Spielziel
Die Spieler reisen als Hamburger Kaufleute durch Europa und treiben Handel. Durch die Reisen kommen sie zu verschiedenen Waren. Ihre eingegangenen Lieferverträge erfüllen sie in den darin bestimmten Städten und erhalten dafür zusätzlich neue Verträge mit höherem Vertragswert. Geld bringt der Verkauf von Verträgen, wobei man mit dem Erlös prestigebringende Gebäude erwirbt oder Anrechte auf Bonuswaren in bestimmten Orten. Zum Spielende sind Verträge im Spielerbesitz sowie erworbenes Prestige von Bedeutung.
Ablauf
Man spielt immer reihum im Uhrzeigersinn, je Spielzug in vier Phasen in fester Reihenfolge.
Es geht los mit dem INVESTIEREN, was eine Pflichtübung ist, wenn man zu diesem Zeitpunkt mehr als fünf Lieferverpflichtungen (Verträge) eingegangen ist. Dazu verkauft man einen oder mehrere Verträge zum Vertragswert an die Bank und erhält Bargeld dafür. Danach darf man nicht mehr als fünf Verträge besitzen. Verträge können Werte von zwei bis vierzehn haben. Natürlich darf man auch mehrere Verträge verkaufen, um einfach an Geld zu kommen. Den Erlös kann man in Bonuskarten und/oder Gebäudekarten investieren, von denen jeweils eine kleine Auswahl offen bereit liegt. Bonuskarten bringen beim späteren Reisen ggf. Vorteile, Gebäudekarten sorgen für Prestigegewinn, wenn man ihre Bedingungen sofort bzw. meistens erst zum Spielende erfüllt.
Danach folgt das REISEN, d.h. der aktive Spieler wählt ein beliebiges für ihn interessantes Reiseziel auf dem Spielplan aus und nimmt sich alle an diesem Ort ggf. ausliegenden Warensteine und Zusatzwaren aus dem Vorrat, wenn er Bonuskarten für diesen Ort besitzt. Die Warensteine müssen sofort auf seine für jede Farbe vorgesehenen Lager und Depots nach einem bestimmten System verteilt werden. Jede Warenfarbe steht für zwei verschiedene Warenarten. Der Spieler hat somit einen gewissen Spielraum, welche Warensorte er daraus macht. Ist der Ort ein "Hauptort", erhalten alle benachbarten und mit diesem Ort verbundenen Hauptorte je einen Warenstein der Farbe aus dem Vorrat, in der bei ihnen jeweils Ware angeboten wird.
Jeder Hauptort bietet immer nur Ware in genau einer Farbe an. Ist der Ort ein "Nebenort", erhält jeder Hauptort einen Warenstein, wenn auf ihm mind. die Vorgabe des Nebenortes erfüllt ist. Nebenorte bringen nie Warensteine ein, sondern ermöglichen nur das Bestücken von Hauptorten mit neuen Waren bzw. das Erfüllen von Verträgen, die auf Nebenorte ausgestellt sind. Beispiel: Der Nebenort Böhmen zeigt "+3", was bedeutet, dass alle Hauptorte mit mind. drei Warensteinen je einen weiteren Warenstein erhalten, wenn Böhmen vom Zugspieler als Zielort bereist wird.
Das Reisen zu manchen Orten kostet Zeitmarken, die meisten Orte bringen jedoch Zeitmarken ein. Man muss bei einer Reise in der Lage sein, geforderte Zeitmarken zu zahlen. Beim Erhalt neuer Zeitmarken, die von einem limitiert belegtem Tableau stammen, kommt es immer wieder zu kleineren Warenverlusten aller Spieler.
Am Zielort seiner Reise darf der aktive Spieler VERTRÄGE ERFÜLLEN, also solche mit diesem Erfüllungsort. Dazu entnimmt er die im Vertrag genannten Waren seinen Lagern/Depots oder seinem zu Spielbeginn einmalig mit einer Warenauswahl bestücktem Nachschubplättchen und legt sie in den allgemeinen Vorrat zurück. Als Belohnung erhält er den obersten (offenen) Vertrag des Stapels der nächsthöheren Vertragswertigkeit. Es gibt je Vertragswert einen separaten Stapel. Der erfüllte Vertrag bleibt allerdings stets in seinem Besitz und kann in einem späteren Zug erneut erfüllt oder ggf. verkauft werden.
Als letzte Handlung seines Zuges bietet der Spieler das MITREISEN an. Nun darf jeder Mitspieler gegen eine Gebühr an den Zugspieler in Form von Zeitmarken ebenfalls am aktuellen Ort der Reise des Zugspielers eigene Verträge erfüllen.
Schlussphase:
Sobald ein Spieler den Vertrag der höchsten Stufe (vierzehn) als Belohnung für eine Vertragserfüllung erhält, beginnt die Schlussphase, in der jeder Spieler noch einmal am Zug ist, allerdings ohne den sonst üblichen Investierzwang. Man kann jetzt also mehr als fünf Verträge zu Beginn seines Zuges besitzen und behalten. Ebenfalls löst das Wegnehmen der letzten Zeitmarke vom Tableau die Schlussphase aus.
Spielende und Wertung:
Jeder Spieler legt seine fünf wertvollsten Verträge auf seinen Spielplan, restliche daneben. Die fünf Verträge bringen ihren vollen Vertragswert als Siegpunkte, alle anderen Verträge im Spielerbesitz nur halbe Punkte. Die Bedingungen von Gebäudekarten müssen nun erfüllt sein, damit sie punkten. Es gewinnt der Spieler mit den meisten Punkten.
