Spielziel
Wenn man sich meine bisherigen Rezensionen auf "H@ll 9000" anschaut, könnte man mich als den Deckbau-Spezialisten bezeichnen. Ich habe bis jetzt über ziemlich viele Spiele berichtet, welche auf den bei Dominion erstmals aufgetauchten Spielmechanismus basieren: Thunderstone, Eminent Domain, Mage Knight (noch unveröffentlicht), Fremde Federn, Der Hobbit. Ich weiß nicht, woran das liegt, ich bin eigentlich gar kein so glühender Verehrer dieses Genres. Aber die genannten Spiele besitzen eben alle dieses gewisse Extra: Jedes verbindet auf geschickte - oder zumindest interessante - Weise Deckbau mit anderen Spielmechanismen.
Auch bei Trains kommt etwas Neues hinzu. Nicht nur das Sammeln von Siegpunkten im eigenen Kartendeck ist das Ziel. Die Spieler bauen mit Hilfe ihrer Karten Eisenbahnstrecken und Bahnhöfe in Japan, wofür sie ebenfalls wertvolle Siegpunkte erhalten.
Ablauf
In der überdicken Schachtel finden wir deshalb mehr als die üblichen Kartenpackungen. Der beidseitig bedruckte Spielplan - auf der einen Seite mit Tokio, auf der Rückseite mit Osaka - ist mit Sechseckfeldern übersät: Ebenen, Flüsse, Berge, Meer, Städte und abgelegene Orte. Außerdem erhält jeder Spieler zu Beginn 20 Gleiswürfel in der Farbe seiner Wahl, mit denen er seine gebauten Strecken markiert. Neutrale Bahnhofsmarker in Weiß dienen zur Errichtung oder den Ausbau von Bahnhöfen in Städten.
Den Großteil des Spielmaterials machen aber trotzdem die Karten aus. Die verschiedenen Arten unterscheiden sich voneinander durch ihre Farbe. So sind die Karten aller Züge in Blau gehalten, Gleisbaukarten hingegen in Grün. Stadtgebäude sind gold, Bahnhofsausbau-Karten lila, Müllkarten schwarz und die unzähligen Aktionskarten rot. Zu Beginn erhält jeder Spieler ein Startdeck aus 10 Karten: 7 x Regionalzug, 2 x Gleisbau und 1 x Bahnhofsausbau. Außerdem setzt jeder Spieler einen Gleiswürfel auf ein beliebiges Feld des Spielplans, einen anderen als Zählstein auf das Feld "0" der Siegpunkteskala.
Wer an der Reihe ist, hat zwei mögliche Aktionen, die er mit seinen 5 Handkarten in beliebiger Reihenfolge und so oft er will ausführen kann. Er kann eine Karte kaufen. indem er die auf der gewünschten Karte rechts oben abgebildeten Kosten bezahlt. Dafür müssen seine in diesem Spielzug ausgespielten Karten genug Geld (Zahl links oben) aufweisen. Vor allem Züge sorgen im Laufe des Spiels für die notwendigen Einnahmen. Neben 7 Standardkarten (die besseren Züge Fernzug und D-Zug, Gleisbau, Bahnhofsausbau und die drei Stadtgebäuden Wohnhaus, Hochhaus und Wolkenkratzer) stehen in jedem Spiel acht durch Zufallskarten ermittelte Kartenstapel zum Kauf zur Verfügung.
Als zweite Möglichkeit kann ein Spieler eine Karte ausspielen. Die Karte "Gleisbau" etwa erlaubt einen Gleiswürfel seiner Farbe auf den Spielplan zu platzieren, um sein Streckennetz zu erweitern. Nur auf Ebenen können Gleise jedoch gratis verlegt werden. Alle anderen Gelände - Flüsse, Berge, Städte und abgelegene Orte - verlangen die Bezahlung von Baukosten, außerdem entstehen durch Bahnhofsmarker und gegnerische Gleise Extrakosten. Anders verhält es sich mit den Bahnhöfen. Mit der Karte "Bahnhofsausbau" kann ganz ohne Kosten und Bedingungen 1 Bahnhofsmarker auf eine beliebige Stadt gelegt werden, lediglich auf die maximale Anzahl an Bahnhöfen in einer Stadt - erkennbar durch die Anzahl der Häuser - muss geachtet werden. Schließlich bieten noch die Aktions- und viele weitere Karten verschiedenste Effekte, die durch ihr Ausspielen genutzt werden dürfen.
Das Spiel endet, sobald entweder vier Kartenstapel leer sind, ein Spieler alle seine Gleiswürfel auf dem Spielplan untergebracht hat oder alle Bahnhofsmarker auf den Städten stehen. Die Spieler ermitteln ihre Siegpunkte aus den Karten ihres gesamten Kartendecks sowie ihrer Gleiswürfel in den Städten (abhängig von der Anzahl der Bahnhofsmarker) und den abgelegenen Orten. Der Spieler mit den meisten Gesamtpunkten erweist sich als japanischer Eisenbahnbaron.
Fazit
Wie bei einem Deckbauspiel üblich, wandern auch hier gekaufte sowie ausgespielte Karten über den Umweg des Ablagestapels wieder in den Nachziehstapel und kommen deshalb öfters in Verwendung. Die Spieler versuchen deshalb, durch den Kauf besserer und/oder der Entsorgung schlechterer Karten ein effektiveres, effizienteres Kartendeck zu erhalten.
