Spielziel
Willkommen in den Schaltzentralen der großen Unternehmen. Wer hier bestehen will, muss skrupellos, korrupt und erfinderisch seine Machtpositionen behaupten und ausbauen. Durch das geschickte Jonglieren mit Kapital, Macht und Mitarbeitern, dem Nutzen der errungenen oder durch Korruption erkauften Privilegien versucht jeder im Sumpf des Unternehmens seine Ziele ohne Rücksicht auf andere zu erreichen.
Ablauf
In seiner Spielerfarbe erhält jeder Spieler 1 Schmiergeldmappe, alle 22 Führungskräfte, 1 Übersichtstafel und 800.000 Pinats als Startkapital. Anschließend bekommt jeder noch eine Erzfeind-Kompetenz und eine Erzfeind-Farbkarte, aus deren Kombination sich ergibt, welcher Mitspieler sein Erzfeind ist und in welchen Kompetenzen er besser sein muss als der Erzfeind, um einen Siegpunkt zu erhalten.
Spielziel ist es, als erster Spieler 4 Siegpunkte zu erreichen. Es gibt 6 verschiedene Möglichkeiten Siegpunkte zu erhalten. Siegpunkte bekommt man, wenn man die grünen Bereiche der 4 verschiedenen Kompetenzen (Einfluss, Aktien, Hauptabteilungen, Korruption) erreicht, mindestens 1 externen Berater in 3 verschiedenen Bereichen hat oder seinen Erzfeind besiegt. Das Spiel läuft über mehrere Durchgänge, die in 2 Phasen unterteilt sind.
Phase 1, "Die Vorstandssitzung", besteht aus 7 Schritten:
1. Boss verabschieden – Privilegkarte „Boss“ ausführen und 1 neue Abteilung gründen bzw. 1 neue Hauptabteilung gründen (geschmiert)
2. neuen Boss wählen – der Mitspieler mit den meisten Vorstandsmitgliedern stellt den neuen Boss
3. Bereichsleiter ermitteln – der Mitspieler mit den meisten Abteilungsleitern im jeweiligen Unternehmensbereich stellt den Bereichsleiter
4. Privilegkarten verteilen – die Bereichsleiter erhalten die Privilegkarten des jeweiligen Unternehmensbereiches
5. Einflusspunkte vergeben – für den Boss und die Vorstandsmitglieder
6. Motivationsstein zurücksetzen – Die Motivation der Belegschaft wird wieder auf 6 gesetzt
7. Ereigniskarten sortieren – der Bereichsleiter des Unternehmensbereiches Kommunikation legt die Reihenfolge der 8 Ereigniskarten für die Abteilungsrunden fest
Phase 2 "Abteilungsrunden" - mindestens 4 und maximal 7:
Die oberste Ereigniskarte wird umgedreht und ausgeführt. Die Ereigniskarten beeinflussen in der Regel die Motivation der Belegschaft oder zwingen bestimmte Führungskräfte, z. B. den Boss oder Vorstandsmitglieder, Zahlungen aus ihrem Privatvermögen in die Bank vorzunehmen. Anschließend dürfen reihum alle Spieler eine Aktion ausführen. Es steht die folgende Auswahl an Aktionen zur Verfügung:
a) Mitarbeiter einstellen – 2 Mitarbeiter in eigene Abteilungen oder Hauptabteilungen einsetzen
b) Abteilungen gründen – durch eigene Mitarbeiter 1 oder 2 neue Abteilungen gründen; oder 1 neue Abteilung durch neue Mitarbeiter gründen
c) Abteilungen umstrukturieren – Umzug von bestehenden Abteilungen in andere Unternehmensbereiche oder Gründung einer Hauptabteilung durch das Zusammenlegen von 2 Abteilungen
d) Als Bereichsleiter abdanken – der Bereichsleiter und alle eigenen Abteilungsleiter des Unternehmensbereiches wechseln in den Vorstand oder der Bereichsleiter wird als externer Berater engagiert
e) Mitspieler bestechen – 1 bis 2 Bestechungsversuche durchführen, um in den Besitz von Privilegkarten anderer Spieler zu kommen
f) Punkte kaufen – Kapital in Aktienpakete, Hauptabteilungen oder externe Berater investieren, um in den Kompetenzleisten Punkte zu bekommen; oder Mitarbeiter entlassen, um Einfluss zu gewinnen
g) Privilegkarte einsetzen – Privilegkarte "Entwicklung" oder "Rechte und Patente" einsetzen
Nachdem jeder Spieler eine Aktion durchgeführt hat, wird die nächste Ereigniskarte umgedreht. Dies wiederholt sich so lange, bis als frühestens fünfte Karte das Ereignis "Vorstandsitzung" umgedreht und ausgeführt wird. Eine weitere, in jedem Durchgang wiederkehrende Ereigniskarte ist die "Prämienzahlung", bei der die Mitspieler Kapital für eigene Führungskräfte, Abteilungen und Aktienpakete erhalten.
Sobald ein Spieler in seinem Aktionsschritt die notwendigen 4 Siegpunkte erreicht hat, verkündet er dies und deckt - falls erforderlich - seine Erzfeindkarten auf. Das Spiel endet mit dem Aufdecken der Ereigniskarte "Vorstandssitzung" sofort.
Fazit
Wer von uns wollte nicht schon mal in den Schaltzentralen der eigenen Firma an den Rädchen der Macht drehen? Mit Machtspiele erhält man ein abendfüllendes Spiel mit einem nicht von der Hand zu weisenden Realitätsbezug, bei dem geschicktes Timing, die richtige Taktik und viel Interaktion im Vordergrund stehen.
