Spielziel
Anno 1701 sticht das Handelsschiff "Möve" im Auftrag der Königin in See. An Bord befinden sich Pioniere, die das Ziel haben, an der Küste einer fruchtbaren Insel eine florierende Handelsstadt zu errichten. Da auf der Insel ein Konkurrent mit gleicher Mission gelandet ist, beginnt nun ein Wettstreit um die Gunst der Königin.
Ablauf
Zu Beginn besteht jede Siedlung aus vier Pionieren, zwei Dorfzentren, Lagerhäusern für Rum und Tabak sowie einem Handelsschiff. Die Landschaften der Insel liefern Waren in Form von Nahrung, Tuch, Werkzeugen, Steinen und Holz, die zur Errichtung von Gebäuden, Reparatur des Schiffes und Aufwertung der Pioniere zu Siedlern genutzt werden können.
Die Gebäude haben unterschiedliche Funktionen. Farmen und Holzfällerhütten zum Beispiel vermehren die Erträge der Landschaften. Webereien, Werften und Kanonengießereien verbessern die Ausstattung des Schiffes und Kirchen und Schulen dienen der Zufriedenheit der Einwohner, was sich positiv auf den Goldvorrat auswirkt. Dies bringt die Entwicklung der Siedlung zwar einen entscheidenen Schritt voran und lässt eine Handels- sowie eine Seemacht entstehen, dennoch bleibt so der von der Königin geschätzte Wohlstand aus.
Um eine unbedeutende Siedlung zu einer Handelsmetropole aufzubauen, müssen Siedler zu wohlhabenden Bürgern und diese wiederum zu ehrenwerten Kaufleuten aufsteigen. Dafür werden jedoch die Luxuswaren Tabak und Rum benötigt, die einzig und allein auf dem Seeweg bei fremden Völkern und Händlern zu erwerben sind. Die Handelsfahrten sind allerdings mit einem nicht geringen Risiko verbunden, da das Schiff sowohl auf Wirbelstürme und gefährliche Klippen stoßen als auch unliebsamen Piraten begegnen kann. Diese Begegnungen hinterlassen bei dem Handelsschiff oft deutliche Spuren und nicht selten wird es dabei ganz zerstört.
Den Wettstreit um die Gunst der Königin gewinnt derjenige, der entweder zuerst zwei Kaufleute zu seinen Einwohnern zählt oder durch Aufwertung seiner Einwohner sieben Gunstpunkte aufweist, wobei Siedler einen, Bürger zwei und Kaufleute drei Punkte liefern. Mitunter kann das Spiel auch vorzeitig enden. In diesem Falle spielen die Dorfzentren eine entscheidende Rolle. Sie beherbergen den Goldvorrat, welcher gleichzeitig einen Indikator für die Zufriedenheit der Einwohner darstellt. Schmilzt dieser Vorrat dahin, kommt es zum Aufruhr. Geschieht dies in beiden Dorfzentren, führt das zu einem frühzeitigen Ende, da die Königin über diesen Zustand "not amused" ist und ihre Gunst sofort dem Konkurrenten zukommen lässt.
Fazit
Anno 1701 - Das Kartenspiel ist die Umsetzung des Computerspiels als eigenständiges Kartenspiel für zwei Personen. Klaus Teuber hat dabei auf die bewährte spielerische Grundstruktur von "Die Siedler von Catan - Das Kartenspiel" zurückgegriffen und mit bekannten Elementen aus Sternenschiff Catan, Anno 1503 sowie einigen neuen Ideen kombiniert.
Das Spielmaterial ist mit seinen großen Holzwürfeln und den beiden Holzfiguren, die Handels- und Seemacht darstellen, sehr ansprechend. Die Spielanleitung ist gut verständlich und lässt somit auch keine Kritik aufkommen. Lediglich die Grafik, die dem Computerspiel nachempfunden wurde, ist recht unscharf. Die auf den Rückseiten der Einwohner aufgedruckten Waren sind schlecht zu erkennen, da alles grau in grau gehalten wurde. Dies sind jedoch nur Kleinigkeiten, die allenfalls in den ersten Spielen ein wenig stören.
Der Spielablauf und die Spielmechanismen sind aufgrund der Parallelen zur Catan-Familie größtenteils bekannt und lediglich an einigen Stellen modifiziert worden. Die Siedlung hat eine feste Größe und verfügt über 16 Ausbauplätze für Gebäude. Dies sieht auf den ersten Blick zwar bescheiden aus, erweist sich aber als vollkommen ausreichend, da Gebäude nur indirekt zum Sieg beitragen und der Schwerpunkt des Spiels in der Aufwertung der Einwohner besteht.
