Spielziel
In "Betrayal at House on the Hill" fühlt man sich wie in einem interaktiven Horror-Film, wobei sich aber erst mitten im Spiel zufällig ergibt, welches der 50 verschiedenen Szenarien gespielt wird.
Ablauf
Zu Beginn wählt jeder Spieler eine von 6 Figuren aus, und entscheidet sich dann für die Vorder- oder Rückseite der zugehörigen Scheibe, auf der die Eigenschaftswerte (traits) des Charakters abzulesen sind. Zu jedem Charakter gibt es eine kleine Hintergrundgeschichte, die genauso zur Einstimmung beitragen kann wie die Ausgangssituation des Spiels:
Die Spieler befanden sich alle in einem Bus, der aufgrund einer Panne liegen geblieben ist, und ein (klischeemäßiges) Gewitter hat sie in einem verlassenen Landsitz Zuflucht suchen lassen. Aber kaum befinden sich alle in der Eingangshalle, schließt sich wie von Geisterhand die Eingangstür mit einem lauten Knall und nun bleibt den Eingeschlossenen kaum etwas anderes übrig als das Haus zu erkunden. Der typische Auftakt eines Horror-Films.
In der ersten Hälfte des Spiels geht es um die Erkundung des Hauses. Das Haus besteht zunächst aus einem 3 Felder langen Eingangsbereich, der sich im Erdgeschoss befindet, und von dem aus man über eine große Treppe ins Obergeschoss gelangt. Außerdem gibt es noch einen Raum im Keller, der aber anfangs nicht erreichbar ist.
Die Spieler bewegen nun reihum ihre Figuren maximal durch so viele Räume, wie ihr aktueller Geschwindigkeitswert (speed) angibt. Tritt man dabei durch eine Tür, hinter der sich noch kein Raum befindet, deckt man das nächste zu diesem Stockwerk passende Plättchen vom verdeckten Stapel auf, und legt es möglichst passend an die durchschrittene Tür an. Falls auf dem Raum ein Symbol aufgedruckt ist, endet die Bewegung und man zieht eine Karte vom entsprechenden Stapel. Gegenstände (items) legt man zur späteren Verwendung offen vor sich ab, während Ereignisse (events) sofort vorgelesen und ausgeführt werden. Ereignisse erfordern meistens einen Würfelwurf in einer bestimmten Eigenschaft (trait roll); der aktuelle Wert auf der eigenen Scheibe gibt dabei immer die Anzahl der einzusetzenden Würfel an, und abhängig vom Ergebnis verschlechtern oder verbessern sich die eigenen Werte oder man bleibt von negativen Auswirkungen verschont.
Außer dem schon erwähnten Geschwindigkeitswert gibt es noch Stärke (might), Wissen (knowledge) und geistige Gesundheit (sanity). Würfelproben auf Eigenschaften sind außer auf Ereigniskarten teilweise auch in Räumen gefordert; z. B. kann man mit einer Wissensprobe versuchen den Tresor (vault) zu öffnen, um zwei Gegenstände zu bekommen. Solche Proben darf man pro Spielzug jeweils einmal durchführen. Mit der Zeit verbessern bzw. verschlechtern sich die Werte der Spieler, und der ein oder andere sammelt Gegenstände und Begleiter, welche die eigenen Werte beeinflussen oder auch andere Vorteile mit sich bringen.
Während das Haus immer weiter erkundet wird, tauchen auch bis zu 13 Räume auf, die mit einem Omen-Symbol gekennzeichnet sind. Auch hierzu zieht man jeweils eine Karte vom entsprechenden Stapel. Hinter diesen verbergen sich meistens Gegenstände oder Begleiter (allies), aber sie erfordern außerdem einen besonderen Würfelwurf (den haunt roll) um festzustellen, ob die zweite Hälfte des Spiels beginnt. Die Würfel zeigen übrigens 0 bis 2 Augen, und der Spuk beginnt erst, wenn die Summe aus 6 Würfeln weniger Augen ergibt als die Anzahl der entdeckten Räume mit Omen-Symbol.
Wird der Spuk ausgelöst, bestimmen der zuletzt entdeckte Raum und die gezogene Omen-Karte, welches Szenario gespielt wird und vor allem, welcher Spieler von nun an als "Verräter" (traitor) auf der Seite des Bösen agiert. Jede Partei - also der Verräter und die übrigen Helden - lesen jetzt in separaten Szenarienbüchern nach, was bei Ausbruch des Spukes passiert und welches Ziel die eigene Seite verfolgt, um das Szenario zu gewinnen. Die Szenarien sind dabei recht vielfältig und reichen vom einfachen Töten der Helden bzw. des Verräters und seiner Monster über das Sammeln bestimmter Gegenstände, Aufsuchen bestimmter Räume und dem Bestehen von Würfelproben bis zum Wettlauf gegen die Zeit (von der die andere Partei selten Genaueres weiß). An dieser Stelle beraten die Helden in Abwesenheit des Verräters ihre Vorgehensweise. Bevor die zweite Spielhälfte beginnt, werden dann meistens einige Monsterplättchen vom Verräter im Haus platziert, der ein oder andere unentdeckte Raum ggf. ergänzt, und so mancher Gegenstand wird aus dem Kartenstapel herausgesucht oder wechselt den Besitzer.
