Spielziel
Ihr befindet euch im frühen Mittelalter, im Jahr 850 n. Chr. Dort errichtet ihr unterschiedliche Gebäude und wetteifert mit den anderen Spielern um den Weiterbau der großen Kathedrale. Dazu braucht ihr Ressourcen, die ihr erwerben müsst, und Lehrlinge mit verschiedenen Fähigkeiten, die ihr einstellen könnt. Durch die Gebäude, den Ausbau der Kathedrale, tugendhaftes Verhalten sowie den Besitz von Ressourcen könnt ihr Siegpunkte erwirtschaften. Nachdem eine bestimmte Anzahl von Gebäuden errichtet und Ausbauten an der Kathedrale ausgeführt wurden, gewinnt der Spieler mit den meisten Siegpunkten.
Ablauf
Jeder Spieler erhält ein Spielertableau sowie 20 Arbeiter, Silbermünzen aus dem allgemeinen Vorrat und einen Spielermarker, der auf das Feld unter die Kathedrale gelegt wird. Gleichzeitig startet er mit 7 Tugenden auf der Tugendleiste des Spielbrettes. Dann werden Gebäudekarten gezogen und ausgewählt, so dass jeder mit 3 Gebäudekarten startet. Durch den Bau der Gebäude werden unterschiedliche Siegpunkte generiert, und die Gebäude haben zum Teil Effekte, wenn sie gebaut werden. So erhält man z. B. beim Errichten des Holzfällerlagers sofort 4 Holz, oder man kann sofort einen beliebigen Lehrling anwerben, wenn man die Schenke errichtet hat.
Mit den Arbeitern werden auf dem Spielfeld Ressourcen wie Lehm, Holz, Stein, Gold, Marmor und Silber erwirtschaftet sowie Lehrlinge rekrutiert, die zum Gebäudebau und zum Weiterbau an der Kathedrale benötigt werden. Pro Spielzug wird 1 Arbeiter auf das Spielfeld gesetzt. Dabei gilt: Je öfter ein Spieler den gleichen Ort aufsucht, desto mehr profitiert er. Wird zum Beispiel der erste Arbeiter in den Steinbruch gesetzt, gibt es 1 Stein, beim zweiten 2 Steine und beim dritten 3 Steine. Es können sich an den meisten Orten auch Arbeiter unterschiedlicher Spieler gleichzeitig befinden.
Wenn man alle Rohstoffe und eventuelle Lehrlinge für einen Bau zusammen hat, setzt man 1 Arbeiter in die Zunfthalle und gibt die notwendigen Ressourcen ab - den Lehrling kann man behalten. Die Karte des gebauten Gebäudes legt man vor sich ab, so dass man dann auch den Gebäudeeffekt nutzen kann. Es gibt Effekte, die sofort ausgelöst werden, aber auch Effekte, die erst am Spielende bei der Wertung zum Tragen kommen. Baut man an der Kathedrale weiter, wird ein Arbeiter in die Zunfthalle und eine beliebige Gebäude-Handkarte in die Ablage gelegt. Der Spielermarker in der Kathedrale rückt eine Stufe nach oben, und man sichert sich Siegpunkte. Dann erhält man je nach Situation 1 oder 2 Tugenden und eventuell auch Rohstoffe. Auf jeden Fall verbessert sich die Position auf der Tugendleiste, was sich später in Form von Siegpunkten niederschlagen kann.
Bei verschiedenen Aktionen, wie zum Beispiel beim Einkauf auf dem Schwarzmarkt, verliert man Tugendpunkte. Hat man zu wenig Tugendpunkte, darf man nicht mehr an der Kathedrale mitbauen, ist man ganz am unteren Ende der Tugendleiste angekommen, braucht man zumindest keine Steuern mehr zu zahlen.
Setzt ein Spieler seinen Arbeiter auf den Marktplatz, kann er Arbeiter anderer Spieler gefangen nehmen. Diese fremden Arbeiter bringen ihm pro Stück 1 Silber, wenn er sie im nächsten oder einem späteren Spielzug ins Gefängnis setzt, wo der rechtmäßige Besitzer sie dann kostenlos auslösen kann.
Die Spieler sind immer reihum an der Reihe, bis eine bestimmte Anzahl von Bauarbeiten abgeschlossen ist und die Arbeiterfelder in der Zunfthalle belegt sind. Abschließend hat jeder Spieler noch einen letzten Spielzug. Dann werden die Siegpunkte zusammengezählt, die jeder erwirtschaftet hat, und derjenige mit den meisten Punkten ist Sieger.
