Rezension/Kritik - Online seit 13.06.2022. Dieser Artikel wurde 8261 mal aufgerufen.

Jekyll vs. Hyde

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Autor: Geonil
Illustration: Vincent Dutrait
Verlag: Mandoo Games
Nice Game Publishing
Rezension: Andreas Frank
Spieler: 2
Dauer: 30 Minuten
Alter: ab 8 Jahren
Jahr: 2021
Bewertung: 5,3 5,3 H@LL9000
5,8 5,8 Leser
Ranking: Platz 109
Download: Kurzspielregel [PDF]
Jekyll vs. Hyde
Auszeichnungen:2021, Golden Geek Bestes 2-Spieler Spiel Nominierung

Spielziel

Die Umsetzung von literarischen Stoffen zu einem Gesellschaftsspiel ist in den vergangenen 30 Jahren schon oft probiert worden. So auch mit der Novelle „Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ von Robert Louis Stevenson aus dem Jahr 1886, an der sich Wolfgang Werner einst versucht und dessen Idee eines ungewöhnlichen Stichspiels für 3 bis 4 Spieler vor zwanzig Jahren (2002) vom Bambus Spieleverlag herausgebracht wurde.

Die vorliegende Umsetzung durch den Koreaner Geon-Il führt in ein kompetitives 2-Personen-Stichspiel (Gut / Jekyll gegen Böse / Hyde) mit der divergierenden Aufgabenstellung, die Spielfigur nicht (Jekyll) bzw. möglichst weit (Hyde) zu bewegen. Damit soll das zunehmende Verschwinden Dr. Jekylls aus der Geschichte nachempfunden werden.

Ablauf

Zu Beginn des Spiels steht die Figur auf Dr. Jekylls Seite des Spielbrettes.

Nach Verteilung der Karten (20 von 25 / jeweils 7 mit den Werten von 1 bis 7 in den Farben grün, lila und rot sowie 4 Sonderkarten mit den Werten 2+ bis 5+) werden 1 bis 3 Karten an den Gegner geschupft, wobei man mindestens eine Sonderkarte abgeben muss, so man mehr als 1 davon hat.

Zu Beginn einer Runde startet man ohne eine Rangfolge der Farben der Karten. Diese ergibt sich in der Reihenfolge des Ausspielens und wird über Farbmarker auf dem Spielbrett angezeigt. Zuerst ausgespielte Farbe -> niedrigster Rang; als zweites ausgespielte Farbe -> mittlerer Rang; übrige Farbe -> höchster Rang.

Es folgt ein Stichspiel mit dem üblichen Bedienzwang, wobei immer die höherrangige Farbe den Stich gewinnt, innerhalb einer Farbe die höhere Zahl. (Veteranen fühlen sich vielleicht dunkel an Trumpet / König Artus´ Tafelrunde erinnert.)

Das Ausspielen einer Sonderkarte bewirkt eine sofortige Aktion in Abhängigkeit von der gespielten / zu spielenden Kartenfarbe des anderen Spielers (grün – Tausch von jeweils (ein oder) zwei Karten / lila – einen Stich des Gegners nehmen / rot – sofortige Auflösung der Farbränge). Den Stich erhält der Spieler mit dem höheren Zahlenwert. Bei zwei Sonderkarten gibt es keine Aktion.

Nach dem Ausspielen aller 10 Karten zählt jeder Spieler seine Stiche und um die absolute Differenz beider Anzahlen bewegt sich die Spielfigur in Richtung Mr. Hyde.

Wenn nach der Runde das 10. Spielfeld noch nicht erreicht ist, wird eine weitere Runde gespielt, aber maximal sind drei. Schafft es Dr. Jekyll nach der dritten Runde noch nicht auf dem 10. Feld angekommen zu sein, gewinnt dessen Spieler das Spiel, ansonsten Mr. Hyde.

Fazit

Als bekennender Stichspielfreund hat mir die Grundidee (Dr. Jekyll muss möglichst so spielen, dass beide Spieler gleich viele Stiche erhalten, Mr. Hyde das genaue Gegenteil) so gut gefallen, dass das für mich allein für mich schon ein Kaufanreiz war. Zudem wollte ich die Erfahrung machen, ob ein kompetitives Stichspiel für 2 Personen überhaupt attraktiv sein kann, da die meisten Stichspielkonkurrenten mindestens drei Spieler voraussetzen.

