Spielziel
In den meisten Spielen horten wir Geld, häufen Siegpunkte an oder sammeln Macht, Ruhm, Prestige, Ansehen oder ähnliches. Da stellt dieses Spiel eine willkommene Ausnahme dar, denn hier geht es vielmehr um "Iki", was wir in etwa mit "Harmoniepunkten" übersetzen könnten, ein philosophisches Konzept jener Zeit, welches für die ideale Lebensweise steht.
Als "Edokko" - ein "Kind von Edo" - versuchen wir nämlich, uns in Tokio während der Edo-Zeit (Anfang des 17. bis Mitte des 19. Jahrhunderts) um das Wohlbefinden von Edo und seiner Bewohner zu kümmern, indem wir Händler und Handwerker der unterschiedlichsten Art anwerben und ihnen Arbeitsplätze an der Hauptstraße von Nihonbashi zuzuweisen, auf dass alle vom wirtschaftlichen Aufschwung und vom Wohlstand profitieren.
Ablauf
Der Spielplan zeigt die Hauptstraße von Nihonbashi, welche zusammen mit einer Querstraße die Stadt in vier Viertel ("Nagaya") teilt, wovon jedes Viertel wiederum zwei Felder hat. Zu jedem der acht Felder der Hauptstraße gehört ein Laden, dahinter befinden sich jeweils 2 Stände, die Platz für je 1 Händler oder 1 Gebäude bieten. Die Felder bilden zudem einen Rundkurs, auf dem sich die Meister der Spieler ("Oyakata") gegen den Uhrzeigersinn bewegen.
Am oberen Rand des Spielplans verläuft ein Monatsanzeiger, auf dem die 13 Monate (= Runden) des Spiels - 4 Jahreszeiten zu je 3 Monaten plus das abschließende Neujahrsfest - festgehalten werden. Zu Beginn werden die Händlerkarten - sauber getrennt in 4 Jahreszeitenstapel - gemischt bereitgelegt, außerdem werden zufällig sechs der 10 Gebäudekarten offen neben dem Spielplan ausgelegt.
Unsere persönliche Vorbereitung besteht darin, dass wir ein Startkapital in Höhe von 8 Mon und 1 x Reis erhalten, unsere Ikizama-Figur und vier Kobun-Figuren (unsere Assistenten) auf unser Edokko-Tableau stellen, sowie unsere beiden Marker für Brandwehr und Iki auf die Startfelder des Spielplans setzen. Schließlich nehmen wir - in umgekehrter Zugreihenfolge - eine Startkarte und legen sie zusammen mit einer unserer Kobun-Figuren auf eines der Eckfelder des Spielplans.
Eine Partie Iki verläuft also über 13 Runden, in denen wir zuerst 4 Karten vom aktuellen Händlerstapel aufdecken, und dann nacheinander folgende 3 Phasen spielen:
A: Ikizama-Phase
In Zugreihenfolge stellen wir unsere Ikizama-Figur auf ein freies Feld der Ikizama-Leiste. Dadurch legen wir nicht nur die Reihenfolge fest, in der wir in der anschließenden Aktionsphase dran sind, sondern auch die Zugweite unseres Meisters auf der Hauptstraße.
B: Aktionsphase
In der vorher bestimmten Reihenfolge handeln wir dann die Aktionsphase ab. Wenn wir an der Reihe sind, dürfen wir zuerst entscheiden, ob wir Einkommen (4 Mon aus dem Vorrat) erhalten oder eine der ausliegenden Händlerkarten (Straßenhändler, Handwerker, Meister, Verkäufer und sonstige) anwerben wollen. Wählen wir Letzteres, zahlen wir den auf der gewählten Karte angegebenen Betrag, legen sie auf einen freien Stand auf dem Spielplan und stellen 1 Kobun von unserem Tableau auf das unterste Erfahrungsfeld der Karte.
Anschließend bewegen wir unsere Oyakata-Figur genau um die vorher bestimmte Anzahl an Felder im Uhrzeigersinn vorwärts. Dort, wo unser Meister landet, dürfen wir Geschäfte tätigen, und zwar in beliebiger Reihenfolge mit dem angrenzenden Laden und/oder mit einem der beiden dahinterliegenden Stände. Nutzen wir dabei die Fertigkeit eines fremden Händlers, d.h. den Stand eines Mitspielers, so erhöht sich dessen Erfahrung, indem der Kobun um eine Position nach oben rückt.
C: Ereignisphase
In manchen Monaten findet nach der Aktionsphase ein Ereignis statt. So gibt es am Ende jeder Jahreszeit einen Zahltag, an dem wir Erlöse für unsere in Rente gegangenen Händler erhalten, sowie einen "Harmoniebonus" für jeden unserer Händler, in dessen Gruppe von Ständen (meistens Stadtviertel) sich Händler derselben Art befinden. Jene Händler, die nicht in Rente sind, müssen wir am Zahltag aber auch bezahlen, indem wir 1 Reis pro Händler abgeben.