Fazit
Das Spiel ist ansprechend illustriert, auch wenn mich die etwas grimmig dreinblickenden Architektinnen und Architekten am Anfang etwas irritiert haben. Freundlicher und zum Teil auch lustig kommen da die Lehrlingskarten rüber. Ein Pluspunkt übrigens, dass hier von den Geschlechterstereotypen abgewichen wird. Bei den Lehrlingen sind ebenso weibliche Figuren vertreten, neben Mäzenin und Kauffrau tauchen u. a. auch Holzfällerin und Torwächterin auf. Das Spielmaterial ist von guter Qualität, allein die doppelseitigen Tableaukarten sind so dünn, dass ich sie sofort laminiert habe. Ein Wertungsblock liegt nicht bei, aber eine Vorlage dazu kann als pdf auf der Verlagsseite heruntergeladen werden.
Die Spielregeln sind gut erklärt und auch Gelegenheitsspielern gelingt ein schneller Einstieg. Unklarheiten lassen sich im übersichtlichen Regelheft schnell nachschlagen. Gebäude- und Lehrlingskarten sind mit Piktogrammen versehen, die aber nicht immer auf den ersten Blick verständlich sind. Dafür gibt es zusätzlich einen Anhang, in dem die Lehrlingskarten einzeln erklärt sind. Die Gebäudeeffekte sind leider nicht genauso übersichtlich nach Gebäuden sortiert, sondern nach den Effekten, die sie auslösen. Das erschwert das schnelle Nachschlagen.
Der Spielverlauf ist sehr flüssig und zügig. Die Anzahl der zu errichtenden Gebäude wird jeweils an die Spieleranzahl angepasst. Es lässt sich sehr gut zu zweit spielen, und selbst wenn man zu fünft spielt, ist man sehr schnell wieder an der Reihe, da die meisten Aktionen rasch erledigt sind. Die Interaktion der Spieler hängt viel von ihnen selbst ab. Man kann ganz langweilig nebeneinander her spielen, da man sich kaum Aktionen "wegnehmen" kann. Zu Gedränge kann es lediglich auf dem Schwarzmarkt kommen, weil auf den 3 Schwarzmarktfeldern nur jeweils 1 Arbeiter stehen darf. Ein tugendhafter Spieler wird aber selten auf den Schwarzmarkt gehen, sondern seine Rohstoffe legal besorgen. Eng werden kann es allerdings beim Kathedralenausbau, denn dort können bei der 1. und 2. Stufe jeweils nur 3 Spieler, bei der 3. und 4. Stufe nur 2 Spieler und bei der letzten Stufe nur 1 Spieler bauen. Im Spiel zu viert oder fünft hat da schon mal jemand das Nachsehen. Arbeiter stehen zur Genüge zur Verfügung, und selbst wenn diese mal ausgehen, kann man sie einzeln in einem Spielzug vom Brett zurückholen oder man nutzt den Marktplatzeffekt.
Richtig Spaß kommt aber erst auf, wenn man auf Konfrontation spielt und die Arbeiter der Spielgegner gefangen nimmt. Zum einem wird der Mitspieler bei der Ressourcenbeschaffung gebremst und hat auch insgesamt weniger Arbeiter zur Verfügung. Zum anderen hat man selbst den Vorteil, dass man mit den Gefangenen auch richtig Geld machen kann, denn man bekommt 1 Silber pro abgeliefertem Gefangenen, wenn man ihn in einem späteren Zug ins Gefängnis bringt. Doch sollte man hier den Geldbeutel des Gegenspielers gut im Auge behalten, denn wenn dieser genug Geld zur Verfügung hat, löst er die Gefangenen direkt aus, ohne dass sie im Gefängnis landen, und dann schaut man in die Röhre und bekommt selbst kein Geld. Das Gefängnis ist schon ein Punkt, mit den man andere nett ärgern kann, insbesondere wenn man den richtigen Zeitpunkt abpasst. Zu festgelegten Zeiten wird der Schwarzmarkt aufgelöst, und dann spielt es auch eine Rolle, ob man viele Arbeiter im Gefängnis hat. Hat man dort 3 oder mehr Arbeiter, verliert man eine Tugend, und derjenige mit den meisten erhält darüber hinaus einen Schuldschein. Das kann einen hart treffen.
