Spielziel
Viele Spieler haben so ihre typischen Hass-Spiele. Die sind sicherlich bei jedem anders, doch in einem Punkt sind sich viele einig: Eine Partie Mensch ärgere dich nicht brauchen die meisten Vielspieler nicht. Kein Wunder, dass ich wenig Lust hatte, als ein Mitspieler mir eine Partie DOG anbot. "Was ist denn das?", fragte ich noch ganz interessiert. "Mensch ärgere dich nicht mit Karten", bekam ich als Antwort. Als ich gerade "Nein, danke!" sagen wollte, kam ein weiterer Mitspieler dazu und meinte, wir sollten es unbedingt mal ausprobieren. Er kenne das Spiel aus einem Besuch in der Schweiz und es wäre viel besser, als man glaubt. Also habe ich mich zu einer Probepartie überreden lassen. Ob dies ein Fehler war? ...
Ablauf
Die Beschreibung dieses Spiels fällt sehr kurz aus. Das Material besteht nämlich lediglich aus einem Spielbrett, 30 Pöppel und zahlreichen Karten. Dabei ist das Brett ähnlich dem uns bekannten Mensch ärgere dich nicht (unter Spielern auch als MäDn bekannt) aufgebaut. Jeder Spieler hat ein Haus mit 4 Feldern und ein Ziel mit ebenso vielen Feldern seiner Farbe.
Dort gilt es, seine Pöppel hineinzubekommen. Dabi helfen einem die Karten. Anders als beim klassischen MäDn wird hier nämlich nicht gewürfelt, sondern es werden Karten mit Zahlenwerten oder Aktionen ausgespielt. Dies klingt nicht sonderlich spektakulär. Und die Erklärung, dass man mit einer Karte und dem Wert 5 seine Figur 5 Felder weiter ziehen muss, wird da wohl auch niemanden vom Hocker reißen.
Die Karten haben generell Werte von 1 bis 13. Dabei sind die Zahlen 2, 3, 5, 6, 8, 9, 10 und 12 auf Karten mit blauem Hintergrund abgebildet und geben einfach nur die Zugweite an, welche aber exakt eingehalten werden muss. Trifft man auf dem Zielfeld auf eine andersfarbige Figur, wird diese geschlagen und zurück ins entsprechende Starthaus geschickt.
Zu den normalen Zugkarten kommen aber noch 6 Sonderkarten mit rotem Hintergund. Diese Karten weisen einige Zusatzeigenschaften aus. So muss man ja erst einmal seine Pöppel aus dem Starthaus herausbekommen. Bei MäDn muss man dazu auf eine gewürfelte 6 hoffen. Bei DOG gibt es dafür zwei Sonderkarten. Diese besitzen ein Dreick (ähnlich dem Play-Symbol) auf Video- oder DVD-Playern). Neben der Funktion des Rauskommens kann man diese Karten aber auch zum Ziehen schon draußen befindlicher Figuren nutzen (je nach Karte 1, 11 oder 13 Felder). Dann gibt es noch die Karte 4, welche es erlaubt, die 4 Felder vorwärts oder rückwärts zu ziehen. Mit der 7 kann man die Schritte beliebig auf mehrere eigene Pöppel aufteilen. Dies ist vor allem dann nützlich, wenn man das unterste freie Feld seines Zielhauses blockiert hat, wo man keine Figuren überspringen darf. Zudem kann man mit der 7 Figuren auch dann schlagen, wenn man nur über sie hinwegzieht (was auch durchaus mehrere sein können!). Auch die Tauschkarte hat es in sich. Spielt man diese aus, muss ein eigener Läufer mit einem andersfarbigen den Platz tauschen. Schließlich gibt es noch die Fragezeichenkarte. Diese dient als Joker und kann als jede andere rote oder blaue Karte genutzt werden. Wichtig ist dabei noch zu erwähnen, dass Figuren auf ihrem eigenen Startfeld sicher und geschützt sind und niemand über diese Figur hinweg ziehen kann.
Jeder Spieler erhält nun zu Beginn einer Partie 6 Karten. Nacheinander spielt jeder eine Karte aus und bewegt seine Figuren entsprechend. Kann man keine Karte ausspielen oder hat am Anfang keine Karte um rauszukommen, muss man all seine Karten abwerfen und ist für diese Runde aus dem Spiel. Die Runde wird so lange gespielt, bis alle ihre Karten ausgespielt haben oder keiner mehr ziehen kann. Dabei ist wichtig zu beachten, dass man zur Not auch Karten spielen muss, auch wenn dies negative Folgen hat. Danach beginnt eine neue Runde, in der jeder Spieler nun nur noch 5 Karten erhält, in der nächsten Runde 4 usw. bis zu 2 Karten. Danach geht es mit jeweils 6 Karten wieder von vorne los.
