Spielziel
Wer schon immer davon geträumt hat, auch mal nüchtern rosa Elefanten zu sehen: Bitte sehr. Hier gibt es sogar Modelle in weiteren schmucken Farben des modebewussten Elefanten von heute. Braun, schwarz, elfenbein oder natürlich den Klassiker: grau. Und da man sich mitten in Indien befindet, tut man mit den Dickhäutern das, wofür man sie dort oft einsetzt: Man lässt sie Seidenballen schleppen. Günstig Waren erwerben und möglichst teuer verkaufen, dies sei das vorderste Gebot. So sprach schon einst Umsatz Ghandi, der nicht ganz so bekannte Handelsexperte und entfernte Cousin des berühmten Friedensstifters.
Ablauf
Eine feste Startaufstellung wird für das Einstiegsspiel vorgegeben. Bei unterschiedlicher Spielerzahl nur wenig variierend werden Marker an bestimmten Wegkreuzungen auf dem Spielplan platziert. Diese symbolisieren Handelsstationen sowie Palast- und Städteboni. Den vier ebenfalls auf dem Spielplan aufgedruckten Städten werden zusätzlich je ein Dreierstapel an Nachfragewürfeln zugeordnet. Diese Würfel haben die gleiche Farbe wie die Warenwürfel und geben durch ihre Reihenfolge den Wert einer Ware in der Stadt an.
Die Spieler erhalten als persönliches Material je eine Elefantenfigur, einen Sichtschirm, fünf Palastfiguren und zwei Rupien als Startkapital. Die Elefanten werden auf einer Hügelkreuzung des Spielplans startklar gemacht und los gehts.
Das Spiel besteht aus mehreren Sätzen mit bis zu fünf Spielrunden. Zu Beginn jedes Satzes werden die Märkte mit Waren bestückt. Blind werden neun Warenwürfel aus einem blickdichten Säcklein gezogen und auf maximal drei Märkte verteilt, in Abhängigkeit ihres Vorkommens. Die Ware mit den meisten Steinen kommt auf den günstigsten Markt und die Ware mit den wenigsten Steinen auf den teuersten. Handelsstationen mit Waren, die in der laufenden Runde nicht auf einem Markt verfügbar sind, werden geschlossen (Umdrehen des entsprechenden Markers). Etwaige aus vorigen Runden geschlossene Handelsstationen werden wieder geöffnet.
Während des eigenen Spielzugs, der aufeinanderfolgend durchgeführt wird, stehen einem drei Aktionspunkte für folgende Aktionen zur Verfügung:
- Eintausch Aktionspunkte gegen Geld im Verhältnis 3:1 (fürs Nixtun Geld kriegen)
- Bewegung der Elefantenfigur (pro Wegkreuzung 1 Aktionspunkt, bei Hügelfeldern 2)
- Waren kaufen (nur möglich, wenn sich die eigene Elefantenfigur an einer Handelsstation befindet)
- Waren verkaufen (nur möglich, wenn sich die eigene Elefantenfigur in einer Stadt befindet)
- Palast bauen (nur möglich, wenn sich die eigene Elefantenfigur auf einem unbebauten Feld befindet)
Zum Verkaufen von Waren muss man sich logischerweise im Besitz einer solchen befinden, auch für den Palastbau wird Seide benötigt. Beim Verkauf ist darauf zu achten, dass die Ware in der ausgewählten Stadt überhaupt gehandelt wird und an welcher Position sich der passende Nachfragewürfel befindet. Je höher, desto besser, denn dann erhält man mehr Geld für den Seidenballen.
Der Palastbau bringt neben einem Bonus durch einen entsprechenden Marker auch laufende Einnahmen: Passiert die Elefantenfigur eines Mitspielers einen eigenen Palast, erhält man aus der Bank eine Rupie. Dafür kostet das Errichten auch schon eine Rupie und zusätzlich noch einen Warenstein.
Nachdem alle Spieler mehrfach ihre Aktionen durchgespielt haben, endet eine Runde. Nach der zweiten bis fünften Runde (je nach Anzahl der Mitspieler) ist die Hauptspielphase vorüber und es kommt zu einer Siegerermittlung. Dazu werden die zu diesem Zeitpunkt vorhandenen eigenen Rupien addiert, zusätzliche Bonusrupien bekommen Spieler mit einfacher Mehrheit bei gebauten Palästen und im Spielverlauf erworbenen Kundenmarkern, doch auch zweit- und drittplatzierte dieser Wertung können noch mit kleineren Zusatzeinkünften rechnen. Zum Schluss kann als finanzielles Sahnehäubchen nochmal kräftig abgeräumt werden, wenn drei oder gar vier Stadtmarker erworben wurden. Alles summiert ergibt das Endergebnis, deren höchstes den Sieger bestimmt.