Eine Besonderheit stellen die Feuer dar, welche nach dem 5., 8. und 11. Monat eine gefährliche Rolle spielen. Ein zufällig aufgedecktes Feuerplättchen bestimmt, in welchem Stadtviertel Feuer ausbricht. Dort beginnt es stets außen am Spielplanrand und frisst sich Richtung Mitte vor, wobei es jedoch zunehmend an Stärke verliert. Trifft es dabei auf einen unserer Händler oder eines unserer Gebäude, wird diese Karte zerstört - es sei denn, unsere Brandwehrstärke ist ausreichend groß, denn in diesem Fall gelingt es uns, das Feuer zu löschen, welches sich daraufhin nicht mehr weiter im Stadtviertel ausbreiten kann.
Die 13. und letzte Runde - das Neujahrsfest - wird übrigens ganz ohne Ikizama-Figur gespielt. Wir dürfen unseren Meister direkt auf ein beliebiges Straßenfeld setzen und mit dem Laden und einem der beiden dahinter liegenden Stände Geschäfte tätigen.
Direkt im Anschluss darauf folgt die Schlusswertung, bei der wir zusätzlich zu den während der Partie gesammelten "Iki" für folgende Aspekte noch weitere "Iki" erhalten: Für Händlervielfalt (je mehr unterschiedliche Händlerarten, umso mehr), für unsere gesammelten Fische (ebenfalls abhängig von ihrer Anzahl), für unsere Tabaksbeutel (sogar verdoppelt, wenn wir mindestens 1 Tabakspfeife besitzen), unsere Gebäude (aufgedruckter, zum Teil variabler Wert) und unsere verbliebenen Ressourcen. Erzielen wir insgesamt die meisten "Iki", erweisen wir uns als der angesehenste Bürger von Edo.
Fazit
Das Sammeln von möglichst viel "Harmonie" mag für uns Europäer etwas ungewöhnlich klingen. Im Endeffekt kommt es aber doch wieder auf dasselbe hinaus: Wir versuchen, auf die eine oder andere Weise Punkte zu erzielen. Punkte, Punkte, und noch mal Punkte. Von dieser Warte aus betrachtet können wir also getrost sagen: "Im Osten nichts Neues!"
Bevor Iki jedoch ungerecht kategorisiert und schubladisiert wird, sollten wir doch noch auf die Besonderheiten des Spiels eingehen. Und von diesen gibt es doch ein paar. Die erste ist die Reihenfolge, in der die Spieler ihren Spielzug absolvieren. In der Ikizama.Phase (A) entscheidet zuerst unsere Brandwehrstärke, wann wir unsere Ikizama-Figur einsetzen dürfen. Die Position dieser Figur bestimmt dann die weitere Zugreihenfolge für die Aktionsphase (B).
Diese Bestimmung der Reihenfolge in zwei Schritten ist ungewohnt, sodass es in unseren Partien immer wieder mal passiert ist, dass ein Spieler sofort seinen kompletten Zug machen wollte, anstatt zuerst seine Ikizama-Figur einzusetzen. Gleichzeitig ist die Reihenfolge noch untrennbar mit einer exakten Zugweite für unseren Oyokata verbunden. Sind wir später dran, kann auf diese Weise das Feld mit der gewünschten Zugweite bereits vergeben sein, worauf wir eventuell umdisponieren und uns eine alternative Aktion überlegen müssen.
Es gibt jedoch ein - eher unattraktives - Ausweichfeld, mit dem wir zwar auf jeden Fall als Erster an die Reihe kommen und zugleich sogar eine beliebige Zugweite von 1 bis 4 Feldern wählen können, dafür entfällt für uns aber die Möglichkeit, zwischen 4 Mon Einkommen oder dem Anwerben eines Händlers zu wählen. Stattdessen erhalten wir bloß 1 läppischen Mon. Diese Option wird meist nur in Notfällen gewählt, wenn man unbedingt noch ein bestimmtes Straßenfeld erreichen möchte, das benötigte exakte Zugweitenfeld aber bereits durch einen Mitspieler belegt ist. Alternativ gibt es aber auch stets die Möglichkeit, die Zugweite seines Meisters mit - in manchen Läden und Ständen erhältlichen - Sandalen zu erhöhen.
Die Aktionen der Läden und Stände bieten uns vielerlei Möglichkeiten. So können wir Rohstoffe erhalten, kaufen oder tauschen, oder die Rohstoffe für den Erwerb nützlicher (Holz, Reis, Sandalen) oder wertvoller Dinge (Fische, Tabaksbeutel, Goldmünzen) einsetzen. Dies kennen wir aber schon aus zahlreichen Spielen. Neu ist hingegen, dass andere Spieler davon profitieren, wenn wir an ihrem Stand ein Geschäft tätigen. Die Erfahrung des genutzten Händlers steigt in so einem Fall, indem die Kobun-Figur auf der Erfahrungsleiste um 1 Feld nach oben gerückt wird.
