Entdeckung des Seeweges nach Indien zu Ruhm und Ehren gelangte. Entdeckt wird in diesem Spiel zwar nichts, aber die Schiffe befahren die von da Gama entdeckten Routen (wenn man sich die Mühe macht, den Spielplan näher anzusehen) - für das Spiel ist das egal.
Also: Es geht um Schifffahrt. Was braucht man dazu? Einen Auftrag, ein Schiff, eine Besatzung und einen Kapitän. Im Lauf von 5 Runden, in denen jeder der Spieler je 4 Aktionen zur Verfügung hat, soll er genau dieses organisieren.
Dazu sehen wir uns erst einmal den Spielplan etwas genauer an. Dieser ist aufgeteilt in vier Bereiche, die jeweils unterschiedliche Aktionen erlauben.
- Auftragsbereich (links unten): Aus einer Auslage von Auftragskarten darf man als Aktion eine oder zwei Karten kaufen. Die Auftragskarten enthalten die Informationen, wie viele Matrosen man zum Klarmachen des Schiffes braucht, einen Schiffswert (i.a. sind das Siegpunkte) sowie eventuelle Zusatzeinnahmen, die der Schiffseigentümer erzielen kann. Auf der Rückseite zeigen diese Karten Schiffe - diese Seite wird dann im Seefahrtbereich benötigt.
- Tavernenbereich (rechts oben): In vier Tavernen warten bis zu fünf Matrosen auf einen Job. Mit einer Aktion darf man in einer der Tavernen beliebig viele Matrosen anheuern. Bezahlt wird nicht pro Person, sondern pro Farbe der angeheuerten Matrosen (diese gibt es in vier Farben). Außerdem kann man hier auch einen Kapitän verpflichten - der kostet so viele Goldstücke, wie man in dieser Aktion Matrosen angeheuert hat.
- Seefahrtbereich (links oben): Hier können ein oder mehrere Schiffe auf große Fahrt geschickt werden! Man gibt dazu die benötigten Matrosen zurück in den Vorrat, dreht die Auftragskarte um und macht sie so zur Schiffskarte. Dann stellt man einen Kapitän darauf und platziert das Schiff auf einem der Seefahrt-Felder, die höchstens die auf der Schiffskarte angezeigte Zahl tragen dürfen. Das bringt die auf dem Feld angegebenen Siegpunkte sowie einen neben der Reihe angezeigten Bonus.
- Finanz- und Personenbereich (rechts unten): Wer hier eine Aktion ausführt, kann sich entweder das Gold von einem der beiden Goldfelder nehmen oder eine von vier Personenkarten auswählen und deren Funktion bis mindestens zur nächsten Runde nutzen. Beispielsweise erlaubt eine dieser Personen eine zusätzliche Aktion pro Runde, eine andere bringt Siegpunkte und den Vorteil, Startspieler der kommenden Runde zu sein.
Jetzt aber endlich zum Spielablauf! Jede der 5 Runden verläuft in drei Phasen:
In der Einsetzphase setzt jeder Spieler reihum seine Aktionssteine zusammen mit einem der von 1-20 durchnummerierten "Reihenfolge-Steine" auf einem Aktionsfeld in einem der vier oben genannten Bereiche ein. Der Reihenfolge-Stein wird dabei beliebig gewählt.
- In der Ausführungsphase werden alle Aktionen in der nun festgelegten Reihenfolge ausgeführt.
Der Kniff dabei ist: Erst ab einer bestimmten Nummer sind die Aktionen kostenlos! Bis dahin muss die Differenz zur Aktionsnummer in Gold gezahlt werden - oder man muss auf die Aktion verzichten. Gemeinerweise kennt man diese Zahl vor den Aktionen nur näherungsweise, nach den Aktionen kann sich diese nämlich noch um bis zu 3 Punkte ändern.
- In der Navigationsphase werden die auf See befindlichen Schiffe ausgewertet. Jeder Kapitän erhält den auf seinem Schiff angegebenen Bonus (Gold oder Siegpunkte). Anschließend wird geprüft, ob eine Reihe vollständig mit Schiffen belegt ist. Wenn ja, erhält jeder Kapitän dieser Reihe die neben der Reihe angezeigten Siegpunkte. Danach fahren alle Schiffe dieser Reihe weiter - aber nur, wenn in der folgenden Reihe noch Platz ist bzw. die Nummer nicht zu hoch ist, ansonsten kommen die Schiffe aus dem Spiel.
Danach werden für die nächste Runde neue Aufträge aufgedeckt, zusätzliche Matrosen in die Tavernen gestellt und einige Boni verteilt.
Nach 5 Runden werden noch ein paar Siegpunkte für Restgeld und fertiggestellte, aber noch auf See befindliche Projekte verteilt - und dann gewinnt mal wieder der, der die meisten Siegpunkte erzielt hat.
Fazit
Auf der letzten Messe in Essen war Vasco da Gama der klare Gewinner der "Fairplay-Publikums-Wertung". Ist es wirklich so gut oder handelte es sich um einen kurzfristigen Messehype?
Um es vorwegzunehmen: Ich zähle mich jetzt auch zur Fangemeinde dieses Spiels dazu ...