Bei Öffnen des Kartons trat bei mir eine erste, minimale Ernüchterung durch die viele Luft im Karton auf. Zwar ist die enthaltene Spielfigur dreidimensional, recht schwer, da aus einem mir nicht näher bekannten Metall und vor allem auf der einen Seite mit dem Antlitz von Dr. Jekyll sowie auf der gegenüberliegenden Seite mit dem Antlitz von Mr. Hyde geprägt. Weiterhin ist das Vorliegen eines Spielbretts in einem Kartenspiel ist auch nicht unbedingt üblich. Womit eine kleinere Verpackung ausgeschlossen gewesen wäre, aber sind diese Komponenten wirklich notwendig? Die übersichtliche Anzahl Karten und Chips wären z. B. mit einem Block vermutlich weniger kostenintensiv gewesen. Aber das muss der Interessent für sich entscheiden.

Die Gestaltung von Karten, Chips, Spielfigur und -brett ist – wie bei französischen Illustratoren (hier: Vincent Dutrait) üblich – sehr auf eine packende Atmosphäre ausgelegt. Das muss man wohl berücksichtigen, ansonsten ist man von der Materialfülle in Relation zum für ein Kartenspiel recht stattlichen Kaufpreis vielleicht enttäuscht.

Die Karten sind in ordentlicher Qualität, allerdings erscheint im Hinblick auf die Häufigkeit der Nutzung aller Karten im Spiel der Erwerb von Kartensleeves sinnvoll, um die Besonderheit der Grafik zu erhalten.

Die Spielregel ist mit 8 Seiten überschaubar und lässt eigentlich keine Fragen offen, was hier lobend erwähnt werden soll, da das nicht bei allen Spielen mit derart kurzer Regel der Fall ist.

Das Spiel als solches ist flott gespielt und wird bei Regelkenntnis beider Spieler die angegebene durchschnittliche Spieldauer von 20 Minuten selten überschreiten.

Im Spiel selbst wurde man nach mehreren Runden in der Rolle des Dr. Jekyll das Gefühl nicht los, dass die Rolle des Mr. Hyde wesentlich stärker ist, wenn sich zwei ungefähr gleich starke Spieler gegenübersitzen. So erschien es mir (und meinen Mitspielern) relativ einfach, eine Extremstrategie (auf möglichst viele bzw. wenige Stiche) zu spielen, welche als Folge den Spieler des Mr. Hyde seinem Spielziel in großen Schritten näher bringt. Über die Sonderkarten war das Spiel aus meiner Sicht für Dr. Jekyll nicht sonderlich effektiv in Richtung Nivellierung der Stiche zu führen. Was nutzt mir mein Vorhaben, wenn ich weiß, dass mein Gegenspieler die gewünschte Farbe nicht (mehr) auf der Hand hat? Aber bestimmt habe ich nur taktisch schlecht gespielt.

Der Verlag ist sich der Schwere der Rolle von Dr. Jekyll durchaus bewusst und bietet für den Fall der Unzufriedenheit mit der Rolle die Variante „Revanche“ an, die zwei Partien hintereinander mit wechselnden Rollen vorsieht. Grundsätzlich schon mal gut, dass erkannt wurde, dass Frustrationspotenzial vorhanden ist und man hier Abhilfe schaffen möchte. Allerdings müsste man m. E. dafür nachhalten, wie viele Punkte Mr. Hyde nach drei Runden wirklich bekommen hätte. Nach der Regel soll man nur bis 10 Punkte zählen, so wie das Brett es beschränkt und im Fall, dass beide Spieler auf 10 Punkte kommen, müsste man dann auch noch aktiv nachgehalten haben, wie viele Runden man dafür gespielt hat. Mein Vorschlag wäre, zu zählen, wie viele Punkte man mit Mr. Hyde nach 3 Runden erzielt hat und das eben nicht auf 10 Punkte zu begrenzen. Von daher empfinde ich die Variante eher suboptimal.

