Spielziel
Hier ist die Brettspielumsetzung des wohl sehr bekannten Computer-Spiels Dorfromantik: Kooperativ werden Landschaftsplättchen aneinander gelegt, zusammenhängende Landschaftsgebiete generiert und schrittweise möglichst viele Aufträge erfüllt. Es entstehen Flüsse, Eisenbahnstrecken, Wald-, Getreide- und Stadt-Landschaften. Als Belohnung gibt es Erweiterungsplättchen. Dadurch werden von Partie zu Partie die Landschaften größer und die Aufträge vielfältiger…
Ist das nicht irgendwie romantisch - oder sagen wir dorfromantisch?
Ablauf
Alle Plättchen sind sechseckig und haben somit 6 Kanten, die man im Spielverlauf an andere Plättchen angrenzen. Es gibt hier 5 verschiedene Landschafts-Kategorien: Wald, Stadt, Getreide, Fluss, Eisenbahnstrecken.
Das Spielprinzip ist sehr einfach: Zu Spielbeginn werden reihum 3 Auftragsplättchen in der Tischmitte aneinander gelegt. Auf jedes Auftragsplättchen kommt dann ein zufällig gezogener Auftragsmarker mit einer Zahl zwischen 4 und 6. Von nun an werden reihum Landschaftsplättchen gezogen und möglichst zielführend angelegt. Ziel ist es, die Größe der Landschaftskategorien zu erweitern. Dabei ist es nicht notwendig bzw. möglich, dass immer alle Kanten des angelegten Plättchens landschaftstechnisch zueinander passen. Flüsse und Bahnschienen müssen hingegen immer passend angelegt werden.

Aufträge erfüllen: Sobald eine Landschaft aus exakt genau so vielen Plättchen entstanden ist, wie auf dem Auftragsmarker angegeben, der Bestandteil dieser Landschaft ist, gilt der Auftrag als erfüllt. Der Auftragsmarker wird eingesammelt und zählt später für die Partie-Wertung. Anstelle eines Landschaftsplättchens wird nun zuerst wieder ein Auftragsplättchen gezogen und an die Landschaft angelegt. Es müssen immer 3 Aufträge parallel ausliegen. Sollte erkennbar sein, dass ein Auftrag nicht mehr erfüllbar ist, wird der Auftragsmarker unerfüllt aus dem Spiel genommen (ohne Punkte zu generieren) und ein neuer Auftrag ins Spiel gebracht.

Unter den Landschaftsplättchen befinden sich auch Fähnchenplättchen. Diese sind immer einer Landschaft zugeordnet. Sie bringen zum Partienende so viele Punkte, wie die Anzahl an Plättchen dieser Landschaft. Voraussetzung ist jedoch, dass diese Landschaft komplett abgeschlossen wurde, d.h. sie muss so umbaut sein, dass diese Landschaft nicht mehr erweitern werden kann. Sollte sie zu Spielende noch irgendwo offen sein, ist sie hingegen 0 Punkte wert. Mehrere Fähnchen innerhalb einer Landschaft bringen jeweils die Punktzahl.
Partie-Ende: Sobald alle Landschaftsplättchen gezogen und gelegt wurden, endet eine Partie. Nun geht es ans Punkte zählen!
Man addiert
a) die Werte der Auftragsmarker,
b) den längsten Fluss und die längste Bahnstrecke sowie
c) die Punkte für die Fähnchenplättchen.
Alle Punkte trägt man in das Partie-Formular ein und ermittelt somit die Gesamtpunktzahl.
Als nächstes geht´s an das Kampagnen-Formular. Die Anzahl der Punkte definiert, wieviele Kreuze man auf der Kampagnenleiste machen darf. Kommt man damit bei einem der Sechsecke an, dürft ihr bestimmte Schachteln öffnen und erweiternde Spielelemente herausnehmen. Bei vielen dieser Elemente muss man in den nächsten Partien zuerst bestimmte Aufgaben erfüllen, um diese Spielelemente "freizuspielen". Hat man dies geschafft, kommen neue Spielplättchen ins Spiel, die wiederum neue Ziele definieren und zusätzliche Punkte ermöglichen. Deren Möglichkeiten sind vielfältig: Das können Auftrags-Punktedoppler sein, Herzen, welche zusätzliche Punkte für jede korrekt angelegte Landschaftskante bringen, u.v.m. worüber ich jetzt nicht schreiben möchte, denn das sollt ihr mal schön selbst herausfinden. :-)
Von Partie zu Partie erhält man zusätzliche Punkte, kommt in der Kampagne vorwärts, erhöht die Anzahl der Plättchen, macht die Landschaft größer, erweitert die möglichen Ziele, erhöht damit die maximal möglichen Punkte und macht das Spiel schrittweise komplexer.
Es gibt zwar ein klar definiertes Ende für jede Partie, aber kein wirkliches Ende für die Kampagne. Irgendwann hat man dennoch alle Sonderkarten freigespielt. Bis man allerdings dort angekommen ist, braucht man schon zwischen 15 und 20 Partien (bei uns waren es 17 Partien). Ab dann kann man versuchen auf Highscore-Jagd zu gehen und die maximale Punktzahl heraus zu bekommen.
Fazit
Was sind denn so die ersten Vorurteile, wenn man vom Spielprinzip hört, aber noch nichts von Dorfromantik gehört hat:
- Plättchen ziehen, anlegen, Punkte sammeln, fertig. Mehr ist es nicht. Hm… klingt langweilig, oder?
