Spielziel
"Wandelnde Türme"? Jeder rational denkende Mensch wird jetzt den Kopf schütteln. Es widerspricht allen bekannten Gesetzen der Physik, der Schwerkraft etc. Türme - so richtig massive Türme aus Stein - können sich unmöglich durch die Luft bewegen wie von Zauberhand! Aber da sind wir schon beim passenden Stichwort: Zauber! Im Reich der Magie und der Fantasie ist eben alles möglich, selbst Levitation von tausend Tonnen schweren Gebäuden. Stellt sich bloß die Frage nach dem "Warum?".
Zwei bis sechs Spieler versuchen in einem zauberhaften Wettkampf, zuerst alle ihre Magier in die Rabenburg zu bringen und auf dem Weg dorthin ihre Zauberflaschen zu füllen. Und da ist es halt manchmal vorteilhafter, gleich ganze Türme oder Turmstockwerke zu bewegen, statt mühsam zu Fuß zu gehen.
Ablauf
Neun Turmteile befinden sich - neben der pechschwarzen Rabenburg - in der Schachtel des Spiels Die Wandelnden Türme. Zu Beginn wird die Rabenburg auf das Startfeld eines Laufparcours gestellt, der aus 16 Feldern besteht. Je ein Turmteil kommt anschließend auf die nächsten Felder im Uhrzeigersinn.
Abhängig von der Spielerzahl erhält jeder Spieler eine bestimmte Anzahl an Magierfiguren sowie Zauberflaschen (mit leerer Seite nach oben) in seiner Farbe. Abwechselnd werden die Figuren dann nach einem gewissen System auf die Türme gestellt. Außerdem bekommt jeder noch drei Bewegungskarten vom gut gemischten Stapel auf die Hand. Für das Grundspiel werden die beiden Zaubersprüche "Magier bewegen" und "Turm bewegen" bereitgelegt.
Wer an der Reihe ist, darf 2 Aktionen ausführen, indem er je eine Karte aus seiner Hand ausspielt. Dadurch darf entweder ein Magier oder ein Turm die angegebene Anzahl an Feldern im Uhrzeigersinn weiter gezogen werden. Für die Bewegung eines Magiers gilt: Es darf nur ein eigener, sichtbarer Magier gezogen werden. Oberstes Ziel ist es, all seine Magier in die Rabenburg zu ziehen.
Als Turm darf jeder Turm (außer der Rabenburg) gewählt werden, egal wie viele Magier welcher Farbe sich darauf (oder darin) befinden. Es kann auch bloß ein Teil eines Turms bewegt werden, allerdings muss davor angesagt werden, welche Etage mit allen darüber liegenden gezogen werden soll. Gelingt es, mit einem Turm Magier "einzusperren", darf ein eigenes Zauberfläschchen auf die volle Seite gewendet werden. Das Füllen all seiner Zauberflaschen stellt eine der Siegbedingungen dar.
Volle Zauberflaschen können - jederzeit und einmal im eigenen Zug - abgegeben werden, um einen Zauberspruch auszuführen. Damit können im Grundspiel ein eigener Magier um 1 Feld (Kosten: 2 Zauberflaschen) oder ein Turm zwei Felder (Kosten: 1 Zauberflasche) gezogen werden. Die Flaschen kommen nach dem Einsatz aus dem Spiel.
Sobald ein Spieler all seine Magier in die Rabenburg ziehen und alle seine Zauberflaschen füllen konnte, hat dieser Spieler augenblicklich gewonnen.
Fazit
Wie man unschwer aus obiger Beschreibung herauslesen kann, ist Die Wandelnden Türme ein typisches Laufspiel. Es gilt schließlich, zuerst alle seine Magier ins "Ziel", die Rabenburg, zu ziehen. Die Rabenburg ist übrigens kein fixes Zielfeld, denn immer wenn ein Magier hineingezogen wird, wird sie daraufhin auf das nächste freie, sichtbare Wappensymbol (entweder auf dem Spielplan oder einem Turm) gestellt.
Auch wenn die Magier selbst nur durch Bewegungskarten mit einem Magiersymbol in die Rabenburg gelangen können, sind auch die Türme zur Vorwärtsbewegung recht hilfreich, können sie doch während ihrer Bewegung Magier mittransportieren, im Idealfall sogar gleich mehrere eigene Figuren. Der Hauptzweck der Turmbewegung besteht aber darin, Magier einzusperren, um Zauberflaschen zu füllen, was immerhin für die zweite Siegbedingung notwendig ist.
Das Einsperren anderer Zauberer bewirkt natürlich auch, dass diese vorübergehend blockiert sind, und so lange nicht mehr selbst gezogen werden können, bis sie durch eine entsprechende Turmbewegung wieder befreit werden. Dieser einfache, ja unscheinbare Mechanismus bringt einen zweiten, äußerst interessanten Aspekt ins Spiel, der auf den ersten Blick oder beim Durchlesen der Spielregel nicht gleich offensichtlich ist, aber schon während der ersten Partie auffällt: Es ist besonders wichtig, sich zu merken, wo sich seine eingesperrten, und somit verborgenen Magierfiguren befinden.
Man sollte meinen, es wäre ein Leichtes, sich die Position von zwei, drei Figuren einzuprägen. Aber weit gefehlt! Bereits nach ein paar Bewegungen wird es verwirrend, zumal es ja nicht nur darauf ankommt, in welchem Turm eine Figur steckt, sondern auch in welcher Etage! Dieses beinhaltete Memory-Element macht aus einem simplen, fast schon banalen Laufspiel ein schönes Familienspiel, bei dem auch die Kleinen, deren Merkfähigkeit ja bekanntlich deutlich höher ist als jene von uns Erwachsenen, gleichwertige Siegchancen haben.
Zudem ist auch einiges an Glück vonnöten. Die Rabenburg muss zum Beispiel mit genauer Bewegungszahl erreicht werden, und so braucht man ab und zu ganz bestimmte Kartenwerte. Es ist zwar möglich, seine drei Handkarten auszutauschen, wenn man keine Karten ausspielen kann oder will, dies stellt aber trotzdem einen Zugverlust dar und ist daher suboptimal. Manche Karten haben keinen fixen Wert, sondern weisen 1 bis 3 Würfelsymbole auf. Bei diesen kann der Bewegungswürfel ein- bis dreimal gewürfelt werden, um die Zugweite zu bestimmen, was klarerweise ebenfalls stark vom Zufall abhängig ist.
Im Familienkreis reicht die Regelung mit den beiden relativ unkomplizierten Zaubersprüche, welche gegen Abgabe voller Zauberflaschen einmal während des eigenen Zugs verwendet werden können und somit weitere Möglichkeiten bieten. In der Meistervariante allerdings können für eine Partie beliebig viele Zaubersprüche gewählt werden. Je mehr, umso taktischer wird das Spiel. Die zusätzlichen Zaubersprüche sind dann eine Spur komplexer und können zum Teil auch außerhalb des eigenen Zugs genutzt werden, etwa um Türme rückwärts zu bewegen, eigene Magier zu befreien oder "huckepack" von einem anderen Magier mitgenommen zu werden.
Die Wandelnden Türme ist ein wirklich gelungenes Familienspiel, welches aber - wegen der recht angenehmen Spieldauer von etwa einer halben Stunde - auch unter erfahrenen Spielern für gute Unterhaltung sorgt, etwa als lockerer "Opener" oder zum Abschluss eines anstrengenden Spieleabends.
Rezension Franky Bayer
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.