Spielziel
Jeder Spieler übernimmt die Aufzucht eines Papageienfisches, der mit den besten Korallen gefüttert werden soll. Wer hier das Wachstum auf dem Riff am besten unter Kontrolle hat, wird seinem Papageienfisch das beste und wertvollste Futter liefern können.
Ablauf
Fünf verschiedene Korallensorten können am Riff wachsen, das sich entsprechend der Spielerzahl über 2 bis 4 Felsen erstreckt. Reihum machen die Spieler ihre Züge:
Zu Beginn eines Zuges darf zunächst der Papageienfisch gefüttert werden. Dazu muss eine Koralle von einem der Felsen abgebaut werden. Diese Korallen bestehen aus einer zusammenhängenden Fläche von Polypenplättchen, auf der eine eigene Krabbe sitzt. Vier dieser Plättchen werden zurück in den Vorrat gelegt, alle weiteren werden in den Papageienfisch geworfen, der als quadratischer "Turm" seinen Mageninhalt vor den Blicken der Mitspieler schützt.
Wie werden nun Korallen gezüchtet? Dazu bringt man Polypenplättchen ins Spiel: Zweimal pro Zug darf ein Spieler eine neue Koralle anlegen oder eine bestehende erweitern. Hinter einem Sichtschirm hat er einen Vorrat solcher Plättchen, sowie Larvensteine in den 5 Farben der Polypenplättchen. Einen farblich passenden Larvenstein muss man abgeben, um bis zu 4 gleichfarbige Polypenplättchen von hinter dem Sichtschirm auf einen Felsen legen zu dürfen. Liegen passende Polypenplättchen vor dem eigenen Sichtschirm, darf man diese unbegrenzt mitverwenden.
Genau durch dieses Wachstum kann man auch sofort neue Plättchen erhalten, die vor dem Sichtschirm abgelegt werden: Für jede der 10 Kombinationen aus zwei verschiedenen Korallenfarben ist angegeben, welche der beiden Farben die andere dominiert. Die dominierende Korallensorte kann die untergeordnete fressen, d.h. man kann Plättchen der untergeordneten Korallensorte mit der dominierenden überbauen und die überbauten Plättchen zu sich vor den Sichtschirm nehmen.
Ausser zum Wachstum kann man mit den gefressenen Polypenplättchen noch folgende andere Aktionen durchführen: Sie können in Larvensteine derselben Farbe eingetauscht werden, und damit für das Wachstum in dieser Farbe verwendet werden. Schliesslich können diese Plättchen in Algensteine umgewandelt werden, die die Dominanz der Korallen verändert. Ist es also z.B. gerade so, dass die orangefarbene Koralle von der gelben gefressen werden kann, ist es durch Einsatz eines Algensteines möglich, dieses Verhältnis umzukehren, so dass im weiteren Verlauf die gelbe Koralle von der orangefarbenen gefressen wird. Dabei kann ein Algenstein die Dominanz vorübergehend ändern, oder wahlweise auch für den restlichen Spielverlauf fixieren. Auf die kompletten Details und Spezialfälle möchte ich hier nicht näher eingehen.
Ferner kann man noch eine eigene Krabbe ins Spiel bringen. Diese setzt man auf ein Polypenplättchen. Dadurch werden dieses und alle angrenzenden Plättchen dieser Koralle geschützt und können nicht durch Wachstum benachbarter Korallen gefressen werden. Krabben dürfen beliebig umgesetzt werden.
All diese Aktionen dürfen in beliebiger Reihenfolge durchgeführt werden. Zum Abschluss des Zuges nimmt man einen Larvenstein und drei Polypenplättchen als Nachschub hinter den Sichtschirm. Sobald ein Spieler in seinem Zug zum vierten Mal seinen Papageienfisch füttert, dürfen alle anderen Spieler noch eine Fütterung vornehmen und das Spiel endet. Dies geschieht ebenfalls, sobald alle Dominanzen der Korallen durch Algensteine festgelegt sind. Bei der nun folgenden Wertung erhält man für jedes vom Papageienfisch gefressene Plättchen Siegpunkte: Einen Siegpunkt gibt es immer, zusätzlich einen weiteren für jede Dominanz dieser Korallenfarbe. Der Spieler mit den meisten Punkten ist der Sieger.