Die Parallelen zu Dominion sind auch sehr verblüffend. Bei allen Karten erkennen Dominion-Fans viele Ähnlichkeiten zu Karten aus dem "Spiel des Jahres 2009", wie die grobe Einteilung in Geld-, Punkte- und Aktionskarten. Ein nicht unwesentlicher Unterschied besteht allerdings darin, dass es bei Trains keinerlei Beschränkung auf die Anzahl an Aktionen und Käufen in einem Spielzug gibt.
Die größte Abweichung besteht natürlich im Ausbau des Streckennetzes durch Gleisbau und Bahnhofsausbauten, welche sich beide auf dem Spielplan auswirken. Hier entsteht im Laufe des Spiels ein reger Konkurrenzkampf um die vorteilhaftesten Strecken und die besten Stadtverbindungen. Zwar ist es nicht möglich, Mitspieler zu isolieren, zu blockieren oder auszusperren, da auf jedem Feld beliebig viele Spieler ihre Gleise bauen dürfen. Aber die entstehenden Extrakosten für bereits auf einem Feld befindliche Bahnhofsmarker und Gleiswürfel anderer Spieler können die Kosten stark erhöhen und eine Ausbreitung empfindlich erschweren. Daraus resultiert sehr wohl ein richtiges Wettrennen zu lukrativen Orten.
Eine weitere Besonderheit bei Trains stellt der Müll dar. Müll entsteht durch jede Bautätigkeit. Jedes Mal wenn ein Spieler eine Karte "Gleisbau" oder "Bahnhofsausbau" spielt, muss er gleichzeitig eine Müll-Karte nehmen und auf den Ablagestapel legen, ebenso wenn er ein Stadtgebäude errichtet. Außerdem verursachen fremde Gleiswürfel auf Feldern, auf denen man Gleise baut, ebenfalls Müll. Da Müll-Karten keine Verwendungsmöglichkeiten bieten, blockieren sie unnötig die Kartenhand. Müll wird daher mit Fortdauer des Spiels ein immer größer werdendes Problem. Man wird ihn im Normalfall nur los, wenn man in einer Runde ganz auf Aktionen verzichtet und stattdessen alle Müllkarten auf der Hand zurück auf den entsprechenden Stapel legt. Einige Aktionskarten - so sie denn im Spiel sind - bieten jedoch bessere Möglichkeiten zur Müllentsorgung, -verwertung und -vermeidung.
Im Grunde genommen gibt es zwei verschiedene Strategien, zu Siegpunkten zu kommen. Einerseits durch die Stadtgebäude, die ja am Schluss direkte Siegpunkte bedeuten. Eine reine Geldstrategie (mit höherwertigen Zügen) ist bei Trains aber nicht so erfolgreich, da die Punkte für Wohnhäuser, Hochhäuser und Wolkenkratzer vergleichsweise gering ausfallen (1, 2 bzw. 4 Siegpunkte). Es empfiehlt sich daher schon, auch auf dem Spielplan klug zu agieren. Am Ende bringen abgelegene Orte den ausgewiesenen Punktwert, bei Städten entscheidet die Anzahl der Bahnhofsmarker. So bringt eine Stadt mit 1 Bahnhofsmarker 2 Siegpunkte für jeden darin vertretenen Spieler. Eine Stadt mit 2 Markern bringt schon 4 Punkte und einer Großstadt mit 3 Markern stolze 8 Punkte.
Noch eine Bemerkung zur Spielerzahl. Normale Deckbauspiele spiele ich am liebsten in kleinerer Besetzung (zu dritt oder besser noch: zu zweit), da es flott geht und die Interaktion ohnehin sehr gering ausfällt. Bei Trains sollte man aber schon mindestens zu dritt, idealerweise sogar in voller Viererbesetzung sein, damit auf dem Spielplan mehr Konkurrenzkampf entsteht. Erst das Gerangel um die besten Bauplätze macht das Spiel richtig spannend und interessant.
Wenn ich etwas in der vorliegenden Fassung von Trains bekritteln muss, dann ist es die fehlende Varianz. Das vorhandene Kartenmaterial erlaubt zwar einige interessante Partien, die taktischen Möglichkeiten sind aber bald erschöpft. Meiner Meinung nach erlaubt das Spiel viel mehr verschiedene Karteneffekte, die Möglichkeiten sind bei weitem noch nicht ausgereizt. Dies schreit förmlich nach Erweiterungen, die für mehr Abwechslung und einen höheren Wiederspielreiz sorgen würden.
Es müssen ja nicht dermaßen viele Erweiterungen sein wie bei Dominion, aber in der riesigen Schachtel ist noch ausreichend Platz für mindestens doppelt so viele Karten. Momentan ist so viel Luft drin, dass die Stapel trotz der praktischen Kartentrenner immer verrutschen und alles durcheinander gerät. Trains ist in unseren Spielerunden auf jeden Fall so gut angekommen, dass ich eine weitere Vertiefung des Spielgefühls durch "Expansions" als durchaus gerechtfertigt erachten würde ...
Rezension Franky Bayer
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.