Fazit
Die Spielregel punktet hoch, da sie einwandfrei, gut veständlich und hilfreich bebildert ist.
Beim Regelstudium kommt mir Merkator mehr oder weniger abstrakt vor und die Vorgänge erscheinen nicht unbedingt einen Realitätsbezug zu haben. Wieso erhält man Zeitmarker und Waren beim Besuch einer Stadt, ohne dafür eine Gegenleistung zu liefern? Wieso erhält man einen höherwertigen Vertrag als Belohnung für einen erfüllten Vertrag und behält auch noch den alten Vertrag? Warum profitieren Hauptorte davon, dass man kleine Nebenorte besucht? Das leuchtet so nicht ein.
Nun gut, ich beschließe einfach, diese Elemente als notwendige Anreize bzw. Treiber für den Spielfortgang zu betrachten und lese erstmal wohlwollend bis zum Ende weiter. Letztlich ist aber trotz anfänglicher Irritierung der Ablauf schnell begriffen und im Prinzip unkompliziert. Tatsächlich versteckt sich dann im Spielablauf selbst eine Menge an Kombinations- und Planungsarbeit. Sowohl das eigene Tableau wie auch die der Mitspieler und die diversen Vertragsstapel bedürfen andauernder Sichtung und Abschätzung.
Ausstattung: Hübsche Sortierkästchen aus zusammengesteckten Pappteilen sind für jede Warensteinsorte vorgesehen, so dass man alle Farben stets direkt sortiert auf dem Spielplan zur Verfügung hat. Die bunten Warensteine sind in großer Anzahl als kleine Holzquader vorhanden.
Als platzsparend betrachte ich das System, die diversen Sortierkästchen in die Aussparungen des Spielplanes einzulassen. Das sieht ganz gut aus, hat aber auch Tücken, da die Kästchen oft beim Darinherumfingern wieder aus ihren Aussparungen springen. Trotzdem gefällt mir diese Lösung ausgesprochen gut: Es erspart bei den vielen Ein- und Aussortiervorgängen in den Kästchen manchen weiten Handgriff. Wer diese mühsame Verwaltungsaufgabe übernimmt, weiß das zu schätzen.
Der besagte Spielplan wird aus zwei Teilen zusammengeschoben, verrutscht aber mangels Puzzle-Verzahnung immer wieder. Nicht so schön. Jeder Spieler kann auf seinem eigenen großen Tableau seine Warensteine sortiert ablegen und seine Karten dort aufreihen.
Langeweile kommt so schnell nicht auf, dafür bleibt auch keine Zeit. Ist man selbst nicht aktiver Spieler, hat man noch genug damit zu tun, zu prüfen, ob man ggf. bei den Reisen als Mitspieler mitmachen will. Das anfangs noch sperrig wirkende Merkator beginnt in der Tat Spaß zu machen und alle sind voll involviert, um ja keine Mitreisegelegenheit zu verpassen oder Entwicklungen zu übersehen. Stets verharrt man in der Spannung, ob gerade besonders lukrative Hauptorte mit vielen Warensteinen nicht vor dem eigenen Zug von Mitspielern abgeräumt werden.
Sehr interessant finde ich die Gebäudekarten, deren Kosten und Siegpunkte stark variieren. Da viele dieser Siegpunkte von Bedingungen zum Spielende abhängen, bleibt eine gewisse Unsicherheit bis kurz vor Ende. Allerdings sind die Spieler dadurch auch gezwungen, ihr Spiel in gewisse Richtungen zu treiben. Die Gebäudekarten sind m.E. oft die Entscheider für den Spielgewinn.
Das Hauptelement, die Lieferverträge, sind hinsichtlich ihrer Zielorte und der zu erfüllenden Warenlieferungen vielschichtig definiert. Man muss nicht immer nur bestimmte Waren abliefern, sondern zum Teil auch Kollektionen aus bestimmten Warengruppen. Das macht so manche Vertragserfüllung flexibel. Weniger beliebt sind die Verträge mit Erfüllung an ferneren Orten, die nur durch Zahlung von Zeitmarkern besucht werden können. Nun ist das Glück nicht unwesentlich beteiligt, da man oft doch eher zufällig einen Lieferort erhält, was eben durch Zuteilung eines - durchaus schon allen Spielern bekannten - Vertrages bei Vertragserfüllung geschieht. Da ist es oft wichtiger, einen höherwertigen Vertrag endlich zu erhalten, als ein optimales Lieferziel zu ergattern. Dieses Dilemma möchte man möglichst umgehen und schon ist man in der Grübelfalle gelandet. Optimierer beim Durchkalkulieren aller Möglichkeiten können die Geduld ihrer Mitspieler hier stark strapazieren.
Generell kann man aber Merkator in allen Besetzungen gut und ggf. auch flott spielen, letzteres aber nur dann, wenn alle Spieler schon einige Partien Erfahrung mit dem Spiel sammeln konnten. Erfahrung hilft auch, die oft knappen Endergebnisse zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Merkator ist immer ein erneut herausforderndes Spiel mit lang anhaltendem Wiederspielreiz und wie ich finde auch mit Suchtfaktor.
Rezension Roland Winner
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.