Fazit
Beim Lesen der Beschreibung wird es sicher schon deutlich: Bei Reef Encounter muss man zunächst das verwendete Vokabular verstehen. Entsprechend mühselig ist der Einstieg mittels der Regel, die hier nicht so hilfreich ist, wie man es sich vielleicht wünschen würde (erstaunlicherweise liest sich die Spielregel beim zweiten Nachlesen nach den ersten ein oder zwei Partien aber viel besser, wenn man nämlich die Begriffe alle schon kennt). Viele Zusammenhänge werden beim Lesen der Regel erst im Nachhinein geklärt, so dass die erste Partie sich durchaus hinauszögern kann, bis alle den Ablauf verstanden haben. Nicht vergessen sollte man dabei die Abbildungen auf der Innenseite der Sichtschirme, die die verschiedenen Begriffe illustrieren. Die Übersichtstafeln, die jedem Spieler zur Verfügung stehen, sind sehr hilfreich, sobald man einmal den prinzipiellen Ablauf verstanden hat.
Die Grafik hat - wie bei früheren Spielen von R&D Games auch - Juliet Breese, die Schwesters des Autors, detailreich und liebevoll gestaltet. Dabei ist besonders die Farbwahl durchaus Geschmackssache. Manche der Farben lassen sich ausserdem nur schwer unterscheiden, so zum Beispiel weiss und grau. Auch die Zuordnung der Larvenwürfel zu den Polypenplättchen ist gewöhnungsbedürftig. Legt man neben die Spielpläne jedoch je einen Würfel auf ein gleichfarbiges Plättchen, kann man hier leicht Klarheit schaffen. Verwirrend ist jedoch zusätzlich, dass es die Algensteine in vier Farben gibt, die in drei Fällen den Spielerfarben entsprechen - mit diesen aber gar nichts zu tun haben! Wirklich klasse und atmosphärisch sind die Krabben, die sogar aufgemalte kleine Augen haben.
Die Spielregel und auch das Material stellen somit eine relativ hohe Einstiegshürde dar. Wer jedoch erstmal in das Spiel gefunden hat und ein paar Züge hinter sich hat, wird schnell merken, dass es sich eigentlich recht intuitiv und flüssig spielt. Bald beginnt man die verschiedenen taktischen Möglichkeiten zu entdecken: Wie kann ich meine Polypenplättchen geschickt einsetzen, um etwa andere Korallen zu fressen? Einige der Aktionen stehen mir schliesslich erst durch den Einsatz gefressener Korallen zur Verfügung. Ziele ich auf ein schnelles Spiel ab und versuche, meinen Papageienfisch zügig, aber mit wenigen Polypenplättchen zu füttern? Oder konzentriere ich mich lieber auf die Zucht großflächiger Korallen? Diese muss ich aber irgendwie schützen, damit nicht ein anderer Spieler ankommt und an meiner Koralle "knabbert"... Auch muss ich ein gutes Gefühl für die Dominanz der Korallen entwickeln - wenn ich viele Plättchen an meinen Papageienfisch verfüttert habe, hilft mir dies auch nichts, wenn jedes der Plättchen nur einen Punkt bringt, während ein Mitspieler mit wenigen Plättchen einer anderen Farbe vielleicht vier oder sogar fünf Punkte pro Plättchen abräumt.
Je nach Spielerzahl kann sich das Spiegefühl durchaus unterschiedlich entwickeln. In der Vollbesetzung zu viert kann sich die Wartezeit bis zum nächsten eigenen Zug durchaus ziehen. Das Spiel wird häufiger durch Festlegung der Dominanzen bei den Korallen entschieden, da es hierzu reicht, dass jeder Spieler im Mittel zwei oder drei Dominanzen festlegt (zu zweit werden zum Herbeiführen dieser Spielendbedingung mindestens fünf Runden benötigt). Zu dritt und zu zweit kommt es daher häufiger zu einem Ende durch viermaliges Füttern eines Papageienfisches. Diese Tendenzen sollte man in seinen Überlegungen und Planungen einbeziehen - nichts ist ärgerlicher als zum Schluss zwei große Korallen zu besitzen, von denen man als abschliessenden Zug nur eine verfüttern kann. Dennoch funktioniert Reef Encounter in allen Besetzungen gut.
Durch diese Schilderung wird hoffentlich das herausragende Potential dieses Spiels vermittelt, das über viele Partien hinweg zu fesseln vermag. Da sich das Glückselement auf das Nachziehen der Polypenplättchen beschränkt, ist ein hoher Einfluss gewährleistet. Auch gibt es mehr Interaktion, die sich im gegenseitigen Fressen und Abdrängen sowie der Festlegung der Dominanzen ausdrückt, als sich vielleicht auf den ersten Blick vermuten lässt.
Für Liebhaber von Spielen mit einem hohen taktischen und strategischen Anteil ist Reef Encounter damit ein gefundenes Fressen - und letzteres bezieht sich dieses Mal nicht auf den Papageienfisch! :-)
Rezension Kathrin Nos
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.