Spielziel
300 Jahre n. Chr.: Wappenförmige Segel am Horizont, die Wellen reißen einen aus Palmholz gezimmerten und verschnürten Katamaran wild durch die turmhohen Wellen. Auf dem krächzenden Gebälk des kleinen Segelschiffes kauert eine Gruppe waghalsiger Polynesier, die im Weg über den Ozean ihr Glück im Ungewissen suchen. Ein Eiland am Horizont – doch ist es unbewohnt? Und werden die Fluten und Stürme es zulassen, dass die wackeren Seereisenden den rettenden Strand erreichen, ehe ihr Katamaran, den sie selbst volkstümlich „Tongiaki“ nennen, den enormen Belastungen Tribut zollen muss?
Ablauf
Jeder Spieler erhält 15 Tongiakis einer Farbe. Die 6 Strände der Insel Tonga dienen als Ausgangspunkt für unsere Seereisenden, weitere 31 geschwungene Sechseckplättchen stehen bereit, um nach und nach eine unbekannte Inselwelt preiszugeben.
Zu Beginn werden reihum je 2 Tongiakis auf Tonga platziert. Im weiteren Spielverlauf führt jeder Spieler pro Zug zwei Aktionen aus, die allerdings eine Kettenreaktion an weiteren Aktionszwängen auslösen können:
1.) Vermehrung: Auf einer Insel seiner Wahl, auf dem ein Spieler mit mindestens einem Tongiaki vertreten ist, darf ein Spieler die Anzahl seiner Katamarane verdoppeln. Die Anzahl seiner Katamarane darf dabei die Anzahl der Strände einer Insel nicht überschreiten.
2.) Auswanderung und Seefahrt: Wird durch die Vermehrung (oder durch anlandende Tongiakis) ein Strand einer Insel komplett besetzt, stechen alle darauf befindlichen Schiffe von einem der Stege des Strandes aus in See. Dazu deckt der Spieler so lange neue Sechseckplättchen auf, bis die reisenden Tongiakis im Meer versinken oder eine Insel erreichen. Ob die Überfahrt gelingt, ist nicht unwesentlich von der Farbvielfalt der Reisegruppe bestimmt: Die Seewege sind mit den Zahlen 0,2,3,4 bedruckt – nur wenn die entsprechende Anzahl verschiedener Spielerfarben in der Gruppe der reisenden Tongiakis vertreten ist, gelingt die Überfahrt. Die Ausrichtung der neu aufgedeckten Plättchen ist dabei durch ein rotes Siegel fix bestimmt. Der An- bzw. Ablegepunkt ist vor Aufdecken des Plättchens anzusagen.
Erreichen die Tongiakis eine Insel, so darf der aktive Spieler die Katamarane reihum auf den dortigen Stränden verteilen. Kommt es dabei erneut zu einem komplett gefüllten Strand, ist Aktion 2 erneut auszuführen (sog. „Kettenzug“). Hat ein Spieler alle Auswanderung beendet, und dabei keinen weiteren Strand mehr vollständig gefüllt, endet sein Zug.
Ziel des Spiels ist es, die eigenen Tongiakis möglichst gleichmäßig über den gesamten Spielplan zu verteilen. Punkte erhält man nicht für Mehrheiten, sondern für jede Insel, auf der man mit mindestens einem Katamaran vertreten ist. Der Wert der Inseln schwankt dabei zwischen 2 und 5 Punkten. Zweimal innerhalb einer Partie hat ein Spieler die Möglichkeit, Inseln zu seiner privaten Königsinsel zu ernennen. Bedingung: Zu Beginn seines Zuges sind nur Tongiakis seiner Farbe auf dieser Insel stationiert. Um sich nicht selbst zu blockieren, sollten jedoch nur hochwertige Inseln oder Schlüsselstellen zur Königsinsel ernannt werden, denn Vermehrungen und Anlandungen sind hier im Anschluss nicht mehr möglich.