Schon die Schachtel ist sehr ansprechend gestaltet und macht neugierig auf den Inhalt. Auch das Spielmaterial kann überzeugen - naja, bis vielleicht auf die Kapitäne, die ruhig eine Nummer größer hätten sein dürfen. Insbesondere neben ihren Matrosen erwecken sie eher den Eindruck, als spielten wir hier "Gullivers Reisen" nach.
Die Spielregel ist sehr gut aufgebaut und gut erklärt. Das schwierigste an den Regeln ist, wann genau und wie oft welche Personenkarte ihre Funktion ausüben darf. Das hätte man zum schnelleren Wiederfinden besser komplett direkt bei der Erklärung der Personen abhandeln sollen, als es nur beim Spielablauf aufzuführen. Es gab nur eine Unsicherheit: Es ging nicht eindeutig aus der Regel hervor, ob beim Bonus "Matrose nehmen" dieser beim Ziehen aus dem Sack ausgewählt werden darf oder blind gezogen werden darf. Antwort des Autors: Es wird blind gezogen - die andere Variante wird als "taktischere Hausregel" aber durchaus empfohlen.
Wünschenswert wäre auch eine Kurzspielregel oder Spielzugübersicht, da man insbesondere die Boni für einzelne Personenkarten leicht vergisst. Auch die Wertungen für die Schiffe sind zunächst etwas unübersichtlich: Erst einmal gibt es Siegpunkte und einen Bonus beim Einsetzen, dann gibt es in jeder Runde Einkommen und bei einer vollständigen Reihe gibt es noch einmal Siegpunkte. Auch dafür wäre eine Übersicht praktisch gewesen, so muss man anfangs häufiger in der Regel nachblättern.
Das Spiel selbst enthält viele Dinge, die ich an Spielen gerne mag:
- einen Dilemmafaktor: Gerade bei der Auswahl der Personenkarten kann man fast immer alle gut gebrauchen.
- einen moderaten Risikofaktor: Greife ich zu einer kleinen Aktionsnummer, um vor meinen Mitspielern zum Zug zu kommen - auch auf die Gefahr hin, dass diese Aktion sehr teuer (oder auch zu teuer) wird? Insbesondere bei den Auftragskarten und bei den Personen lohnt es sich durchaus, vor den Mitspielern seine Aktion ausführen zu können - auch, wenn es einmal etwas mehr kostet.
- Kombinatorikaufgaben: Welche Matrosen in welchen Farben brauche ich zum Klarmachen der Schiffe und wie bekomme ich möglichst günstig und rechtzeitig einen Kapitän dazu?
- mehrere Taktik-Möglichkeiten: Versuche ich früh mein erstes Schiff auf See zu haben, um möglichst oft am Ende der Runde die Zusatzeinnahmen zu bekommen? Oder spare ich darauf hin, zwei oder sogar drei Schiffe mit nur einer Aktion in See stechen zu lassen, um wertvolle Aktionen zu sparen?
- Es ist mit allen Teilnehmerzahlen sehr gut spielbar: Bei 2 Teilnehmern ist mehr Geld im Spiel, hier kann man sich mehr um die Optimierung von Besatzungen und Aufträgen kümmern. Bei 4 Teilnehmern ist das Geld sehr knapp, so dass des Öfteren schon mal eine Aktion aus Geldmangel ausfällt. Hier ist das Taktieren und Positionieren der Schiffe in den Häfen wichtiger.
- geringe "Downtime": Trotz vieler Entscheidungen dauert ein Spiel zu viert meist nicht länger als 90 Minuten. Langeweile kommt auch nicht auf, wenn mal jemand etwas länger überlegt - diese Zeit kann man meistens zur Planung seiner eigenen Aktionen nutzen.
- eher indirekte Interaktion: Man wählt keine Aktionen, die man nicht selbst gebrauchen kann. Trotzdem kann man, gerade durch die Platzierung seiner Schiffe, ordentlich Einfluss auf die Mitspieler nehmen.
Eine Erfahrung, die ich gemacht habe: Ohne Hilfe der Personen kommt man nicht weit. Besonders im Viererspiel hat der hinten sitzende Spieler den Nachteil, dass er die Aktionsnummer 5 nehmen muss, die meistens zu teuer ist, aber trotzdem nur ein Gold Entschädigung bringt (nicht verwendete Aktionen bringen eine kleine Entschädigung, die mit steigender Aktionsnummer ebenfalls ansteigt). Da ist man fast gezwungen, Startspieler zu werden - falls diese Personenkarte noch nicht von jemand anderem genommen wurde ...
Fast immer waren die Spiele sehr spannend und gingen knapp aus. Auch große Rückstände lassen sich noch aufholen, wenn man die Strategie spielt, später wertvollere Schiffe ins Spiel zu bringen als früher die einfacheren.
Insgesamt also ein sehr empfehlenswertes, schön gestaltetes Spiel, das zwar keine großartig neuen Mechanismen aufweisen kann, sich aber wegen der gelungenen Kombination dieser Mechanismen trotzdem sehr interessant spielt.
Rezension Ralph Bruhn
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.