Spielziel
Es dürfte wohl kein großes Geheimnis sein, dass ich Spiele liebe. Dabei ist es egal, ob es sich um ein kurzweiliges Kartenspiel, ein lustiges Partyspiel, ein taktisches Legespiel oder ein anspruchsvolles Strategie- oder Wirtschaftsspiel handelt. Bei aller Spieleleidenschaft gibt es - wie in meinem Kritikerportrait nachzulesen - dennoch ein paar Spielegenres, auf die ich eher nicht stehe. Als Barbar, Zwerg, Zauberer oder Elf irgendwelche scheußliche Monster in dunklen unterirdischen Verliesen zu vermöbeln, wie es in etlichen Rollenspielen vorkommt, ist nicht so mein Ding. Die überzogen horrormäßigen Grafiken und die meist überstrapazierten Würfelorgien sind doch eher etwas für pubertierende Teenager und ewig Junggebliebene.
Keine allzu guten Vorzeichen also für Thunderstone, einem Spiel aus dem Pegasus Verlag. Auch hier machen nämlich gar grrrässliche Wesen und schröckliche Kreaturen den Abenteurern verschiedener phantastischer Rassen in finsteren Dungeons das Leben schwer. Würfel findet man in der quadratischen Schachtel hingegen vergebens. Ein Umstand, der doch leise Hoffnung aufkommen lässt. Nun gut, dann will ich mal nicht so sein und meine Ledersandalen schnüren, die Klinge meines Schwertes schleifen und beherzt in die unheimlichen Höhlen hinabsteigen.
Ablauf
Meine Ausrüstung ist anfangs allerdings nur auf das Notwendigste beschränkt: 6 tapfere, aber nicht gerade kampfstarke Männer ("Miliz") haben sich meiner Gruppe angeschlossen, die mit gerade mal zwei Dolchen, zwei Fackeln und zwei Proviantkisten ihr Auskommen finden muss. Lächerlich im Hinblick auf die furchteinflößenden Monster, die uns im Dungeon erwarten.
Milizen, Dolche, Fackeln und Proviant kommen allesamt als Karten vor, es sind die so genannten Basiskarten. Aber auch das gesamte restliche Spielmaterial kommt in Kartenform daher: Monster, Dorf, Helden, etc. Wir haben es folglich mit einem reinen Kartenspiel zu tun. Zu Beginn jeder Runde halte ich sechs Karten von meinem eigenen Nachziehstapel auf der Hand. Damit lässt sich schon mal vorhersehen, ob ich mit den zur Verfügung stehenden Mitteln eine Chance habe, gegen die lauernden Monster anzukämpfen, denn es liegen stets 3 Monsterkarten offen aus.
Um ein bestimmtes der ausliegenden Ungetüme im Dungeon besiegen zu können, muss mit den Angriffswerten aller beteiligten Helden, Waffen, Zaubersprüche (und sonstigem) der Wert seiner Lebenspunkte erreicht oder überschritten werden. Sind außerdem nicht ausreichend Lichtquellen, wie etwa Fackeln oder Laternen für die nach innen immer dunkler werdende Höhle vorhanden, gibt es Lichtabzüge auf den addierten Angriffswert. Reichen meine Karten aus, um eine Kreatur zu besiegen, erhalte ich die Monsterkarte als Belohnung auf meinen Ablagestapel. Sie bringt mir am Spielende Punkte ein; je stärker die Kreatur, umso mehr Siegpunkte ist sie wert. Zusätzlich sammle ich Erfahrung, indem ich mir die angegebene Anzahl an Erfahrungskarten nehmen darf.
Sehr oft lässt sich aber schon leicht ausrechnen, dass ich keines der ausliegenden Monster erfolgreich bezwingen kann. In diesem Fall statte ich dem nächstgelegenen Dorf einen Besuch ab, um mich besser auszurüsten. Vor allem bei Spielbeginn werde ich des Öfteren diese Option nutzen. Neben den Basiskarten liegen stets auch noch 8 weitere Dorfkarten offen aus: stärkere Waffen, wie Flammenschwerter oder Kriegshämmer; Zaubersprüche, wie Feuerbälle; oder sonstige nützliche Sachen, wie Laternen, magische Gegenstände u. ä. Außerdem finde ich im Dorf Helden, die weit mehr drauf haben als meine Milizen: Amazonen, Gralsritter, Zwerge, Magier, Barbaren, u. v. m. - mit zum Teil recht mächtigen Sonderfähigkeiten. Allerdings bekomme ich all diese "needful things" nicht umsonst. Je nach Stärke und Fähigkeit einer Karte muss ich mehr oder weniger viel Gold dafür bezahlen. Will ich im Dorf einen Kauf tätigen, ermittle ich den Gesamtgoldwert meiner Handkarten und darf davon eine beliebige Karte aus dem Dorf erwerben. Konnte ich zudem schon etwas Erfahrung sammeln, darf ich Helden aus meiner Kartenhand "hochstufen", indem ich die betreffende Karte aus dem Spiel gebe, die erforderliche Anzahl an Erfahrungskarten abgebe und mir einen Helden der nächsthöheren Stufe nehme.
