Spielziel
In den dunklen Gassen des Londoner Stadtteils Whitechapel treiben sich gleich acht Gestalten herum und versuchen, einen der berühmtesten Mörder aller Zeiten zu schnappen: Jack the Ripper. Was sie nicht wissen: Er selbst hat sich als einer von ihnen getarnt und versucht nun, seinen Verfolgern zu entkommen. Ein Spieler schlüpft in die Rolle des Inspektors und trachtet danach, Jacks wahre Identität herauszufinden, der andere versucht sein Glück als Mr. Jack und flieht noch vor dem Morgengrauen.
Ablauf
Zuerst muss die Entscheidung getroffen werden, wer in die Rolle des Inspektors schlüpft und wer Jack the Ripper verkörpert. Danach wird Jack noch seine geheime Identität zugelost: Er zieht eine Alibikarte, auf der ein Charakter abgebildet ist, der sich auch auf einem der Spielsteine befindet. Diesen muss Jack nun besonders gut vor dem Treiben des Inspektors schützen.
Schon kann es losgehen: 4 Personenkarten werden aufgedeckt, von denen sich der Inspektor eine zu Nutze machen kann: Er kann sie auf dem Spielbrett bewegen und seine Sonderfähigkeit ausführen. Nun ist Jack an der Reihe und kann sich sogar zwei der verbliebenen Karten auswählen. Die letzte bleibt noch für den Inspektor, der meist auch noch etwas Sinnvolles damit anzufangen weiß.
Die zweite Runde verläuft ähnlich. Die vier verbliebenen Personenkarten werden aufgedeckt, doch nun zieht Jack zuerst, dann der Inspektor zweimal und schließlich wieder Jack. Auch alle übrigen Runden verlaufen nach diesem Schema; mal darf der Inspektor zuerst wählen, mal kann Jack eine der Figuren zuerst nutzen.
Durch die Sonderfähigkeiten der Charaktere stehen dem Inspektor immer wieder Möglichkeiten offen, Jack in arge Bedrängnis zu bringen. Doch auch Jack wird diese Begabungen zu nutzen wissen, um seine wahre Identität zu verbergen. So kann zum Beispiel Sergeant Goodley andere Personen auf sich zubewegen, Sherlock Holmes zieht eine der übrig gebliebenen Alibikarten und Miss Stealthy darf durch Gebäude und andere Hindernisse gehen.
Doch wie kann der Inspektor nun auf die Identität von Jack kommen? Nachdem jeder zwei Figuren nach dem oben beschriebenen Schema gezogen hat, muss Jack sich offenbaren: Ist seine Figur gerade sichtbar? Das ist der Fall, wenn er direkt neben einem anderen Spielstein steht oder von einer Laterne beleuchtet wird. Dann kann der Inspektor haarscharf kombinieren und alle Figuren im Schatten ausschließen. Ist Jacks Figur gerade nicht sichtbar, also weder beleuchtet noch direkt neben einer anderen Figur, kann der Inspektor alle sichtbaren Figuren ausschließen.
So lichtet sich die Reihe der Verdächtigen immer weiter und ein aufmerksamer Inspektor wird auch durch reine Beobachtungsgabe die ein oder andere Vermutung aufstellen (und wieder verwerfen), bis er irgendwann einen konkreten Verdacht hat. Zieht er nun mit einer beliebigen Figur zu seinem Hauptverdächtigen, kann er ihn anklagen. Liegt er richtig, hat er das Spiel gewonnen. Klagt er jedoch bis zum Ende der letzten Runde keine Figur an oder irrt sich bei seinem Versuch, gewinnt Jack.
Dabei wird es in Whitechapel allerdings immer dunkler: Nach den ersten vier Runden wird eine der Laternen vom Plan genommen, und Jack wird es immer leichter fallen, sich im Dunkeln zu verbergen. Dann kann er, vorausgesetzt in der vorigen Runde gab es keinen Zeugen, sogar aus dem Stadtteil fliehen und das Spiel auf diese Weise für sich entscheiden.
Fazit
Das Artwork des Spiels ist im witzigen Comic-Stil gehalten, was das eigentlich nicht sonderlich amüsante Thema abmildert und sich somit eher auf lockere Art der Legende um Jack the Ripper nähert. Auch das Material ist hervorragend: Die verschiedenen Karten und Plättchen sind aus dicker, sehr stabiler Pappe gefertigt, die Zugweite und die Sonderfunktionen der Charaktere sind durch verständliche Piktogramme auf den Karten dargestellt. Die Spielsteine aus Holz sind glücklicherweise recht griffig und besonders für den Inspektor besonders praktisch, da durch die doppelseitige Beklebung sofort deutlich ist, wer für die Rolle des Jack noch infrage kommt: Spielsteine, die er ausschließt, kann er einfach umdrehen und sieht nun den Charakter in schwarz-weiß. Der großformatige Spielplan ist nicht nur ebenso liebevoll illustriert wie die Karten, er enthält überdies auch noch einen praktischen Rundenzähler.