In der Reihenfolge "Helden, Verräter, Monster" wird das Spiel fortgesetzt. Zusätzlich zur Bewegung darf man nun einmal pro Zug einen Gegner angreifen. Dafür würfeln die Beteiligten meistens Might-Proben, deren Differenz über den Schaden für den Unterlegenen entscheidet. Der Schaden wirkt sich als Reduzierung der physischen - Speed und Might - bzw. psychischen - Knowledge und Sanity - Eigenschaften aus. Monster können meistens nur gelähmt werden, wodurch sie praktisch einen Zug aussetzen. Die Helden hingegen sterben, sobald eine Eigenschaft auf das Totenkopf-Symbol am Ende der jeweiligen Skala fällt.
Sobald die Helden bzw. der Verräter ihr Spielziel erreicht haben, endet das Spiel mit dem Vorlesen des entsprechenden Textes aus dem Szenarienbuch.
Fazit
Das Spielmaterial präsentiert sich in einer angemessenen Aufmachung. Da die meisten "Counter" sowieso nur für bestimmte Szenarien zum Einsatz kommen, kann man nicht verlangen, dass mehr als 6 Miniaturen (für die Spieler) enthalten sind. Die Raumplättchen (bzw. eher -platten) sind aus ausreichend dicker Pappe und schön gestaltet. An dieser Stelle soll nicht verschwiegen werden, dass die Rückseite eines Raumes falsch bedruckt ist. Für diesen Druckfehler wurde im FAQ aber eine derartig schöne Lösung gefunden, dass man sich über dieses Missgeschick jedoch nicht ärgern muss. Die Scheiben mit den Charaktereigenschaften habe ich sicherheitshalber am Rand mit Tesafilm beklebt, um Schäden durch Bewegen der Anzeigemarker zu vermeiden. Die Karten haben ein praktisches, schmales Format und sind beschichtet (aus nächster Nähe riechen sie allerdings ein bisschen unangenehm).
Die Spielregeln sind nicht besonders schwer zu verstehen (wenn man einigermaßen gut Englisch kann), allerdings muss man in der ein oder anderen Situation mit gesundem Menschenverstand entscheiden, wie zu verfahren ist (darauf wird sogar zu Beginn der Spielregeln hingewiesen). Inzwischen können die meisten Fragen allerdings mit dem FAQ geklärt werden. Die mitgelieferten Szenarienbücher enthalten hingegen einige Druckfehler (z. B. fehlende Monsterwerte), die teilweise sogar für Unspielbarkeit sorgen; mittlerweile gibt es aber korrigierte Versionen der Szenarienbücher als Download. Stellt sich nur die Frage, warum man das Spiel nicht von vornherein nahezu fehlerfrei produzieren konnte?
Die Sprache stellt für Menschen mit maximal rudimentären Englisch-Kenntnissen eine deutliche Hürde dar, die man aber reduzieren kann, wenn zumindest ein Mitspieler mit guten Englisch-Kenntnissen die Regeln erklärt und die Rolle eines Moderators übernimmt (z. B. bei der Durchführung von Ereigniskarten). Etwas schwierig kann es allerdings werden, wenn der Spuk ausbricht und das Szenario für den Verräter oder die Helden Fragen aufwirft. In so einer Situation kann man aber ruhig die Geheimhaltung der eigenen Informationen etwas lockern, damit das Szenario nicht unter Missverständnissen leidet. Oder man besorgt sich die Übersetzungen deutscher Fans.
In "Betrayal at House on the Hill" geht es hauptsächlich um die Atmosphäre, so dass man über leichte Regelmängel durchaus hinwegschauen kann. Dadurch hängt der Spielspaß auch ein bisschen von der Zusammensetzung der Spielrunde ab. Wenn sich alle ein wenig auf das Spiel einlassen, fühlt man sich wirklich als Teil eines interaktiven Horror-Films. Sobald man einige Partien gespielt hat, läuft das Spiel vor dem Ausbruch des Spuks (haunt) zwar weniger spektakulär ab (denn man kennt die meisten Räume und Karten bereits), aber die Spuk-Szenarien verlaufen dennoch meistens recht spannend.
Die Siegchancen für die Helden bzw. den Verräter bei Ausbruch des Spuks sind durchaus unterschiedlich und hängen von verschiedenen Faktoren ab. Außer dem Szenario selbst spielen der Fortschritt der Hauserkundung und die dabei entstandenen Formen der Stockwerke sowie die Verteilung der Gegenstände und die Eigenschaftswerte der Helden eine große Rolle. Trotz der vielen Zufallsfaktoren funktionieren die Szenarien normalerweise erstaunlich gut, denn immerhin kann man während der Erkundungsphase nie wissen, was besonders vorteilhaft sein wird.
Wer eine gute Stunde in einen interaktiven Horrorfilm eintauchen möchte, findet in "Betrayal at House on the Hill" ein Spiel, das durch vielfältige Szenarien und passendes Spielmaterial für unterhaltsame Spannung sorgt.
Rezension Michael Reitz
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.
Links
Deutsche Übersetzungen der Szenarien, Regeln, Karten, etc.: attila-products
Regelkorrektur
Die Antworten auf die meisten Fragen findet man im offiziellen FAQ. Korrigierte Versionen der Szenarienbücher und der Regeln gibt es ebenfalls als Download.