Die Tugendleiste ist ein innovatives Instrument. Auf ihr wird angezeigt, wie moralisch korrekt sich die Spieler verhalten. Am schnellsten steigt man auf, wenn man fleißig an der Kathedrale baut, und lebt jemand zu untugendhaft, darf er dort erst gar nicht mehr mitbauen. Untugendhaftes Verhalten ist z. B. auf dem Schwarzmarkt einzukaufen oder das Steueramt zu bestehlen; da verliert man Tugenden und rutscht auf der Leiste runter. Selbst wenn man später eventuell keine Steuern mehr abgeben muss, hat sich in unseren Runden herausgestellt, dass man mit tugendhaftem Verhalten mehr Siegchancen hat.
Auch wenn das Spiel großen Spaß macht, insbesondere wenn man konfrontativ spielt, und man nicht wie in anderen Worker-Placement-Spielen ständig um Rohstoffe kämpfen muss, hat es aber doch ein paar Stellen, die nicht so gut ankamen. So stellte sich in unseren Spielrunden heraus, dass es einfacher ist, an der Kathedrale mitzubauen, anstatt eigene Gebäude zu errichten. Häufig sind bei den Gebäuden Lehrlinge notwendig, die man mitunter teuer bezahlen muss. Für die Kathedrale benötigt man keine Lehrlinge. Sie wird in 5 Stufen gebaut und bringt am Ende 20 Siegpunkte. Welche Gebäude man bauen kann ist Glücksache.
Zu Beginn des Spiels werden die Gebäudekarten gedraftet, das minimiert etwas den Glücksmoment, aber wenn nur Gebäude mit wenig Siegpunkten zur Auswahl stehen, lohnt es sich manchmal nicht, sie zu bauen. Man kann zwar Gebäudekarten nachziehen, aber das ist auch Glückssache. Die höchste Punktzahl, die ein Gebäude bringen kann, ist 14, nämlich das Verlies, zu dessen Bau man 3 unterschiedliche Lehrlinge braucht. Im Glücksfall verfügt man über den Tagelöhner, der alles kann, dann reicht dieser als Lehrling. Aber der Bau des Verlieses lässt einen sofort 1 Tugend verlieren und am Spielende sogar 2 Tugenden. Wer baut dann überhaupt das Verlies, das darüber hinaus noch 4 Stein, 2 Gold und 2 Marmor kostet? Bis auf den Bau der Zockerbude, verlangen alle Gebäude mit 10 oder mehr Siegpunkten 3 verschiedene Lehrlinge, und fast immer verliert man 1 oder 2 Tugenden. Ausnahmen sind die Universität und die Burg. Meiner Meinung nach stimmt da die Relation nicht ganz. Wer sich ganz auf den Bau der Kathedrale konzentrierte, hatte in unseren Spielrunden häufig die meisten Siegpunkte, so dass wir dazu übergegangen sind, die Regel etwas zu modifizieren und für den Weiterbau an der Kathedrale auch Lehrlinge zu verlangen.
Wer noch mehr Abwechslung im Spiel haben will, kann auch die Rückseite der Tableaus nutzen, wo die Architekten unterschiedliche Ausgangs-positionen und Eigenschaften haben. So startet z. B. Frederick mit 7 Tugenden, 4 Silber und 1 Stein und braucht beim Bau an der Kathedrale keine Gebäudekarte abzugeben, oder Therese hat zu Beginn 4 Arbeiter im Gefängnis, nur 5 Tugenden und 5 Silber, aber dafür ist für sie Gold und Marmor identisch. Das macht dann Spaß, insbesondere wenn ausgelost wird, wer welchen Architekten bekommt.
Noch eine Möglichkeit ist es, im 2er-Spiel gegen einen Bot zu spielen. Allerdings hat uns diese Variante nicht wirlich überzeugt, da dabei für den Bot nur Aktionskarten aufgedeckt werden, deren Aktionen absolut willkürlich sind. Letzlich ist es so ähnlich, als ob man Skat mit einem "Doofen" spielt.
Trotz dieser kleinen Mängel kommt das Spiel bei uns öfters auf den Tisch, weil es recht schnell erklärt und gespielt ist. Es kam in unseren Runden sowohl bei Gelegenheitsspielern als auch bei gewieften Strategen gut an. Die Gebäudeauswahl ist so groß, dass in kaum einer Runde die gleichen Gebäude zur Verfügung stehen, und auch bei den Lehrlingen kommen nicht immer alle zum Einsatz, so dass eine gewisse Varianz gegeben ist.
Rezension Renate Gerling-Halbach
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.
H@LL9000 Wertung Architekten des Westfrankenreichs / Architects of the West Kingdom:
5,0, 8 Bewertung(en)
Leserwertung Architekten des Westfrankenreichs / Architects of the West Kingdom:
5.1, 15 Bewertung(en)