Auch bei den Spielzügen muss man sich nicht großartig umstellen. Zunächst werden für beide Spieler die Waren nach guter alter Catan-Manier ausgewürfelt und die entsprechenden Landschaftskarten auf den neuen Bestand gedreht. Der Symbolwürfel beschert anschließend noch eins von sechs Ereignissen, die sich auf den Gold- bzw. Warenbestand auswirken. Dann kann nach Belieben mit dem Gegner oder der Bank getauscht, Aktionskarten eingesetzt oder gegen Abgabe von Waren Gebäude errichtet oder Einwohner aufgewertet werden. Zum Schluss des Spielzuges hat man nun jedoch die Alternative, entweder seine Handkarten zu ergänzen oder sein Schiff in See stechen zu lassen.
Entscheidet man sich für das Nachziehen, so stehen einem allerdings nicht alle 54 Ausbaukarten zur Verfügung. Die Karten sind in drei Gruppen à 18 Karten eingeteilt. Zählt man nur Pioniere zu seinen Einwohnern, muss man sich auf die erste Gruppe beschränken. Bei Siedlern darf man schon den zweiten Stapel hinzunehmen und mit einem Bürger in seinen Reihen hat man die uneingeschränkte Auswahl. Um an die lukrativeren Karten zu kommen, ist es daher erforderlich, seine Einwohner möglichst schnell aufzuwerten.
Handelsfahrten sind das zentrale Element des Spiels, da nur auf diesem Wege Rum und Tabak für die Aufwertung der Einwohner beschafft werden können. Voraussetzung für eine erfolgversprechende Seefahrt sind einerseits ausreichend Gold zum Wareneinkauf und zur Abwehr von Piraten und andererseits ein intaktes Schiff, welches durch viele Segel und Kanonen sowohl schnell als auch wehrhaft ist. Ziel der Fahrten ist es, möglichst unbehelligt zu fremden Völkern zu gelangen. Dies ist ein sehr glückslastiges Unternehmen, da sich von den 18 Karten des Seefahrtstapels ca. 50 % negativ auf den Zustand des Schiffes auswirken können.
Der Glücksfaktor tritt sogar mehrfach auf. Zum einen ist es fragwürdig, ob man überhaupt einem fremden Volk begegnet, das die Wohlstandsdrogen verkauft, zum anderen können auf der Fahrt Wirbelstürme und Klippen das Schiff derart beschädigen, dass es zerstört wird und die Fahrt vorzeitig endet. Des Weiteren besteht auch immer die Gefahr, auf einen oder mehrere Piraten zu treffen. Ein mit Kanonen aufgerüstetes Schiff hat zwar eine gute Ausgangsposition, ein Gefecht erfolgreich zu überstehen, letztendlich entscheidet aber das Würfelglück über den Kampfausgang und somit über Goldertrag oder ein beschädigtes Schiff. Diese Glückslastigkeit bei einem derart spielentscheidenden Element wie der Handelsfahrt hinterlässt leider einen unbefriedigenden Eindruck.
Im gesamten Spielablauf spielt der Zeitfaktor eine wichtige Rolle. Zunächst verläuft das Spiel recht abwechslungsreich, indem beide Spieler je nach Warenbestand ihre Siedlung ausbauen, Pioniere aufwerten oder auch mal eine Seefahrt unternehmen. Sobald jedoch beide Spieler durch Gebäudeausbauten ihr Schiff ausreichend aufgerüstet haben und für die Aufwertung der Einwohner Genusswaren benötigen, wird der Spielablauf zunehmend repetitiver. Ab diesem Zeitpunkt geht es nur noch darum, auf Handelsfahrten Rum und Tabak zu kaufen und dies möglichst schneller als der Gegner. Wenn einem Fortuna dann nicht wohlgesonnen ist, verliert man schnell ein, zwei Züge an den Konkurrenten. Mitunter kann das Spiel dann sehr langatmig werden, wenn beide Spieler nur noch damit beschäftigt sind, ihr Schiff wieder flott zu machen, um es dann wieder von Klippen etc. zerstören zu lassen. Dies wirkt sich dann nicht gerade positiv auf den Spielspaß aus und lässt die gefühlte und tatsächliche Spieldauer deutlich ansteigen.
Die angegebene Spieldauer von knapp 60 Minuten ist eher als Durchschnittswert anzusehen. Unsere Spiele dauerten in der Regel 80 bis 90 Minuten. Bei einem vorzeitigen Ende durch Aufruhr in den Dorfzentren waren Spiele auch schon einmal nach 30 Minuten zu Ende. Dies passierte jedoch sehr selten.
Anno 1701 - Das Kartenspiel kann und will seine Wurzeln nicht verleugnen. Im direkten Vergleich zum Catan-Kartenspiel kommt es hinsichtlich Spieltiefe, Interaktion, Entscheidungs- und Einflussmöglichkeiten jedoch nicht an das Original heran. Fans des Siedlerkartenspiels werden daher von dieser vereinfachten Version enttäuscht sein, was nicht heißen soll, dass das Spiel schlecht ist. Im Gegenteil - es ist solide gemacht und mit einem geringeren Glücksfaktor und flotteren Spielablauf wäre es wirklich gut. So aber wird es, wenn man die Wahl zwischen beiden Spielen hat, immer den zweiten Platz belegen.
Rezension Monika Harke
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.