Erreicht einer unserer Kobun das oberste Feld, geht der Händler in Ruhestand. Das heißt, dass die Karte vom Spielplan entfernt und stattdessen halb unter unser Edokko-Tableau geschoben wird. Der kleine Nachteil, dass wir unseren Stand in der Stadt verlieren und somit auch auf einen möglichen Harmoniebonus verzichten müssen, wird durch den Vorteil eines gesicherten Einkommens unseres Rentners (Geld, Ressourcen oder Siegpunkte) - sogar ohne ihn mit Reis bezahlen zu müssen! - mehr als wettgemacht. Die Erfahrung unserer eigenen Händler können wir hingegen nur mit entsprechenden Aktionen (durch bestimmte Händlerkarten) erhöhen, oder wenn wir mit unserem Oyokata einen Rundgang auf der Hauptstraße vollenden. Schnelles Vorankommen unseres Meisters zahlt sich daher sehr wohl aus.
Dass wir nicht ganz unbeschwert und ungestört unseren Geschäften nachgehen können, liegt an den Bränden, welche drei Mal im Jahr Nihonbashi heimsuchen. Ein zufällig aufgedecktes Feuerplättchen bestimmt, welches Stadtviertel vom Feuer betroffen ist. Das klingt jetzt sehr destruktiv, ein negatives Element, welches von einigen Spielern nicht sehr goutiert wird. Ich finde es aber weniger schlimm, denn erstens können wir uns dagegen schützen, und mit einer hohen Brandwehrstärke sind wir zudem auch früher dran und haben mehr Auswahl beim Einsetzen unserer Ikizama-Figur. Und zweitens können wir unsere neuen Händler ja auf (manchmal teurere) Stände näher zur Mitte legen und auf die "Mitarbeit" unserer Mitspieler beim Löschen des Feuers vertrauen.
Es gibt mehrere Möglichkeiten, Siegpunkte zu sammeln, und dementsprechend können wir auch unsere Vorgehensweise darauf ausrichten. So können wir uns schon von Beginn an auf die Harmoniepunkte konzentrieren und häufig Händler der gleichen Art in Vierteln vereinen, teils unter Mithilfe der Mitspieler, weil dies auch mit "fremden" Händlern funktioniert. Fische können uns schöne Punkte bringen, allerdings nur dann, wenn wir den Fischmarkt zu jeder Jahreszeit mindestens einmal aufsuchen.
Tabaksbeutel (erhältlich im Tabakladen) bringen Punkte für bestimmte Elemente. Wichtig wäre dann aber auch, zumindest eine Tabakspfeife zu erwerben, um all diese Punkte zu verdoppeln. Gebäude können richtig viele Siegpunkte wert sein, verlangen jedoch einiges an Vorarbeit, da sie viele Ressourcen, wie Holz und die recht teuren Goldmünzen erfordern. Die Händlervielfalt beschert uns Punkte je nach Anzahl unterschiedlicher Händlerarten. Dies mit dem Harmoniebonus zu verbinden, ist eine knifflige Aufgabe.
Bloß auf eine einzige dieser Siegpunktquellen zu setzen, reicht mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht für den Sieg, sodass wir schon zwei oder drei "Strategien" in Betracht ziehen sollten. Es ist aber auf keinen Fall zielführend, sich überall zu engagieren und sich somit zu sehr zu verzetteln.
Das Spielmaterial gefällt mir ausgesprochen gut, und zwar gleich in dreierlei Hinsicht. So stimmt schon mal die Materialqualität, denn alle Plättchen sind stabil, die Spielertableaus lassen sich auseinanderklappen, und wir finden ausreichend Holzmaterial (diverse Figuren und Ressourcen) vor. Die Gestaltung ist ebenfalls ausgezeichnet. Dem Grafiker David Sitbon ist es gelungen, die fernöstliche Atmosphäre mit exakten Pinselstrichen einzufangen. Und redaktionell wurde mit einer gut gegliederten Spielanleitung, einer leicht verständlichen Symbolik, praktischen Spielerhilfen auf den Tableaus und einem übersichtlichen Wertungsblock auch alles richtig gemacht.
Alles in allem ist Iki ein Kennerspiel ganz nach meinem Geschmack. Sicher: in Vollbesetzung muss man schon 2 Stunden und sogar noch ein bisschen mehr einkalkulieren - eine Zeit, die meiner Meinung nach aber gut investiert ist. Und ich dürfte wohl nicht der einzige sein, der von dem Spiel sehr angetan ist, hat es die Jury doch letztes Jahr auf die Nominierungsliste zum "Kennerspiel des Jahres" gesetzt.
Rezension Franky Bayer
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.