Relativ früh schon ist der Nachziehstapel leer. Immer wenn dies passiert, wird der Ablagestapel inklusive aller neu erworbenen Dorfkarten, eroberten Monsterkarten, hochgestuften Helden etc. gemischt und daraus ein neuer Nachziehstapel gebildet. Auf diese Weise wird meine Kartenhand natürlich immer effektiver, weshalb ich auch gegen stärkere Monster antreten, mir noch bessere Ausrüstung leisten und qualifiziertere Helden engagieren kann.
Mit der Zeit wird der Stapel der Monsterkarten immer weniger, bis schließlich der "Donnerstein" auftaucht, der dem Spiel seinen Namen verleiht. Gelangt dieses Artefakt an die vorderste Position des Dungeon, erhält es der Spieler, der das davor liegende Monster besiegen konnte, als Belohnung (3 Siegpunkte) dazu, und das Spiel endet augenblicklich. Jeder addiert nun die Siegpunkte seines gesamten Kartendecks. Es gewinnt, wer insgesamt die gefährlichsten Kreaturen bekämpfen, also die meisten Siegpunkte sammeln konnte.
Fazit
Kommt Ihnen das Spielprinzip irgendwie bekannt vor? Thunderstone ist ein so genanntes "Deckbuilder Game", bei dem im Laufe des Spiels durch Kauf und anderen Aktionen ein immer stärkeres, besseres Kartendeck aufgebaut wird. Dominion - das "Spiel des Jahres 2009" - war das erste Spiel dieser Art, dessen Erfolg logischerweise schon bald ein paar Nachahmer gefunden hat.
Im Vergleich zu Dominion ist es jedoch deutlich komplizierter. Die Helden haben einen bestimmten Angriffswert, der durch Waffen erhöht werden kann. Um eine Waffe führen zu können, muss ein Held jedoch über ausreichend Kraft verfügen. Mit Proviant und ähnlichem lässt sich wiederum die Stärke erhöhen. Zudem haben einige Helden einen magischen Angriffswert oder andere spezielle Fähigkeiten, während manche Monster gegen bestimmte Waffen immun sind, einen Schutz gegen magische Angriffe besitzen, oder sonstige Feinheiten. Da außerdem auch auf das Licht aufzupassen ist, kann ein Angriff im Dungeon zu einer mittelschweren Rechenaufgabe anwachsen. Dies hemmt den Spielverlauf und wirkt für viele etwas störend.
Obwohl man bei Thunderstone stets sechs Handkarten hat, kann es trotzdem sehr oft passieren, dass es knapp nicht ausreicht oder dass irgendetwas fehlt. Mal hat man nicht die passenden Waffen, mal sind die Helden zu schwach, dann ist wieder nicht genug Licht für einen erfolgreichen Angriff vorhanden, oder der Kreatur ist nur mit Magie beizukommen. Zwar muss auch bei Dominion einiges zusammenpassen, damit "das Werkl läuft", aber die Frustgrenze ist bei Thunderstone wesentlich schneller erreicht. Ein weiteres Hindernis kann sein, dass die zufällig gezogenen Monsterkarten nicht mit den Dorf- und Heldenkarten zusammenpassen. Dass es also für die Spieler entweder viel zu leicht und unspektakulär wird, oder aber - noch schlimmer - so schwierig, dass sich das Spiel ziemlich in die Länge zieht, bis man endlich den Dungeon genügend "ausgeräumt" hat.
Auch in punkto Interaktion hat Thunderstone gegenüber Dominion Defizite. Konnte man bei Letzterem mit diversen Angriffskarten direkt in fremde Königreiche eingreifen, beschränkt sich der Kontakt mit den Mitspielern hier (bis auf die Sonderfähigkeit einer einzigen Heldenrasse des Grundspiels) nur auf das eventuelle Wegschnappen von Monstern oder attraktiven Dorfkarten und/oder Helden.
Der letzte Kritikpunkt, den ich anbringen muss, wird aber wahrscheinlich in den kommenden Monaten widerlegt oder zumindest abgeschwächt werden. Für meinen Geschmack bietet nämlich das Grundspiel etwas zu wenig Variation. Ich bin mir aber sicher, dass in den (bereits erschienenen und zukünftigen) Erweiterungen nicht nur neue Monster, Helden und Dorfkarten zu finden sein werden, sondern das Spiel durch neue Ideen auch abwechslungsreicher und interessanter wird.
Die Vorzeichen waren denkbar ungünstig: Ein Spielethema, das mich nicht wirklich begeistert, und ein Spielmechanismus, der zwar von Dominion abgekupfert wurde, aber bei weitem nicht so gut funktioniert. Das Erstaunliche aber ist, dass es mir trotzdem irgendwie gefällt. Ich finde es reizvoll, das Spielsystem auszuprobieren, mögliche Taktiken auszuloten, beim Deckzusammenbau zu experimentieren und das Beste aus den zufällig gezogenen Dorf-, Monster- und Heldenkarten zu machen. Und auch meine Mitspieler fanden Gefallen an Thunderstone. Ich kann natürlich nicht prophezeien, wie lange der Spielreiz noch anhalten wird. Solange ich aber noch gespannt bin, was die Erweiterungen Neues bringen, wird man mich nicht lange zu einer Partie Thunderstone überreden müssen ...
Rezension Franky Bayer
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.