Nach dem Studium der anspruchsvollen, gut strukturierten Spielregel, die auf 16 Seiten (inklusive zahlreicher Abbildungen und Beispiele) die sehr umfangreichen Möglichkeiten der Spieler und den Spielablauf gut beschreibt, kann mit dem Spiel begonnen werden. In den ersten Runden wird man das Gefühl nicht los, ständig irgendetwas vergessen zu haben. Die beigefügten Spielübersichten enthalten zwar alle wesentlichen Informationen, sind für meinen Geschmack aber etwas zu unübersichtlich. Man braucht mehrere Spiele, um alle Aktionsmöglichkeiten zu verinnerlichen und sicher handeln zu können.
Die vielen Aktionsmöglichkeiten machen das Spiel spannend und abwechslungsreich. Die Spieler müssen ständig beobachten, wer welche Möglichkeiten nutzt, und versuchen zu interpretieren, welche Ziele die Mitspieler damit verfolgen. Man stellt sich oft die Frage: „Arbeitet da jemand gezielt gegen mich, weil ich sein Erzfeind bin, oder war das jetzt eher Zufall, weil hinter der Aktion andere Beweggründe stecken?“ Hier seine Taktik immer wieder den aktuellen Gegebenheiten anzupassen, die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen und die Schwächen der Mitspieler auszunutzen, ist der Schlüssel zum späteren Erfolg. Fehler verzeiht das Spiel kaum. Einmal ins Hintertreffen geraten schaffen es nur erfahrene Spieler, die alle Zusammenhänge der Aktionsmöglichkeiten kennen, das Blatt eventuell nochmal zu wenden.
Ein wesentlicher Bestandteil des Spiels ist es, dass die durch Korruption erhaltenen Privilegien eingesetzt stärker sind, als wenn sie vom jeweiligen Bereichsleiter normal genutzt werden. Getreu dem Denken und Handeln vieler machtbesessener Manager, im Spiel durch die Motivation vernichtenden Ereigniskarten dargestellt, nimmt die Wirkung der Privilegien mit geringer Motivation der Mitarbeiter zu. Wer zum Beispiel den Bereich Kommunikation leitet, kann durch das Sortieren der Ereigniskarten für die nächste Abteilungsrunde wesentlichen Einfluss auf den Spielablauf nehmen und versuchen, seine eigene Strategie mit diesem Wissen optimal umzusetzen. Wären da nur nicht die Mitspieler, die mit ihren Aktionen immer wieder für teilweise böse Überraschungen sorgen, weil sie falsch eingeschätzt wurden. Ein gerade durch Korruption teuer gekauftes Privileg ist nicht mehr einsetzbar, weil der Bereichsleiter abgedankt hat und sich in den Vorstand verkrümelt hat oder lieber als externer Berater für das Unternehmen tätig ist. Hier alle erwähnenswerten Spielsituationen oder witzigen Spielwendungen wieder zu geben, sprengt leider den Rahmen.
Das Spiel funktioniert gut und die Spielmechanismen greifen wunderbar ineinander. Hier vereinen sich die Bildung von Mehrheiten in den Abteilungen und im Vorstand und die dadurch erhaltenen Privilegien (Worker-Placement) mit der Beeinflussung der Mitspieler durch die gewählten Aktionen oder den Kommentaren am Spieltisch zu einem runden Spielgefühl mit viel Atmosphäre. Der Name der Währung Pinats, das ständige Umstrukturieren der Abteilungen, die Bildung von Seilschaften und das Stühlerücken im Vorstand bedienen alle Klischees, die man mit den Führungsetagen großer Unternehmen verbindet. Der eine oder andere Mitspieler, der in einem großen Unternehmen tätig ist, kam zu dem Fazit: „Man fühlt sich gleich zu Hause und weiß, wie man spielen muss!“
Die angegebene Spieldauer von 90 bis 120 Minuten ist im Spiel zu viert oder fünft nur mit erfahrenen Spielern einzuhalten. Für die ersten Partien ist eine Spieldauer weit jenseits der 120 Minuten keine Seltenheit. In meinen Testpartien mit unterschiedlichen Spielgruppen wurde die lange Spieldauer aber nie bemängelt, da sich aufgrund der großen Interaktion jeder Spieler immer ins Geschehen eingebunden fühlte. Wegen der Komplexität und der langen Spieldauer ist die Altersangabe von ab 12 Jahren grenzwertig niedrig gewählt. Denn bei Machtspiele handelt es sich bestimmt nicht um ein Familienspiel, sondern um ein Spiel für Vielspieler, an das aber auch Gelegenheitsspieler herangeführt werden können.
Als optimale Spielerzahl wurde von den Testgruppen 4 oder 5 Mitspieler genannt, bei 3 Mitspielern lässt der Interaktionsanteil schon deutlich nach. Die nachgelieferte 2- Personen-Variante konnte ich mangels eines willigen Mitspielers leider nicht ausprobieren und möchte dazu hier dann auch nichts anmerken.
Mit einem großen, übersichtlich gestalteten Spielplan, Spielsteinen aus Holz und ordentlich verarbeitetem Spielmaterial erhält man ein Spiel in der qualitativ und quantitativ gewohnt sehr guten Ausstattung von Eggertspiele.
Wer nach einer Partie Machtspiele jedenfalls immer noch glaubt, dass ein Abteilungsleiter eine Abteilung leitet, ist unbelehrbar und glaubt mit Sicherheit auch, dass ein Zitronenfalter Zitronen faltet.
Rezension Andreas Molter
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.