Fazit
Bombay klingt bombastisch, auch wenn erste Kritiker schon wieder zeitgeistig rumnörgelten, es hieße doch jetzt Mumbai. Es geht ja auch nicht wirklich um die bevölkerungsreiche Hafenstadt, sondern um das Gefühl des "good old India", quasi zu Empirezeiten.
Der recht große Spielplan und das übrige Spielmaterial befanden sich vor und nach dem Spiel in ausreichend guter Qualität. Besondere Erwähnung fand ja bereits in der Einleitung der farbliche Geschmack des Autors und oder der Verlagsredaktion. Sind die Waren- und Nachfragewürfel noch in akzeptablen und gut voneinander unterscheidbaren Farben gehalten, wird es bei den Elefanten zumindest bei rosa doch abstrus. Und die Sichtschirme des grauen, braunen und schwarzen Elefanten sind nicht ganz leicht auseinanderzuhalten.
Die Spielregel ist übersichtlich, mit guten optischen und textlichen Beispielen bestückt und auf übersichtliche vier Seiten verteilt. Lediglich in den Abweichungsbeschreibungen für eine andere Spielerzahl als vier sind die Texte in der deutschen Anleitung teils unterschiedlich zu denen in der englischsprachigen Ausgabe. Jedoch schienen die Unterschiede nicht wirklich von entscheidender Bedeutung zu sein.
Nach den ein wenig Zeit in Anspruch nehmenden Startvorbereitungen gelingt der Einstieg in das Spiel schnell und die erste Überraschung erwartet den Spieler. Gefühlt ist der erste Spielrundensatz sehr schnell vorüber. Man kann sich dann aber darauf einstellen, dass dieses Gefühl bleibt. Der eigene Aktionshorizont reicht immer nur bis zum Ende eines Satzes, weil danach durch das Neubefüllen der Märkte die aktuelle Spielsituation neu zu bewerten ist. Und innerhalb des Horizonts ist das eigene Handlungspotential sehr überschaubar: Wenn es sehr gut läuft, bekommt man in etwa zwei Käufe, einen Verkauf und einen Palastbau innerhalb eines Satzes hin. Falls einem das Warenschicksal nicht so hold ist, muss man sich mindestens von zwei der vier Zwischenziele verabschieden. Das kann mitunter hart sein. Vor allem im Spiel zu dritt wirft einen dies ziemlich zurück, da es insgesamt nur drei Sätze gibt.
Die variable Zeitangabe von einer halben bis zu einer ganzen Stunde entspricht in etwa den gemachten Erfahrungen. Ein Zweierspiel kann sehr flott heruntergespielt werden, eine Fünferpartie nimmt schon etwas mehr Zeit in Anspruch. Mitspielende Kinder sollten mindestens eine gewisse Spielerfahrung besitzen, um problemlos teilnehmen zu können. Alles in allem wird dieses Spiel sicher am besten in der Kategorie Familie aufgehoben sein.
Die bereits erwähnte Übersichtlichkeit bei der Planung der eigenen Strategie wirkt sich auf erfahrene Spieler negativ aus. Hier entsteht schnell das Gefühl, dass eine echte Herausforderung fehlt und man sich eben bestmöglichst auf die Unwägbarkeiten des nächsten Spielsatzes vorbereitet. Dann überlässt man sich genauso wie die Mitspieler der mehr oder weniger gnädigen Ausschüttung Fortunas auf dem Warenmarkt. Werden ständig Waren nicht oder als ausschließlich teuer gezogen, bei denen man aufgrund der Position der eigenen Elefantenfigur schnell zugreifen könnte, bauen sich Frust und ein Ohnmachtsgefühl gleichermaßen auf.
Dies zwingt dazu, wie ein Tennis- oder Badmintonspieler nach einem Schlag im Peripheriebereich des Spielfeldes schnellstmöglich wieder in die Mitte zu eilen, um nicht zu weit weg von lukrativen Märkten zu sein. Aufgrund der knappen Aktionspunkte und Notwendigkeit, die meisten für siegbringenden Handel ausgeben zu müssen, wird dieses Ziel nicht immer erreicht. Einen ausgleichenden Mechanismus für eine etwaige schlechte Ausgangslage zu Beginn eines neuen Satzes gibt es nicht.
Da man oder zumindest ich mir Indien immer sehr groß vorgestellt habe, ist die Verknappung der Aktionen nicht wirklich passend, um das korrekte Spielgefühl aufkommen zu lassen. Ich hätte mir da schon etwas Größeres, Ausufernderes und dann auch meinetwegen Komplexeres vorgestellt. Das Spiel funktioniert, gar keine Frage. Aber weder mir noch meinen Mitspielern in den Testrunden drängte sich der unbedingte Wille auf, das Spiel häufiger auf den Tisch zu bringen. Natürlich in dem Bewusstsein, demnächst dann doch wieder dem Alkohol zusprechen zu müssen, sollte visueller Bedarf nach rosa Elefanten entstehen.
Rezension André Beautemps
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.