Was ich bisher geschrieben, könnte man als nicht zwingend positive Kritik auslegen. Dabei wollte ich das Spiel gerne total gut finden.

Unterstreichen wir einmal das Positive: Das ist sicherlich die graphische Gestaltung (vor allem der Spielfigur) und die Kürze der Spielzeit, welche mit 20 Minuten angegeben wird und vermutlich selten überschritten werden muss. Von daher werde ich keiner weiteren Runde eine Absage erteilen, aber ob dieses Spiel das Zeug für die Ewigkeit hat, wird sich erst zeigen müssen. Mit den unterschiedlichen Spielerzielen hat es zumindest als reines 2-Personen-Spiel im Genre Stichspiele aktuell noch ziemlichen Alleinstellungsstatus.

Der Adressatenkreis ist eher im Bereich der Familien-, vielleicht Kennerspieler zu finden. Expertenspieler / Hardcorestrategen, die nichts dem Zufall überlassen wollen, werden an diesem Produkt nicht so viel Freude haben (zu kurz, zu einfach, zu glückslastig). Man muss sich im Klaren darüber sein, dass es eine Rolle schwieriger ist als die des Gegenspielers. Überdies müssen dies beide Spieler wollen.

Aufgrund der Beschränkung auf 2 Personen und der kurzen Spieldauer ist es grundsätzlich ein Spiel zum Überbrücken, sagen wir z.B. einer restlichen Mittagspause oder bis die noch fehlenden Akteure des Spieleabends eingetroffen sind. Allerdings ist es auch schon vorgekommen, dass mehrere Partien gespielt wurden, bspw. bis zum ersten Mal Dr. Jekyll gewinnt.

So verbleibt noch die Frage nach meiner endgültigen Bewertung. Hier vergebe ich nach langem Nachdenken eine 5.

Rezension Andreas Frank

Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.

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H@LL9000-Bewertungen

H@LL9000 Wertung Jekyll vs. Hyde: 5,3 5,3, 3 Bewertung(en)

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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 09.05.22 von Andreas Frank
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 02.05.22 von Michael Fuchs - Eines der besten Zweipersonen-Kartenspiele, die ich kenne. Die Reihenfolge der Kartenwertigkeit entsteht im Laufe des Spiels und kann sich auch wieder ändern. Trunkkarten bringen zusätzliche Aktionen ins Spiel. Gezählt wird nur die Differenz der Stiche der Spieler. Mr. Hyde gewinnt, wenn er in drei Runden 10 solcher Differenzen erreicht hat - ansonsten gewinnt Dr. Jekyll. Super!
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 26.10.23 von Michael Andersch - Ich bin leider zu blöd es zu spielen und verkacke in beiden Rollen. Aber das Spiel ist sehr reizvoll und hat ein gewisses Suchtpotential, auch wenn ich es jetzt nicht zu den besten 2er-Kartenspielen zählen würde. Aber es ist sehr ungewöhnlich und somit erfrischend, weswegen ich einen Bonuspunkt vergebe.

Leserbewertungen

Leserwertung Jekyll vs. Hyde: 5,8 5.8, 8 Bewertung(en)