Ein weitere Clou besteht darin, dass vor dem Beginn einer Runde Karten geschoben werden müssen. Wird mit 4 oder 6 Spielern gespielt, bilden die beiden sich gegenüber Sitzenden ein Team. Dann tauschen die beiden untereinander eine Karte aus und können einander somit dringend benötigte Karten zukommen lassen. Bei ungerader Anzahl ist jeder Einzelkämpfer und gibt seinem linken Nachbarn eine natürlich wenig hilfreiche Karte. Je nach Einzel- oder Teammodus ist auch das Ziel unterschiedlich. Spielt jeder für sich, gewinnt man, wenn man alle 4 Pöppel in seinem Zielhaus hat. Beim Teamspiel müssen alle 8 Figuren der beiden Spieler angekommen sein. Hat einer der beiden bereits dieses Ziel erreicht, steuert er ab diesem Zeitpunkt mit seinen Karten auch die Pöppel des Partners.
Fazit
Dieses Spiel ist ein klassisches Beispiel dafür, dass man nach dem Lesen der Regeln nicht überhastet ein Spiel abhaken sollte. Meine Vermutung völliger Zufälligkeit und die Angst, hier nur gespielt zu werden, wurde schon nach der ersten Partie völlig über den Haufen geworfen.
Auf die Möglichkeiten im Einzelspiel möchte ich gar nicht erst eingehen, denn für mich ist dieses Spiel ein reines Teamspiel und nur dort kann es seinen Charme voll entfalten. Die ständige Überlegung, was sich mein Partner beim Schieben seiner Karte oder bei seinem letzten Zug gedacht haben könnte, ist einfach in einem Einzel nicht zu ersetzen.
Die Überlegungen fangen schon zu Beginn dieses unscheinbaren Spiels an: Wenn ich nur eine Karte zum Rauskommen auf der Hand habe, gebe ich sie dann meinem Partner oder behalte ich sie für mich? Was wird er tun? Laufen wir nachher Gefahr, dass einer von uns zwei Startkarten hat und der andere keine?
Das ständige Abwägen des Verhalten meines Partners wird mit zunehmender Spieldauer nicht weniger. So müssen viele verschiedene Dinge beachtet werden. Ganz wichtig ist die Spielerreihenfolge. Wenn ein Spieler des gegnerischen Teams mit seinem einzigen Pöppel kurz vor dem Startfeld meines Partners steht und mein Partner in dieser Runde vorher an der Reihe ist, könnte es Sinn machen, ihm meine Startkarte zu geben, damit er rauskommt und diesen Spieler blockiert. Der muss dann evtl. alle Karten abwerfen, weil er nicht ziehen kann, und man hat diesen Spieler für diese Runde ausgeschaltet.
Ebenso ergeben sich schnell andere Grundüberlegungen. Dass man sich zum Beispiel - wenn möglich - nicht 4 Felder hinter eine andere Figur stellt, weil man ja auch rückwärts geschlagen werden könnte. Auch das Abstellen 1 bis 6 Felder vor einem gegnerischen Pöppel ist statistisch sehr gefährlich, da hier nun 3 Karten zum Rauswurf führen könnten (die passende Zahlenkarte selbst, die 7 und das ?).
So fallen einem mit jedem Spiel noch mehr Dinge auf, die man beim nächsten Mal besser machen will. Aus den Faktoren aktuelle Reihenfolge, Kartenanzahl, Reihenfolge der nächsten Runde und natürlich auch aus den bereits gespielten Karten ergeben sich sehr viele Überlegungen, die aus einem simplen MäDn-Klon plötzlich einen taktischen Leckerbissen machen.
Trotzdem sollte jetzt hier nicht der Eindruck entstehen, der Glücksfaktor wäre nicht vorhanden. Er ist sogar recht groß, aber er fällt irgendwie kaum auf und man hat immer das Gefühl, an einer verlorenen Partie doch auch selbst Schuld zu haben, weil man in der Situation A nicht die Karte XY gespielt hat. Man hat also fast immer eine Entscheidung zu treffen und es ist fast unmöglich, eine Partie zu spielen, ohne nicht einmal die falsche getroffen zu haben.
Somit hat dieses Spiel alles, was ein echter Klassiker benötigt. Es ist sowohl für Wenig- als auch Vielspieler geeignet, hat einfache Regeln und eine angenehme Spieldauer von ca. 60 Minuten. Die Schweizer haben dies schon vor längerer Zeit erkannt, wo DOG (auch unter dem Namen TOC) schon zu einer Art Nationalspiel geworden ist. Und wenn mir jemand vor einigen Monaten gesagt hätte, dass ein abstrakter (das Thema ist nun wirklich völlig unsinnig) MäDn-Klon eines meiner meistgespielten Spiele sein würde, hätte ich ihn sofort gefragt, ob er noch an den Osterhasen glaubt ...
Rezension Michael Schlepphorst
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.