- Man nehme die Idee von Carcassonne, drucke sie auf Siedler-Plättchen, fertig ist Dorfromantik… hm… klingt auch langweilig, oder?
- Mal wieder ein Computerspiel, das man eigentlich solitär spielen sollte und nun versucht man daraus ein Kooperations-Brettspiel zu machen….hm… klingt gemein, oder?
Was soll ich sagen… nichts von den oben gesagten Aussagen ist wirklich falsch und dennoch ist die Einfachheit dieses Spiels genau das Erfolgsrezept!
Es fängt total simpel an: Karte ziehen, anlegen. Ist ein Auftrag erfüllt: Neue Auftragskarte ziehen und anlegen… usw.
Das Spiel selbst bleibt auch so einfach. Die schrittweisen Belohnungen hingegen erweitern die Möglichkeiten. Damit steigt auch das Dilemma, welche Strategie man fahren sollte: Haben große Landschaften Priorität oder sollte man so schnell wie möglich Aufträge erfüllen? Ein Geheimrezept gibt es dafür nicht. Da die Reihenfolge der gezogenen Plättchen stets unterschiedlich ist, geht der Plan halt nicht immer auf, denn zu Spielbeginn werden immer 3 Karten aus dem Deck entfernt. Damit fehlen immer ein paar Karten. Man kann sich also nicht darauf verlassen, dass eine bestimmte Karte tatsächlich noch kommt.
Vom Grundsatz her handelt es sich eigentlich um ein Solitär-Spiel. Der Vorteil in der Gruppe hingegen ist, dass mehr Augen auch mehr sehen und man sich hier sehr gut beraten kann. Damit ist die gesamte Gruppe durchgängig ins Spielgeschehen eingebunden. Um lange Diskussionen zu vermeiden, wurde bei uns definiert, dass bei unterschiedlichen Meinungen immer die am Spielzug befindliche Person entscheidet. Das verhindert auch, dass ein Alphatier am Tisch alle Entscheidungen trifft. Bei uns hat das hervorragend bis zu 4 Spieler funktioniert. Eine höhere Spielerzahl erachte ich als schwierig, sofern es sich nicht um eine extrem harmonische Spielgruppe handelt.
Das Spielgefühl: Die Regeln von Dorfromantik sind simpel und verändern sich nicht - aber die Möglichkeiten, wie man damit Punkte generieren kann, und das macht einfach nur Spaß. Der Fakt, dass man nie wirklich verliert, sondern immer eine kleine Belohnung bekommt, bringt eine Form von Leichtigkeit ins Spiel und generiert eine total positive Atmosphäre. Und dennoch entsteht ein Spannungsbogen, da nicht immer sicher ist, ob nun doch noch eine passende Karte gezogen wird. Zudem ist man stets neugierig, welche neuen Belohnungen / Spielelemente noch ins Spiel kommen.
Gegen Kampagnen-Ende kommen zwar nicht mehr so viele und teilweise gar keine neuen Spielelemente hinzu, allerdings lernt man die im Spiel befindlichen Landschaftskarten immer besser kennen. Damit kann man die noch ausstehenden Möglichkeiten (Anzahl von Fluss-Kurven, bestimmte Landschaftsplättchen) besser planen und punkteträchtigere Partien spielen.
Alles in Allem: Auch wenn die Grundidee mit Kärtchen anlegen nicht revolutionär ist und einen Hauch von Carcassonne mit sich führt, ist Dorfromantik absolut kein Abklatsch sondern ein rundum gelungenes Kooperationsspiel mit einem positiv beschwingtem Spielgefühl. Ich habe mich stets auf den nächsten Dorfromantik-Abend gefreut (selbst nach einer stressigen Arbeitswoche). Selten habe ich in so kurzer Zeit 15-20 Partien von jeweils 30-45 Minuten aufeinanderfolgend gespielt.
Manche mögen es pro Spielabend nur 1 Partie zu spielen und somit das Kampagnen-Ende lange hinauszuzögern. Wir hingegen haben gerne mal 4 Stunden am Stück diverse Partien gespielt und uns dabei keine Minute gelangweilt.
Ich bin vermutlich kein Hellseher, wenn ich voraussage:
1. Die Jury Spiel des Jahres wird an Dorfromantik nicht vorbei kommen. Es fasziniert Vielspieler, ermöglicht aber Gelegenheitsspielern einen leichten Einstieg. Das schreit nach einer Auszeichnung!
2. Das Computerspiel hat angeblich noch so viele weitere Spielelemente zu bieten (ich gestehe, ich kenne die digitale Version persönlich nicht, habe aber gute Quellen), so dass auch mit vielen Dorfromantik-Erweiterungen gerechnet werden darf. Solange die Fangemeinde von Dorfromantik nicht müde wird, ermöglicht dieses Spielkonzept fast grenzenlose Erweiterungs-Möglichkeiten über die nächsten Jahre. Ich freue mich darauf!
So! Um zumindest ein Haar in der köstlichen Suppe zu finden:
Die Relation zwischen Partie-Formularen (wenig) und Kampagnen-Formularen (viel) ist wohl nicht ganz ausgewogen. Evtl. macht es deshalb Sinn sich eines der Partie-Formulare zu laminieren. Mehr Kritik fällt mir allerdings nicht ein. 😊 Das ist Meckern auf extrem hohem Niveau!!
Rezension Frank Gartner
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.