Auf vier DIN-A4-Seiten ist die Spielanleitung verständlich und reich an Beispielen und Bebilderungen abgedruckt. Auch eine nette Kurz-Charakterisierung der Figuren, die sich in Whitechapel tummeln, ist darin enthalten. Äußerst löblich ist die zusätzliche Fragenbörse, die kaum noch Zweifel offen lässt, sowie Spieltipps für den Spieler des Jack. Die Spielregel ist also recht fix gelesen und verstanden.
Der Spielreiz gestaltet sich für beide Spieler völlig unterschiedlich. Der Kommissar ist immer auf der Jagd, versucht immer gleich viele noch Verdächtige im Licht und im Schatten zu haben, um möglichst viele auf einmal ausschließen zu können, kann aber an seine Sache recht unbedarft herangehen: Irgendwen kann er fast immer ausschließen. Jack hingegen hat es da schon schwerer. Er muss nicht nur versuchen, möglichst viele Leute auf dieselbe Seite des Lichts zu bekommen, sondern auch unbedingt darauf achten, seine Figur beim größeren Teil zu lassen. Dies sollte er allerdings nicht zu auffällig machen, da ein gewiefter Kommissar auch daraus Schlüsse ziehen kann. So entwickelt sich schnell ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen den beiden Kontrahenten, das für beide Spieler äußerst spannend werden kann.
Glückselemente sind in diesem Spiel eher begrenzt. Zwar wird die Auswahl der Charaktere mithilfe der Karten gesteuert, aber schon zu Beginn der ungeraden Runden weiß man auch, welche Charaktere in der nächsten Runde genutzt werden können (nämlich die, die nicht aufgedeckt wurden). Besonders für Jack ist dies hilfreich, um den richtigen Moment, mit seiner Figur im Schatten unterzutauchen, abzupassen.
All dies wäre allein schon recht spannend; das Salz in der Suppe sind allerdings die verschiedenen Spezialfähigkeiten der acht Charaktere. Durch ihre Vielfalt lässt sich meist in jedem Zug irgendetwas Sinnvolles machen: Jack den Weg abschneiden, Figuren weit abseits vom Rest doch noch beleuchten, eine Figur isolieren ... Interessant ist auch, dass eine gewählte Figur gezogen werden muss, stehen lassen geht also nicht, und auch die meisten Sonderfähigkeiten (bis auf zwei Ausnahmen) genutzt werden müssen. Dieser Zwang kann eine eigentlich recht gute Position von Jack schon etwas verschlechtern.
Jacks Rolle wird von den meisten Leuten als die schwierigere, aber auch spannendere Rolle angesehen, da man auf viele Kleinigkeiten achten muss. Außerdem hängt für Jack vieles von der zugelosten Figur ab. Ist man als Miss Stealthy getarnt, kann man zum Beispiel direkt in der zweiten Runde fliehen, wenn man sie anfangs im Dunkeln lässt. Diese Schwäche in der Startaufstellung ist ein kleines Manko, auch wenn es nur in einem Achtel der Partien auftreten kann.
Ab dem Zeitpunkt, zu dem nur noch drei oder vier Verdächtige übrig sind (was schon nach der ersten, aber auch erst in der siebten Runde der Fall sein kann) wird es für den Kommissar zunehmend schwerer, die verbliebenen Figuren zu trennen. Oft kann er mehrere Runden hintereinander keinen Verdächtigen ausschließen. Dies ist natürlich der ideale Zeitpunkt für Jack, um Zeit zu schinden, denn er muss nicht nur enttarnt, sondern auch noch von einer anderen Figur gefasst werden. Oft kann Jack dies verhindern, indem er sich am Ende der siebten oder am Anfang der letzten Runde an einen unerreichbaren Platz begibt (mit dieser offensichtlichen Taktik einfach nur zu bluffen, ist im Übrigen äußerst wirksam und spaßig noch dazu!).
Obwohl die Möglichkeiten recht vielfältig sind, kennt man die Personen und die Mechanismen nach einigen Zügen, spätestens nach der ersten Partie, recht gut und kann auch deren Feinheiten nutzen. Mit einem extremen Grübler, der jede Spielmöglichkeit durchgeht, kann es auch schon mal etwas länger dauern als die angegebenen 30 Minuten, bei zwei Spielern, die eher intuitiv spielen und das Spiel schon besser kennen, wird diese Zeit aber eher unterboten, so dass meist nach einer Revanche mit vertauschten Rollen verlangt wird.
Für vollkommen taktikfreie Menschen ist dieses Spiel definitiv nicht geeignet. Wenn man nicht wenigstens ein paar Züge im Voraus denkt oder zumindest die Möglichkeiten des Gegners nicht im Auge behält, wird man gnadenlos über den Spieltisch gezogen werden. Wer sich aber auf das spannende Thema und die flexible Auswahl an verschiedenen Charakteren einlässt, wird mit einem großartigen Spiel belohnt, das für beide Spieler einen intensiven Spannungsbogen entstehen lässt.
Rezension Tobias Brouwer
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.
H@LL9000 Wertung Mr. Jack:
4,5, 15 Bewertung(en)
Leserwertung Mr. Jack:
4.9, 21 Bewertung(en)