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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 20.03.22 von Der Fisch - Ein absolutes Super-Spiel! Es handelt sich kompliziert gesagt um ein asynchrones Zwei-Personen-Stichspiel mit aktionsaktivierendem Trumpfmechanismus. Viel einfacher: Jekyll vs. Hyde macht eine Menge Spaß. Zu zweit spielt man nacheinander Karten. Das können Karten der drei Farben von 1-7 oder eine "Trunk"-Karte sein. Letztere sorgt in Kombination mit einer bestimmten Farbe für einen Effekt, der wohlgeplant sein möchte. Je nachdem, wann welche Farbe angespielt wird, ergibt sich deren Rang: die erste Farbe ist am rangniedrigsten, danach folgen die zweit- und dritt-gespielte Farbe. Nach jeder von insgesamt drei Runden folgt der asynchrone Anteil an diesem Spiel: die Wertung. Denn während Dr. Jekyll versuchen muss, dass möglichst beide Seiten etwa gleich viele Stiche machen, möchte Mr. Hyde in eine der beiden Richtungen ziehen. Denn aus der Differenz beider Stiche ergibt sich ein Wert, der auf einem kleinen Spielplan vorgerückt wird. Werden 10 Schritte erreicht (es geht nur in die eine Richtung) gewinnt Hyde. Schafft Jekyll, die Balance zu halten, gewinnt er. Man merkt es vielleicht: es steckt eine enorme Menge in der kleinen Schachtel. Hinzu kommt eine wertige Metall-Spielfigur, ein sehr gut gestaltetes Artwork und die doch recht schnell verinnerlichten Regeln. Das ist ein gutes Brettspiel im Jahr 2022.
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 23.03.22 von Martin - Wirklich wirklich toll. Normalerweise spielen wir an einem Abend immer ein paar spiele aber nach der allerersten Partie Jekyll vs. Hyde haben wir nur noch das den ganzen Abend gespielt. Hat durchaus tiefgang wenn man länger spielt aber ist trotzdem kurzweilig genug (Na gut dann schnell noch eine Partie).
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 28.03.22 von Peter Steinert - Für mich das beste Zweierspiel des aktuellen Jahrgangs! Durchaus anspruchsvoll zu spielen, dynamisch und mit oft überraschendem Verlauf. Macht süchtig! Einige unscheinbare Regeldetails sollten unbedingt genau beachtet werden, sonst bleibt der Spielspaß möglicherweise aus (Ein Trank darf auch dann gespielt werden, wenn man Farbe bedienen könnte, / Bei Farb-ANSAGE darf ein Trank nur gekontert werden, wenn man die geforderte Farbe nicht hat, usw...). Die Ausstattung hat Flair, ohne überladen zu wirken. Ein Platz auf der Longlist SdJ sollte dieser kleinen Spieleperle damit reserviert sein...
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 03.06.22 von Arp - Tolles, innovatives Stichspiel für zwei Personen: - sehr schöne Illustrationen und hochwertiges Material. - neben der besonderen Aufmachung hebt sich das Spiel aber auch mechanisch durch die Trank-Karten von klassischen Stichspielen ab: diese führen immer wieder zu Überraschungsmomenten und ermöglichen oft auch mit einem vermeintlich schlechten Blatt das Spiel noch zu gewinnen.
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 17.06.22 von edru - Top Stichspiel zu zweit. Was besseres als Stichspiel zu zweit kaum gespielt. Annähernd gut sind "Der Fuchs im Wald" und "Claim".
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 03.08.22 von Heike - Oh man, was haben wir uns zu Beginn blöd angestellt. Es ist halt doch etwas anders, als ein normales Stichspiel, wo die höchste Zahl der gleichen Farben gewinnt. Nach einigen Runden haben wir dann bemerkt, dass wir da was falsch spielen und Voila - auf einmal war ein ganz anderes Spielgefühl da. Auch haben wir in der ersten Runde beide versucht möglichst viele Stiche zu bekommen - natürlich auch falsch :-) In unserer dritten Runde hatten wir dann alles richtig und es ist wirklich ein gutes Stichspiel zu zweit, was sich halt auch anders spielt wie typische Stichspiele. Die Karten sind etwas dünn, ggf. muss man die sleeven.
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 15.08.22 von Christo - Asymetrisches Stichspiel zu zweit,. das ist neu und spannend. Ich verzeihe deswegen, dass Mr. Hyde schon Vorteile hat, die ein guter Jekyll-Spieler aber einfangen kann. Klare Empfehlung!
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 01.05.24 von sutrebuh - Gut und böse! Ein kniffliges Stichspiel für zwei Personen, das richtig gut funktioniert, schweißtreibend spannend und trotzdem mit spielerischer Leichtigkeit. Aber da ist noch die andere Seite des Spiels: Die Werte wurden nur auf den oberen Ecken der Karten aufgedruckt, sodass man fleißig drehen muss. Über dieses dysfunktionale Stadium der Gestaltung von Kartenspielen sollten wir doch längst hinaus sein. Dann ist da noch der schwere, kantige Metallklotz zur Anzeige des Spielstands, der die Karten ramponiert, wenn er durch die Schachtel rumpelt. Und schließlich ein völlig aus der Zeit gefallener überdimensionierter Karton für die paar Karten. Gutes Spiel, böse Redaktion!

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