Sind entweder 16 Inselkarten oder 16 Wasserkarten offen ausgelegt, endet das Spiel. Wer auf den meisten und punkteträchtigsten Inseln vertreten ist, gewinnt die waghalsige Hatz zu hoher See.
Fazit
Werfen wir zuerst einen Blick auf das Material: Die Sechseckplättchen mit ihren elegant geschwungen Seiten sehen - genau wie die hölzernen Tongiakis - interessant und einladend aus und greifen gut ineinander, Wasserwege und Zahlen sind leicht zu erkennen. Dies gilt nicht unbedingt für die Anlegeplätze der Tongiakis auf den einzelnen Inseln, noch weitaus schlechter sieht es mit den mickrigen Stegen aus. Sie sind schon nach kürzester Zeit durch Tongiakis verstellt, und damit für mehrere Spieler nicht mehr sichtbar.
Die Spielanleitung frönt dem Prinzip „In der Kürze liegt die Würze“. Sie beinhaltet zwar alles, was zum Spielverständnis von Nöten ist, allerdings müssen manche Details erst aus den Formulierungen und Abbildungen selbständig abgeleitet werden, einige Sätze besitzen eine gewisse Interpretationsbreite. Schmidt-Spiele hat auf diese kleine Schwäche jedoch bereits reagiert, und arbeitet an einer überarbeiteten Regelfassung.
Im Spiel selbst gehen Taktik und Schicksal Hand in Hand. Stets ist man bestrebt, eigene Tongiakis möglichst weit gefächert zu verteilen und vor dem Versenken zu schützen, indem man sie bevorzugt auf großen, bunt besetzen Stränden platziert. Gleichzeitig sucht man gegnerische Floßgruppen in unsichere Gewässer zu treiben – doch ob das beides so klappt, ist auch von den aufzudeckenden Spielplanplättchen abhängig, deren Art (Wasserwege, Inseln) und Ausrichtung ich (leider?) nicht beeinflussen kann. Gerade unerfahrene Spieler forcieren oft unwissentlich die eigene Isolation in inselarmen Spielplanabschnitten, aber auch bei erfahrenen Spielern kann das Schicksal, wenn auch deutlich seltener, noch übel zuschlagen. Einer Isolation oder Totalversenkung mit Neubesiedelung beizukommen ist zwar möglich, aber eigentlich nur dann aussichtsreich, wenn diese im ersten Drittel des Spieles geschieht.
Wie effektiv die eigene taktische Marschroute und vorausschauende Verteilung der Boote zur Geltung kommt, ist außerdem stark von der Spielerzahl abhängig. Zu zweit ist Tongiaki hochtaktisch, wenn auch der Spielplan durch die zahlreichen unschiffbaren Wasserwege teils arg vernagelt wirkt. Zu sechst hingegen regieren Chaos und Glück, im Zwischenbereich bewegen sich beide Extreme aufeinander zu. Am meisten Spaß machte uns das Spiel mit 3-4 Spielern.
So ist es wohl stark der Zusammensetzung der Spielerunde beschieden, wie gut das Spiel aufgenommen wird. In großer Besetzung (zu sechst möchte ich Tongiaki eher nicht empfehlen) werden Taktiker sicher murren, Neueinsteiger mit eher geringem Frustpotential werden das Spiel u.U. früh ablehnen. Vielleicht ein Fehler, denn mit wachsender Erfahrung und Spielübersicht gelingen durchaus taktische Winkelzüge, und für Ärgerpotential und Schadenfreude ist ausreichend gesorgt. Sicher, auch erfahrenste Seefahrer werden die teils monströsen Kettenzüge nicht immer verhindern, schon gar nicht überblicken können. Dadurch wird die Spielsituation oft schlagartig auf den Kopf gestellt – was aber immerhin zurückliegenden Spielern stets ein Türchen offen hält, noch um den Sieg mitstreiten zu können. Die hohe Spieldynamik lässt zwar zu, dass eine Partie auch mal aus dem Ruder läuft, eine homogene Spielergruppe aus ca. 4 tongiakierprobten Spielern sollte damit aber meist zurecht kommen.
Rezension Steffen Stroh
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.